Dähnert steht in luftiger Höhe auf dem Gerüst, das neben der Kehlsteinstraße am Hang aufgestellt wurde. Von der Straße aus blickt man einige Meter hinunter und natürlich über das ganze Berchtesgadener Tal. Von der schönen Aussicht haben Dähnert und seine Kollegen nicht wirklich etwas. Bis Oktober muss die Stützmauer fertig saniert sein, die seit 1938 steht. Da bleibt keine Zeit zum Bewundern des Panoramas.
»Wir arbeiten bei Wind und Wetter. Und wenn du im Sommer vor der Wand stehst, strahlt die Hitze zurück, das ist hart«, so der Polier. Damit die Stützmauer auch die kommenden Jahrzehnte überdauert, müssen Anker in die Mauer getrieben werden. Aber vorher müssen die Fugen zwischen den Steinen raus, erklärt der Vorarbeiter. »Dann werden die Zwischenräume mit einem Hochdruckreiniger gereinigt.«
Es folgt die maschinelle Verfugung. »Das Material, das hineingespritzt wird, ähnelt Spritzbeton.« So ist schon einmal die Mauer saniert. Damit das Ganze noch besser hält, braucht es die Anker. Dafür wird die Wanddicke ermittelt. Das Ankerraster und die Länge der jeweiligen Elemente werden vom Statiker ausgerechnet, auch wie viele mit welchem Abstand benötigt werden. »Hier an dieser Stelle werden 176 Anker auf 155 Meter Mauer gebraucht«, erläutert Bernd Dähnert. Es handelt sich um doppelt korrosionsgeschützte Daueranker, bestehend aus einem Grobgewinde, das wiederum verschiedene Schichten und unter anderem einen Betonmantel hat. »Wir arbeiten hier mit einem europäischen Patentverfahren«, betont der Polier. Auch eine Drainage »kommt rein«.

Die Maßnahme ist voll im Plan, informiert Dähnert. Da es sich um ein geschichtsträchtiges Bauwerk handelt, ist das Denkmalschutzamt mit im Boot – »die müssen aber ein bisschen nachgeben, zum Beispiel bei der maschinellen Verfugung«, sagt der Polier. Darüber hinaus bleibe alles erhalten und die Standsicherheit ist mit Abschluss der Maßnahme auch wieder gegeben.
Kehlsteinwirt Norbert Eder erinnert in diesem Zusammenhang an den Bau der Straße und der Stützmauer: »Es handelt sich hier um einen sensiblen Bereich, bedenkt man die Bauzeit. Es hat damals, während des Baus 1938, einen großen Unfall gegeben, bei dem mehrere Arbeiter tödlich verunglückt sind. An dieser Stelle war eine Lehm-Lasse abgerutscht. Darum ist die Streckenführung der gesamten Straße bis zum ersten Tunnel verändert worden.«
In diesem Jahr werden sowohl an der Straße als auch am Kehlsteinhaus umfangreiche Sanierungen vorgenommen. Ein eigener Artikel über die Maßnahmen im Haus folgt. Die Verantwortlichen vom Staatlichen Bauamt und von der TRBK nutzen die Corona-bedingte Schließung des Hauses für die Sanierungen, die sonst über die nächsten fünf Jahre verteilt geplant waren.
Befahren verboten
Während des Gesprächs des »Berchtesgadener Anzeigers« mit dem Vorarbeiter der Baustelle auf der Kehlsteinstraße kamen sowohl Radfahrer als auch Bergwanderer vorbei.
Kehlsteinwirt Norbert Eder und seine Frau Sabine, mit denen der »Anzeiger« unterwegs war, zeigten sich verwundert und verärgert: »Die Straße ist gesperrt. Unten stehen eigentlich genug Schilder«, so Norbert Eder.
Die Personen, die dennoch auf der Straße unterwegs waren – und das waren einige – haben laut Eder eine Ordnungswidrigkeit begangen.
Während Polier Bernd Dähnert von seiner Aufgabe berichtete, blieb sogar ein Radfahrer neben Eder stehen und versuchte, ein Gespräch anzufangen. »Der wollte mich von der Seite anreden«, berichtete der Kehlsteinwirt anschließend. Auch der Vorarbeiter hatte kein Verständnis für so ein Verhalten. Eine Handvoll Verbotsschilder weist am Beginn der Straße deutlich auf die Sperrung für Autos, Radfahrer und Fußgänger hin. ⋌av
Die Kosten
Der Geschäftsführer der Tourismusregion Berchtesgaden-Königssee (TRBK), Michael Wendl, gab dem »Berchtesgadener Anzeiger« einen Überblick über die Kosten: Für die komplette Sanierung der Kehlsteinstraße wurden 3,3 Millionen Euro an Darlehen aufgenommen.
Darin enthalten ist aber auch eine Asphaltierung der Straße, die heuer nicht mehr realisiert wird. 800.000 Euro davon entfallen etwa auf die Sanierung der Bauwerke, wie der Stützmauer. Der Steinschlagschutzzaun an der Straße kostet 350.000 Euro.
Annabelle Voss