Es ist noch nicht lange her, da haben sich Pfarrgemeinderäte und Kirchenverwaltungen des Stiftslands in Klausur begeben und über aktuelle Themen beraten (wir berichteten). Eines davon: Anzahl und Qualität der Gottesdienste. Hier wird es Änderungen geben, kündigt Pfarrer Frauenlob an. Grundsätzlich ist der Pfarrverband zahlenmäßig »gut aufgestellt«, auch im Vergleich zu anderen in der Diözese. Trotzdem stellt der oberste Seelsorger im Talkessel die Frage: »Kommt das noch an?« Und gibt auch die Antwort darauf: »Ich finde es akzeptabel, das von Zeit zu Zeit zu überprüfen.«
Gottesdienst-Angebot muss zeitgemäß sein
Denn manches, was in der Vergangenheit richtig war, passt womöglich nicht mehr in die heutige Zeit. Darauf will Dr. Frauenlob reagieren, die Kategorien dafür sind »Museum, Schaufenster und Werkstatt«. Dazu gehört das Bewusstsein, dass die Gottesdienstbesucher weniger werden, aber auch die Personallage im Pfarrverband anders ist als früher.
Das hat bereits zu Ergebnissen geführt: Die Werktagsgottesdienste etwa sind »nicht mehr verhältnismäßig«, sagt Dr. Frauenlob. Insgesamt soll das Angebot deswegen angepasst werden an »Jahreszeit, Gegebenheiten und Notwendigkeiten«. Und dabei auch andere, einfacher zu gestaltende Formen favorisiert werden wie zum Beispiel Kreuzwegandachten, Taizé-Gebete oder auch von Firmlingen gestaltete Feiern. Außerdem: »Es muss nicht überall alles geben.« So hält es der Pfarrer für sinnvoll, zum Beispiel Gottesdienste für Ehejubilare zentral in Bischofswiesen zu halten, wo das gut eingeführt ist.
Ohne Streichungen wird es aber nicht gehen, vor allem bei Angeboten, die einfach nicht mehr nachgefragt sind. Zwei Dinge sind aber weiter von zentraler Bedeutung, versichert Dr. Frauenlob: »Die tägliche Eucharistiefeier ist bei den Franziskanern gewährleistet. Und es muss ein verlässliches Angebot geben für die, die nicht mehr in die Kirche kommen können. Daran ändert sich auch nichts.«
Mit dem Pfarrverbandsrat ist das alles bereits besprochen: »Wir sind uns einig, dass wir da in Zukunft weiterdenken müssen.« Entsprechende Informationen für die Gläubigen wird es in Pfarrversammlungen und auch im Pfarrbrief zu Pfingsten geben.
»Brief an einen aus der Kirche Ausgetretenen«
In der Ausgabe zum Advent hatte Dr. Frauenlob die vielen Kirchenaustritte thematisiert und ein ein von ihm verfasstes Schreiben veröffentlicht: »Brief an einen aus der Kirche Ausgetretenen«. Denn auch diese Entwicklung treibt das Stiftsland um. Schon in den vergangenen Jahren waren die Austrittszahlen gestiegen. Dann wurde im Januar 2022 das Gutachten zu den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche veröffentlicht und hat diesen Trend deutlich befeuert. Von einem »Schub« spricht der Pfarrer, die Austritte haben sich dann 2022 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt: »Das tut weh.«
Die Betroffenheit über diese Entwicklung ist im Pfarrverband vielschichtig. Da geht es – recht weltlich – natürlich auch um finanzielle Aspekte. Die Zuschüsse, die von der Diözese kommen, sind von einigen unterschiedlichen Faktoren abhängig: Dazu zählen die Größe der Pfarrei, die »traditionelle Gebietsprägung« und auch die Zahl der Gläubigen. Die Zuschüsse sind wichtig, denn vor Ort wird einiges an Geld gebraucht, erklärt Michael Koller. Dazu zählen Investitionen für Gebäude und Instandhaltung (gesonderter Bericht), ebenso kostet natürlich das pastorale Angebot etwas.
Dazu kommt ein gewichtiger Aspekt, der von vielen oft übersehen wird: das soziale Engagement der katholischen Kirche. Koller nennt ein Beispiel: »Die Caritas ist rein kirchlich. Das geht nur, wenn die Kirche allgemein funktioniert.« Das gilt für das gesamte, breit gefächerte Engagement: Schulen, Kindergärten, Sucht- und Schuldnerberatung, Senioreneinrichtungen, Behindertenwohnheime, schließlich auch der Erhalt der Kirchen und Kapellen. »Die Kirche leistet einen großen Beitrag für die Gesellschaft«, unterstreicht Koller. Und Dr. Frauenlob ergänzt: »Wer soll übernehmen, wenn die Kirche ausfällt?«
Innerkirchlich würde das ebenfalls finanzielle Verwerfungen nach sich ziehen, ist der Pfarrer überzeugt: »Baumaßnahmen stehen als Erstes infrage. Die Diözese könnte sich dann auf die Verkehrssicherung beschränken.« Im Raum stehen erhebliche Summen, denn der Bauhaushalt der ganzen Diözese beläuft sich jährlich auf 50 bis 80 Millionen Euro. Geld, das ja vor Ort auch heimischen Handwerkern zugutekommt.
Kirche ist auch eine Solidargemeinschaft
Dr. Frauenlob will seinen Auftrag weiter erfüllen: »Die Kirche ist ein Ort der Begegnung.« Deswegen hatte er auch im Pfarrbrief zum Advent diese schwierige Entwicklung bewusst angesprochen: »Wir packen das aktiv an und dürfen nicht verschämt sein.« Dazu gehört für die Stiftsland-Verantwortlichen, ein entsprechendes Angebot zu haben, erklärt Michael Koller: »Wir versuchen, Kirche vor Ort so attraktiv wie möglich zu machen. Und wir unterstützen alle, nicht nur die Gläubigen.« Da hakt auch der Pfarrer ein und appelliert an die Austrittswilligen: »Ich kehre mich damit nicht nur von der Glaubensgemeinschaft ab, sondern verabschiede mich auch aus der Solidargemeinschaft.«
Nur selten bekommt Dr. Frauenlob Rückmeldung auf seine Briefe. Trotzdem hält er es für wichtig, in solchen Situationen weiter präsent zu sein: »Es muss klar sein, dass dieser Schritt nicht unbeobachtet ist. Und nicht unbeachtet.« Allerdings vergeht in der Regel viel Zeit, bis die Austrittsmeldung im Stiftsland ankommt; denn von den Standesämtern wird zunächst die Diözese benachrichtigt, die dann wiederum die Kirchenverwaltung vor Ort informiert.
Geld und Entfremdung
Wenn es doch einmal zu einem Gespräch kommt, hört der Pfarrer immer wieder als Grund: das Geld. Er räumt allerdings ein, dass ebenfalls »oft ein langer Prozess der Entfremdung von der Kirche« vorausgeht. Deswegen war die Aktion im Pfarrbrief bewusst gewählt, um die »Dimension darzustellen«, die ein Kirchenaustritt hat. Häufig entstehen Probleme erst später, berichtet der Seelsorger – wenn es um das Patenamt oder Beerdigungen geht: »Verwandte bekommen diesen Schritt oft nicht mit.«
Deswegen schreibt Dr. Frauenlob in seinen Briefen: »Kirche ist weit mehr als eine Institution, die ihre Gläubigen zur Sonntagsmesse und zu anderen religiösen Festen lädt. Vielmehr begleitet sie ihre Mitglieder und deren Angehörige auf allen großen Stationen des Lebens.« Das Seelsorge-Team des Stiftslands hofft deshalb, den Austritts-Trend zu brechen. Oder wie Michael Koller sagt: »Wir wollen Kirche zum Angewöhnen, nicht zum Abgewöhnen.«
Thomas Jander