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Die Erste (l.) sitzt hier schon seit 4 Uhr morgens, die Männer aus Traunstein seit halb fünf Uhr.

Das ist Wahnsinn – Hunderte Fans stehen Schlange

Berchtesgaden – Ein Besuch vom Papst? Von der Queen? Oder ist Michael Jackson wieder auferstanden und gibt ein Konzert in Berchtesgaden? Nein – wegen Karten für die Kabarettistin Monika Gruber standen mehrere Hundert Menschen am Samstag vor dem AlpenCongress Schlange. »Anzeiger«-Redakteurin Annabelle Voss war ab sieben Uhr dabei.


»Wahnsinn!« – so heißt nicht nur das aktuelle Programm der bayerischen Blondine Monika Gruber. Es eignet sich auch zur Beschreibung des Vorverkaufs in Berchtesgaden. Es ist sieben Uhr morgens. Andere schnarchen noch in ihre Bettfedern, während sich ein paar Verrückte schon vor das Kurhaus – Entschuldigung, den AlpenCongress – gequält haben. Verschlafen und mit Wintermantel, da es gerade 8 Grad Celsius hat. Die Überraschung: Die allererste Kabarett-Enthusiastin war schon um 4 Uhr da. Eine Berchtesgadenerin, die in ihrem Campingstuhl an der Mauer im Gang vor dem Foyer sitzt. Hinter ihr sitzen, auch in professioneller Camping-Ausrüstung, schon etwa 35 bis 40 Hardcore-Kartenjäger. Auf dem zweiten Platz in der Schlange sind drei Männer aus Traunstein. »Wir san seit halb fünf Uhr da«, sagt einer gut gelaunt. Die Stimmung ist trotz der unchristlichen Zeit ausgelassen.

Um 8.15 Uhr stehen die Gruber-Fans schon weit hinaus, etwa 30 Meter vor dem Haupteingang hat sich der Letzte niedergelassen. Aber das lässt die Ersten unbeeindruckt: Sie sind sich ihres Erfolgs schon sicher. Manche haben sich Stühle und Tische von Sophies Restaurant geschnappt, andere haben gleich ihren Klapptisch dabei. Drei junge Berchtesgadener sitzen wie bei einem Picknick auf dem Boden, essen, trinken und spielen Stadt-Land-Fluss, die nächsten haben Kartenspiele dabei. Und immer wieder fängt eine der Gruppen zu lachen an. Besonders gut drauf sind die ersten zehn: Da gibt's nämlich gerade die ersten Schnapserl, um 8.30 Uhr morgens. Aber wer stundenlang nebeneinander sitzt, sollte auch eine Gaudi miteinander haben. Und so ein Klopfer wärmt auch von innen.

So harren auch drei Frauen aus Bad Reichenhall schon seit 6.45 Uhr in dicke Decken eingemummelt aus. Claudia, Irmi und Tine warten sehnlichst darauf, dass sich die Glastüren öffnen. Was übrigens erst um 11 Uhr passiert. »Ich hab die Gruberin schon mal gesehen. Das hat mir so gut gefallen, weil sie einfach redet, wie ihr der Schnabel gewachsen ist«, erzählt Irmi. Und deswegen wartet sie schon seit Stunden. Für einen anderen Künstler oder Kabarettisten würde sie sich nicht so lang anstellen. »Aber bei ihr rentiert es sich halt.«

Ein Pärchen aus Saaldorf, auch unter den knallharten Langzeit-Wartenden, hat die Gruberin noch nie live erlebt. »Aber wir wollen s' jetzt unbedingt mal sehen«, so Markus, der Mann mit Strohhut. Seine Frau Andrea strickt etwas Grünes. Würden sich die beiden für eine Band, wie zum Beispiel AC/DC, auch stundenlang anstellen? »Ach de haben wir schon gesehen und da muss man sich ned anstellen, weil das kann man alles im Internet kaufen«, lacht der Saaldorfer.

Plötzlich stapft ein Herr mit einem giftgrünen Beutel, in dem anscheinend auch ein Klappstuhl untergebracht ist, vorbei. Es geht ein Raunen durch die Menge. Der wird sich doch wohl nicht vordrängeln? Aber er kommt nicht weit. Spätestens an der vordersten Front weisen ihn die Gruber-Fans deutlich darauf hin, wo sein Platz ist. Im Vorbeigehen fragt er noch gespielt unschuldig: »Ist das schon die Schlange?« Zurück schallt ein einhelliges »Ja!«.

Dennoch werden manche schon nervös. Weil dort, wo die Schlange beginnt, nicht der Verkauf stattfindet, sondern etwa 50 Meter weiter vorn im Foyer. In diesem Moment kommt schon ein Mann mit Lederjacke und spricht mit der ersten Gruppe – es ist Max Rauch vom Konzertbüro Rauch, der Veranstalter. Er weist sie offenbar darauf hin. Dann geht es schnell. Alle reißen ihre Stühle hoch und marschieren nach vorne. Jetzt heißt es Aufpassen, dass niemand den Platz wegschnappt. Aber alles geht gut.

Nervös ist noch ein anderer: Der Leiter des AlpenCongress, Sepp Wenig. Er steht ein paar Meter neben der Schlange und schüttelt nur noch den Kopf. »So etwas habe ich in den letzten 30 Jahren nicht erlebt«, sagt er zu dem Vorverkauf, für den mittlerweile schon Hunderte anstehen.

Es ist jetzt 10.30 Uhr. Irgendwie gemein ist es schon, dass bis jetzt die Glastüren plötzlich immer wieder auf- und wieder zugingen. Die Spannung ist kaum mehr auszuhalten. Wenigstens sorgen vereinzelte Sonnenstrahlen dafür, dass es den Wartenden etwas wärmer wird. Um kurz nach 11 Uhr ist der Moment endlich da. Max Rauch persönlich bittet nun immer nur wenige in der Schlange hinein. Drinnen stehen drei kleine Tische, an denen die Ticketverkäuferinnen sitzen. Jeder Fan bekommt nur vier Karten, mehr nicht.

Es ist sonderbar, wie toll es sich anfühlt, nach vier langen Stunden endlich die vier weißen Karten mit der blauen Schrift »Monika Gruber – Wahnsinn!« in der Hand zu halten. Aber noch einmal so lange anstellen? Nein danke. Der schwerste Teil kommt jetzt: mit den Karten an 550 wartenden Fans vorbeigehen. Man stelle sich vor, man geht mit einem Anzug aus rohem Fleisch an einem Rudel hungriger Wölfe vorbei. Gefühlt Tausend Augenpaare starren dich schon auf dem Weg vom Foyer zum Haupt-Zugang an. Jede Bewegung wird verfolgt. Was schaut denn da aus der Tasche raus? Vielleicht eine Karte? Die Schritte werden schneller. Von allen Seiten tönt es: »Host du oane kriagt??« Am schlimmsten ist der enge Durchgang bei der Tourist-Info. Nur kein Blickkontakt. Eine Frau raunt ihrer Freundin zu: »Pass auf, dass dir keiner ein Hackerl stellt.« Draußen dann der Schock: Die Schlange schlängelt sich bis zum Zebrastreifen, dann geht sie weiter nach links, an der Tiefgaragenzufahrt vorbei bis zum Alten Friedhof. Nur ein Wort: »Wahnsinn!«

Zum Schluss noch ein Hinweis für Monika Gruber persönlich. Gruberin, wenn du das liest: Die Berchtesgadener standen alle stundenlang wegen dir an. Wehe, du bist nicht lustig! Annabelle Voss

 

Zahlen und Hintergrund:

Warum kein Online-Verkauf?

Zu dem einmaligen Verkaufstermin am Samstag um 11 Uhr kamen insgesamt rund 550 Menschen. Das berichtet AlpenCongress-Leiter Sepp Wenig auf Nachfrage.

Am Vormittag zählte der Veranstalter, Max Rauch vom Konzertbüro Rauch, schon eine Stunde vor dem Start 463 Personen. Um 11.50 waren alle Karten weg. Eine Bischofswieserin, die sich um 9 Uhr angestellt hatte, ging bereits leer aus. Die Frage, die sich aufdrängt: Warum gab es online keine Karten? Max Rauch kennt die Antwort: »Weil sich in der Vergangenheit Leute online die Karten gekauft haben und dann teils für das Zehnfache auf eBay weiterverkauft haben.« Diese Form des Direktverkaufs sei aber in allen Städten durchgeführt worden. »Sogar in München.« Aber so eine lange Schlange wie in Berchtesgaden gebe es selten. »In Garmisch vor einer Woche waren es nur 80«, so Rauch. Zudem möchte Monika Gruber laut Rauch so sichergehen, dass nur »Berchtesgadener zu dem Auftritt kommen«. Andernfalls würden Menschen aus ganz Deutschland Karten kaufen und von weit her anreisen. »Zu dem Auftritt in Burghausen kamen Leute aus Kiel, das muss man sich mal vorstellen.« Leider ging der Plan nicht ganz auf, da dennoch viele Auswärtige Karten ergattern konnten (siehe Haupttext). Und warum gibt es nicht mehr Termine in Berchtesgaden? »Monika Gruber hat im Jahr rund 150 Auftritte. Ich hätte gerne mehr angeboten, aber wir haben keine weiteren Termine bekommen«, so Rauch. Die »Gruberin« macht demnach hauptsächlich Einzeltermine. av

 

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