Charmant ist auch das Experten-Dialekt-Interview der Sechstklässler vom Gymnasium Laufen. Und als Teresa Waldherr, Siegerin des Schulprojekts »Rap de Schui«, auf bayerisch über die Bühne rappt, besteht kein Zweifel mehr: Dieser Nachmittag steht ganz im Zeichen der bayerischen Mundart. Drei Schulklassen aus der Region werden für ihren Dialekt-Einsatz ausgezeichnet, zugleich stellen Wissenschaftler der Uni Salzburg Erkenntnisse und neues Lernmaterial für Schulen vor. Am Freitagnachmittag fand im Königlichen Kurhaus die Abschlussveranstaltung des von Interreg Bayern-Österreich geförderten Projekts »Mitn Redn kemman d'Leit z'somm« statt.

Seit rund zwei Jahren läuft das Projekt der Uni Salzburg, begleitet vom Förderverein für Bairische Sprache und Dialekte (FBSD) und der Pädagogischen Hochschule Salzburg gemeinsam mit Schülern aus Bayern und Österreich. Noch druckfrisch wurden nun die neu entstandenen Unterrichtsmaterialien präsentiert. Sie sind zusammen mit dem Land-Salzburg-Projekt »Sprachliche Vielfalt verstehen, wertschätzen und ausbauen« entstanden. »Wir wollen Dialekt wieder in den Deutschunterricht bringen«, sagt Mitinitiator Eugen Unterberger von der Uni Salzburg, der im Zuge seiner Masterarbeit tiefer in die Materie eingestiegen ist. Drei Hefte beleuchten das Thema, geeignet für den Einsatz in der vierten, sechsten und zehnten Schulstufe. Einige Schulen »drent und herent« haben bereits mit dem Material gearbeitet. Vorurteile abbauen, dafür sprichwörtlich Verständnis füreinander aufbauen. Die sprachliche Vielfalt schätzen und damit umgehen. Darum geht es. Wer Dialekt spricht, ist nicht dümmlich, wer nur hochdeutsch kann, nicht arrogant. »Viele bei uns werten zwischen Dialekt und Hochsprache«, bedauert Siegfried Bradl, Vorsitzender des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte. Mit kritischem Blick beäugt der Standardsprachler den Dialektsprecher – und umgekehrt. »Dabei sind wir doch ein Kulturraum ohne Grenzen«, findet Bradl.
Regionale Unterschiede
Doch es gibt regionale Unterschiede beim Stellenwert der Mundart: Auf deutscher Seite lässt er zu wünschen übrig, sagt Dr. Irmtraud Kaiser. »In der Schweiz oder in Vorarlberg etwa spricht jeder Dialekt, da gibt es keine Abwertung«, hat die Wissenschaftlerin der Uni Salzburg beobachtet. In der Euregio-Region ist die Beziehung belastet: So wurde etwa durch das Verbot in den 1960er- Jahren, Dialekt in bayerischen Schulen zu sprechen, dieser völlig in den Hintergrund gedrängt. Kaiser: »Die Standardsprache wurde zur Bildungssprache.« Auch Eltern sprechen in Bayern zu wenig Dialekt mit ihren Kindern. »Ganz anders etwa im Alemannischen Gebiet, wo überall Dialekt gesprochen wird«, sagt Universitätsprofessorin Dr. Andrea Ender. Dabei sei das Beherrschen von Mundart und Standardsprache eine Form der Mehrsprachlichkeit, die Brückenbauen könne bei der Integration und helfen könne, beim Erkennen von Ähnlichkeiten.

An kritische Blicke in den 1980er-Jahren bei Ausbildungsfahrten nach München kann sich auch Landrat Bernhard Kern gut erinnern. »Da warst du dann schon ein Exot, wenn du bayerisch gesprochen hast.« Dabei ließe sich doch in Mundart vieles viel treffender aussagen, findet das Landkreis-Oberhaupt. »Wir hatten heute Kreistagssitzung, da verfalle ich dann schon ins Bayerische, wenn ich mal direkt werden möchte«, sagt er schmunzelnd.
Umdenken anstoßen
Die herrschenden Wertungen hinterfragen und ein Umdenken anstoßen möchten die Wissenschaftler daher mit ihren neugestalteten Unterrichtsmaterialien. Kaiser: »An den Schulen haben wir das Alter, wo wir noch was ausrichten können.« In dem einen Kapitel geht es darum, wie vielfältig Deutsch ist. »Warum gibt es Standarddeutsch?«, lautet eine Frage. »Warum ist der Sprachraum so unterschiedlich?«, beleuchtet ein Kapitel.
Die Hefte gehen der indogermanischen Sprachfamilie nach, beleuchten Jugendsprache und, und, und. »Niemand muss Angst haben, dass es etwas mit der Identität macht. Jeder sollte es als Bereicherung ansehen, wenn er Dialekt sprechen kann«, sind sich die Wissenschaftler einig.
Es gelte, die sprachliche Vielfalt als wertvolles Potenzial für den Alltag zu erkennen. Sie hoffen nun darauf, dass möglichst viele Lehrer auf ihre Materialien zurückgreifen werden.
Ausgezeichnet
Dass der Dialekt in Schulen der Region inzwischen wieder gelebt wird, zeigen einige Projekte:
Jeweils 150 Euro für die Klassenkasse konnten die ausgezeichneten Klassen einheimsen. Die Mädchen und Buben der Klasse 6 b des Rottmayr-Gymnasiums Laufen überzeugten mit ihrem auf bayerisch gehaltenen Experten-Interview »Wir wollen's wissen«.

Die sechste Klasse der Mittelschule Teisendorf begeisterte mit ihrer bayerischen Version des Wincent Weiss-Hits »Wer, wenn ned mia«.
Mit der bayerischen Version der Rate-Show »Wer wird Millionär« konnte die zehnte Schulstufe des Werkschulheims Felbertal punkten.
Zum Schluss gab Teresa Waldherr ihren Rap »Weiß-Blau trifft Grün-Gelb« zum Besten. Die Abiturientin des Annette-Kolb-Gymnasiums hatte damit den Wettbewerb »Rap de Schui« gewonnen. Entstanden war das Projekt im Homeschooling, als Lehrer Georg Christelmaier eine sinnvolle Beschäftigung für die Schüler gesucht hat. »Schon länger war uns klar, dass der Dialekt an weiterführenden Schulen unter Druck steht und wir wollten was dagegen tun«, sagt der Lehrer für Englisch, Französisch und Spanisch, der zudem Mitglied im Förderverein für Bairische Sprache und Dialekte ist. Als Preis gab es für Teresa Waldherr eine professionelle Videoproduktion mit Sebastian Riepp, der auch schon für »LaBrassBanda« gearbeitet hatte. Das Video ist auf Youtube zu sehen unter youtu.be/gbV3QMlJm0Q.
Mehr Infos gibt es unter www.spravive.com.
Mareike Klappenbach