Unter den Begriff Essstörung fallen zahlreiche Erkrankungen, die häufigsten sind Anorexie (Magersucht), Bulimie (Ess-Brech-Sucht), Binge-Eating (Esssucht) und Adipositas (Übergewicht). Die Ursachen sind unterschiedlich, oft haben Betroffene aber ein hohes Kontrollbedürfnis oder ein geringes Selbstwertgefühl. »Wer es beispielsweise geschafft hat, über den Tag ›wieder nichts zu essen‹, erlebt ein regelrechtes High-Gefühl, denn er hat die Kontrolle über sich und seinen Körper behalten«, sagt Sandra Egger. Viele Erkrankte würden dabei gar nicht wahrhaben wollen, dass sie an einer Essstörung leiden. Der erste Schritt – also das Eingestehen und Hilfe annehmen – sei deshalb der schwierigste. »Essstörungen werden auch nicht immer als solche erkannt.« Wer beispielsweise viel esse, würde dafür unter Umständen belächelt, weil er sich nicht im Griff habe, eine Erkrankung würde aber nicht vermutet. »Anders ist es natürlich bei magersüchtigen Personen: Wer immer dünner wird, kann dies irgendwann auch nicht mehr verbergen.«
Auch Männer sind betroffen
Im Therapienetz betreut Egger derzeit mehr Menschen, die an Anorexie oder Bulimie leiden. »Das betrifft natürlich viele Frauen, aber auch Männer.« Die Coronapandemie und die Lockdowns hätten die Situation noch verschlimmert: »Sehr viel war in den letzten Monaten fremdbestimmt, über ihr Essverhalten konnten Erkrankte aber die Kontrolle behalten.« Hinzu kam, dass das Sozialleben weitestgehen still stand und so auch kein Druck von Außen kam. »Man musste sich also keine Ausreden überlegen, warum man zum Beispiel nicht mit ins Restaurant kommt.«
Wer zu Sandra Egger kommt, wird zunächst zu seinem Essverhalten befragt. »Es gibt einige Merkmale, die auf eine Essstörung schließen lassen.« Darunter zählt zum Beispiel, wie dominant »Essen« im Leben der betroffenen Person ist. »Bei erkrankten Menschen dreht sich eigentlich alles um das Thema: Was kann ich kochen, was kann ich als nächstes zu mir nehmen – oder auch, auf was habe ich heute alles verzichtet, was kann ich morgen noch weglassen.«
Sandra Egger empfiehlt allen, die sich Sorgen um ein Familienmitglied, einen Freund oder Kollegen machen, ein Gespräch zu suchen. »Es bietet sich eine Unterhaltung unter Vier-Augen an, man sollte aber auf keinen Fall mit erhobenem Finger reagieren, sondern vielmehr seine Befürchtungen aussprechen.«
Lesen Sie den gesamten Artikel in der heutigen Ausgabe (Freitag, 22. Oktober) des Berchtesgadener Anzeigers.
Lena Klein