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Gemessen wird an viel befahrenen Orten, wie hier im Ortszentrum von Unterstein in Schönau am Königssee, und an wenig frequentierten Stellen. (Foto: Kilian Pfeiffer)

Berchtesgaden und seine Nachbargemeinden wollen erneut die höchste Auszeichnung – Messungen durch den DWD

Berchtesgaden – Um das hoch angesehene Prädikat »Heilklimatischer Kurort« zu führen, bedarf es regelmäßiger Überprüfungen. Aktuell gibt es in den Gemeinden des Berchtesgadener Talkessels wieder Messungen durch den Deutschen Wetterdienst. Die Wahl der Mess-Standorte sei unabhängig, beteuert der Deutsche Wetterdienst und widerspricht damit einer Aussage des Zweckverbands Bergerlebnis Berchtesgaden.


Sieben Jahre nach der letzten Luftqualitätsüberprüfung mussten die Experten des Deutschen Wetterdienstes wieder in den südöstlichen Zipfel der Republik ausrücken: »Heilklimatische Kurorte« dürfen sich Berchtesgaden und dessen Nachbargemeinden bereits seit vielen Jahren nennen. Es ist die höchste Auszeichnung die Luftqualität betreffend, heißt es beim Deutschen Wetterdienst. 17 Gemeinden in Bayern führen das Prädikat. Ein Heilklimatischer Kurort ist laut Innenministerium ein Ort, »der ein Klima besitzt, dessen besondere Eignung für therapeutische Anwendungen wissenschaftlich anerkannt ist und der ortsspezifische Klimakuren durchführt«. Darüber hinaus muss der Ort über ein »umfassendes Angebot« an Kureinrichtungen verfügen.

Berchtesgaden zur Sommerzeit erfordert Geduld: Ein Vorwärtskommen ist in der Hauptsaison tatsächlich schwierig. Die Autoschlange durch Berchtesgaden reiht sich durch das gesamte Zentrum des Marktes. Auf mehr als einem Kilometer reiht sich Fahrzeug an Fahrzeug. So geht das fast jeden Tag – seit Wochen. So schlimm wie in diesem Jahr war es noch nie, sagen Lokalpolitiker. Die kilometerlangen Staus in der Hauptsaison durch den Ort würden keine Rückschlüsse auf das Fortbestehen des Prädikats zulassen, teilt das zuständige Bayerische Innenministerium schriftlich mit. Im Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden heißt es: »Die Luftqualität im Talkessel ist hervorragend, daher gibt es keine Überlegungen, das Prädikat nicht zu verlängern.«

Die Gemeinden Berchtesgaden und die Nachbarorte Schönau am Königssee, Bischofswiesen, Ramsau und Marktschellenberg sind Träger des Prädikats »Heilklimatischer Kurort«. Es ist nicht nur eine bedeutende Auszeichnung, mit der die Gemeinden werben, sondern auch ein Gütesiegel für Kurorte, deren Klima therapeutisch wirksam sein soll. Im Jahr 2015 wurden die fünf Orte im Berchtesgadener Talkessel das letzte Mal hinsichtlich der Luftqualität überprüft. Zuletzt konnte die Regierung von Oberbayern aufgrund der vorgelegten Unterlagen zu den »bioklimatischen und lufthygienischen Verhältnissen« das Prädikat 2016 bestätigen. Der Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden bestätigt eine erneute Untersuchung seit vergangenem Jahr. Mittlerweile muss die Luftqualität Heilklimatischer Kurorte alle zehn Jahre überprüft werden.

Die Messungen in Berchtesgaden übernahm der Deutsche Wetterdienst. Beim Zweckverband in Berchtesgaden heißt es: »Die genauen Standorte haben die Gemeinden jeweils direkt mit dem Deutschen Wetterdienst vereinbart.« Beim Deutschen Wetterdienst möchte man das so nicht stehen lassen: »Unglücklich ausgedrückt« habe sich die Vertreterin des Zweckverbands, sagt Diplom-Meteorologin Gudrun Mühlbacher auf Anfrage. Im Prädikatisierungsverfahren würden die fünf Orte vollkommen unabhängig überprüft werden, auch der Standort wurde ohne Einfluss anderer ausgewählt. »Die Auswahl der Messstellen ist aus fachlicher Sicht erfolgt«, teilt die Diplom-Meteorologin mit. Auf erneute Anfrage sagt der Zweckverband: »Die Gemeinden können Standorte vorschlagen. Die Standortvergabe erfolgt aber durch den Deutschen Wetterdienst.« Die Luftqualitätsmessungen begannen bereits im vergangenen Jahr und dauerten bis zuletzt an. Eine Messreihe ist normalerweise für 365 Tage angesetzt .

In Marktschellenberg wurden die Messungen bereits im März beendet, in Bischofswiesen im Mai, in Berchtesgaden im Juni. Ende Juli hat der Deutsche Wetterdienst die Luftanalyse in Schönau am Königssee abgeschlossen. »In Ramsau werden sie im September zu Ende gebracht«, teilt der Zweckverband schriftlich mit.

Gutachter hatten in jeder der fünf Talkessel-Gemeinden jeweils zwei Messstellen installiert. Ein Experte machte sich ein Bild vom Ort und wählte dann Messstellen an einem viel befahrenen Ort und an einem ohne offensichtliche Luftverunreinigung aus: »In der freien Natur, im Kurgebiet, dort, wo sich Gäste aufhalten«, weiß eine Sprecherin des Zweckverbandes. Die Auswahl erfolgt nach einer VDI-Richtlinie. Pro Messstelle benötigen die Meteorologen 50 Wochenproben. Mitarbeiter der Gemeinden sind beauftragt, die Proben in Plättchenform wöchentlich auszutauschen. Einmal während der ein Jahr dauernden Messreihe gibt es eine unangemeldete Zwischenüberprüfung des Deutschen Wetterdienstes.

»Ein Heilklimatischer Kurort muss besonders hohe Erwartungen erfüllen«, sagt Gudrun Mühlbacher, die die Messreihen jahrelang betreute und mittlerweile das Regionale Klimabüro des Deutschen Wetterdienstes in München leitet.

In Berchtesgaden haben die Gutachter die Sensoren an der belasteten Maximilianstraße unweit des AlpenCongress angebracht, ebenso am wenig frequentierten Rabensteinweg. In Bischofswiesen wurde die Technik an der Hauptstraße und beim örtlichen Schwimmbad, dem Aschauerweiherbad, installiert. »Ein Ort muss sich durch hohe Verkehrsbelastung auszeichnen, beim anderen muss die Luft sauber sein und der Luftdurchzug stimmen«, sagt die Meteorologin.

Bis auf Ramsau sind die Ergebnisse bereits eingeholt, aber noch nicht ausgewertet worden. Drei bis vier Monate wird die Auswertung dauern, bis alle Wochenproben analysiert sind, weiß die Wetterexpertin. Die Inhalte der Gutachten werden ausschließlich den Gemeinden übermittelt. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse erfolgt, wenn gewünscht, durch die Kommune selbst.

Sollte ein Ort die Luftqualitätskriterien nicht erfüllen, »wird das Prädikat nicht sofort aberkannt«. Ganze fünf Jahre Zeit hat eine Gemeinde, um Lösungsansätze zu finden. »Normalerweise sucht eine Gemeinde dann in Verbindung mit Vertretern des Ministeriums und des Landratsamtes nach Lösungen.« Maßnahmen können unter anderem verkehrstechnischer Natur sein. Deren Umsetzung kann wegen aufwendiger Planungen oft mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Deswegen ist der Zeitraum mit fünf Jahren auch großzügig gewählt, ehe es zur nächsten Prüfung kommt, so Gudrun Mühlbacher.

Würden die Kriterien dann noch immer nicht erfüllt werden, müsste die Gemeinde das Prädikat schließlich endgültig abgeben. Im Fall der Talkessel-Gemeinden heißt es bis Ende des Jahres jetzt erst mal: abwarten.

Kilian Pfeiffer

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