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Bis Donnerstagvormittag waren bereits 45 der 217 im Dezember in Piding beschlagnahmten Hundewelpen gestorben – die meisten an Parvovirose, mindestens einer an Staupe.

Schlimmstenfalls droht der Verlust aller Welpen

Piding – Das Geschäft ist einfach zu lukrativ – die 217 Welpen, die Mitte Dezember in zwei Transporten bei Piding beschlagnahmt wurden (wir berichteten), sind nur die Spitze des Eisbergs. Der Handel mit viel zu kleinen Welpen, die mit falschen Papieren und entgegen aller Behauptungen ohne Impfungen krank und völlig verwurmt nach Deutschland geschmuggelt werden, boomt nach Angaben des Deutschen Tierschutzbunds.


Die Dunkelziffer sei enorm, meint dazu der Geschäftsführer des Landesverbands Bayern im Deutschen Tierschutzbund, Andreas Brucker. »Die Händler haben auf den Aufgriff bereits reagiert, sie bringen zunehmend kleinere Mengen von drei bis sechs Hunden in Kofferräumen von Autos nach Deutschland – die sind deutlich weniger auffällig und werden nicht so streng kontrolliert wie ein Transporter mit ausländischem Kennzeichen.«

»Verbrecher wären blöd, wenn sie Drogen schmuggeln«

»Wenn ich ein Verbrecher wäre, wär' ich blöd, wenn ich Drogen schmuggeln würde«, sagt Brucker weiter. »Wenn die mich erwischen, ist die Ware weg, sie sperren mich ein und beschlagnahmen mein Auto. Wenn ich beim Welpen-Schmuggel erwischt werde, zahl' ich eine Sicherheitsleistung von 500 bis 1000 Euro, die Hunde sind weg, aber bei einem Wareneinsatz von 25 Euro pro Hund ist das zu verschmerzen, und ich fahr gemütlich heim und komm am nächsten Tag mit dem nächsten Transport wieder.«

Verkauft werden die Welpen in der Regel für 300 bis 700 Euro – »bei deutschen Züchtern, die unter realistischen Bedingungen arbeiten, kostet der gleiche Hund ein Vielfaches«, so Brucker weiter. »Ein Weimaraner etwa kostet zwischen 1400 und 1700 Euro, ein Chihuahua zwischen 1200 und 1400 Euro.«

217 Welpen waren in zwei Transporten in Piding beschlagnahmt worden. 45 von ihnen waren bis Donnerstagvormittag bereits gestorben, »weitere werden folgen«, ist sich Brucker sicher. Sie sind nicht nur viel zu klein, vom Transport geschwächt und verwurmt. Die ersten eingegangenen Welpen litten an der hoch ansteckenden Parvovirose. Diese verursacht massiven Durchfall und Erbrechen, die Tiere trocknen aus. Der Erreger greift die Organe an, es kommt zu Untertemperatur und schließlich zum Tod, erklärt Brucker. Parvovirose ist auch auf Katzen übertragbar.

Inzwischen gibt es zudem einen bestätigten Fall und zwei Verdachtsfälle von Staupe – die auch auf Nager und Wildtiere übertragbar ist. Sie verursacht Augenverklebungen, befällt die Lunge und die inneren Organe, so Brucker. »Der verstorbene Hund hatte in der Früh angefangen zu husten, mittags kam hohes Fieber dazu, Atemnot, Herzstillstand und dann starb er«, so Brucker.

»Theoretisch kann man mit Interferon behandeln, das auch gegen Hepatitis C eingesetzt wird. Aber das ist halt ein chemischer Hammer und sehr teuer«, so Brucker. Weil die Staupe hierzulande bereits ausgemerzt war, wurde der Impfstoff vor drei Jahren vom Markt genommen. »Das kriegt jetzt eine völlig neue Dimension«, so Brucker.

Die Welpen werden vor dem Transport »aufgespritzt«

Anfangs wirkten die Welpen noch putzmunter. »Die werden vor dem Transport alle aufgespritzt mit Antibiotika und Vitaminpräparaten«, erklärt Brucker. »Die Krankheiten treten meist erst acht bis zehn Tage später auf.« Insofern dauere es noch mindestens drei Wochen bis zu einer vorsichtigen Prognose, wie viele Hunde aus diesem Transport überhaupt überleben werden. »Schlimmstenfalls droht der Verlust aller 169 Welpen aus dem zweiten Transport. Die waren ja teilweise erst drei Wochen alt und hatten praktisch null Immunsystem.«

Leider hätten viele wohlmeinende Leute überhaupt kein Verständnis dafür, dass die Hunde noch nicht vermittelbar seien; zum einen, weil sie praktisch alle krank sind, zum anderen, weil die Rechtslage offenbar komplizierter ist, als man vermuten könnte. »Die gehören streng genommen noch dem Händler. Das ist wohl eine Gesetzeslücke«, so Brucker weiter. »Wir können nur Strafanzeige stellen in der Hoffnung, dass ein Richter die Wegnahme bestätigt.«

Zurückholen wird sie aber vermutlich niemand – »allein bei den Unterbringungskosten sind wir bereits bei 115 000 Euro«, schätzt Brucker. Die Welpen wurden seinerzeit auf 17 bayerische Tierheime verteilt, die Quarantänestationen haben. Die Tierarztkosten schätzt er zusätzlich auf mehr als 30 000 Euro.

»Die Landratsämter brauchen für außergewöhnliche Tierschutzfälle einen Notfallfonds von bis zu 500 000 Euro, auf den sie im Zweifelsfall zurückgreifen können«, fordert der Tierschutzbund von der Landespolitik. Bayern unterstütze den Tierschutz »mit keinem Cent«. Die gern ins Feld geführten 300 000 Euro für die Reptilienauffangstation entsprächen gerade mal knapp den Kosten, die der Freistaat mit der Einlieferung von beschlagnahmten Exoten selbst verursache. »Die beiden Jagdverbände kriegen zusammen über eine Million Euro. In Bayern muss ich Tiere töten, dann krieg ich Geld, wenn ich sie rette, krieg ich gar nix.«

»Wir sind ja nicht ermittlungsbefugt«

Im Fall der Welpen sei das Landratsamt Berchtesgadener Land einweisende Behörde und damit zahlungspflichtig, erklärt Brucker. Den Hinweis, der Tierschutzbund könnte sich seine Kosten bei den Händlern zurückholen, kommentiert er so: »Wir sind ja keine Behörde und nicht einmal im Inland ermittlungsbefugt, geschweige denn im europäischen Ausland.« Auch geplante Gespräche mit den östlichen EU-Mitgliedsländern, die den Welpenschmuggel zumindest billigen, sieht er als nicht besonders hilfreich an. »Sie wissen ja, was das bedeutet. Innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre rührt sich da gar nichts.«

Das Landratsamt Berchtesgadener Land wollte die Forderung der Kostenübernahme auf Anfrage des Traunsteiner Tagblatts nicht kommentieren. »Das geht seinen geregelten Gang«, sagte dazu der stellvertretende Pressesprecher Stefan Neiber. »Es gibt ja Vorschriften. Aber Bund und Land wissen auch, dass das der Landkreis nicht allein tragen kann.« Gemeinsam werde nach einer Lösung gesucht, versprach er. coho