Die Erstellung eines virtuellen 360-Grad-Rundgangs ist für die Bildungsreferenten Chance und einmalige Möglichkeit zugleich: Sie wollen die alte Dauerausstellung der Dokumentation Obersalzberg auch in Zukunft erhalten und für Interessierte zugänglich machen. Das Projekt wurde im November und Dezember vergangenen Jahres nach mehrwöchiger Arbeit umgesetzt. Ein Fotograf verbrachte zwei Tage in der Ausstellung, um diese bis ins letzte Detail zu fotografieren. In Zusammenarbeit mit dem Bildungsreferat wurde ein virtueller Rundgang erstellt. Dabei galt es sowohl inhaltliche als auch gestalterische Aspekte zu berücksichtigen und Zusatztools wie Audio- und Videofiles einzubinden.
»Durch die hochauflösenden Aufnahmen ist es möglich, einen Großteil der Texte und Bilder lesen und ansehen zu können«, sagt Leonie Zangerl. Weil die Dokumentation seit wenigen Wochen dauerhaft geschlossen ist und sich der 30-Millionen-Neubau noch im Bau befindet, sei dies Gelegenheit, auch weiterhin einen Blick in die von Millionen Gästen besuchte Ausstellung zu werfen. »Als Ergänzung zu all unseren weiteren digitalen Angeboten kann man ab sofort die alte Ausstellung von zu Hause aus besuchen.« Im Bildungsreferat bedauert man den Umstand, dass mit dem Umbau auch eine Zeit der Schließung einhergeht, voraussichtlich das gesamte Jahr über keine Besucher empfangen werden können.
Mit dem digitalen Rundgang soll es in Zukunft möglich sein, die neue Ausstellung mit der alten zu vergleichen. Fragen wie »Wie hat man vor über 20 Jahren eine Ausstellung zum Thema Nationalsozialismus konzipiert?« oder »Wie stellt man die Geschichte Deutschlands heute aus?« könnten etwa in Bildungsprogrammen erarbeitet und beantwortet werden. Der digitale Rundgang soll daher zukünftig den Weg in die Bildungsarbeit finden und an PC-Stationen im neuen Obersalzberger Bildungszentrum bereitgestellt werden. Seminarteilnehmer dürfen anhand der virtuellen Ausstellung auf einfache Art Aspekte der Geschichte des Nationalsozialismus erarbeiten. »Für viele ist es deutlich interessanter, sich virtuell durch einen Raum zu bewegen, als dicke Bücher zu wälzen«, sagt Leonie Zangerl. Über eine Menüfunktion im virtuellen Rundgang sollen einzelne Themen auch direkt angewählt werden können.
Der Audioguide, der den Besuchern der Dokumentation Obersalzberg all die Jahre als App zur Verfügung stand, wurde in den virtuellen Rundgang integriert und an den entsprechenden Stellen in der Ausstellung verortet. Bis auf kleinere Anpassungen haben die Verantwortlichen auf bestehendes Material zurückgegriffen. Als Ergänzung dienen Zusatztools: So beinhaltet der 360-Grad-Rundgang kurze Videos, in denen Guides der Dokumentation Obersalzberg ausgewählte Exponate erklären – ein Klick genügt. »Man muss nicht nur lesen, sondern kann auch hören und sehen«, sagt Zangerls Kollege Dr. Mathias Irlinger, ebenfalls Bildungsreferent in der Dokumentation Obersalzberg.
Weitere Bewegtbilder, bei denen Nutzer Informationen zu historischen Gebäuden am Obersalzberg (»Häusergeschichten«) erhalten, sind im virtuellen Rundgang integriert. Darunter auch die Geschichte jenes Gästehauses, auf dessen Grundmauern die Dokumentation Ende der 1990er-Jahre entstand.
»Derzeit arbeiten wir daran, auch den Ausstellungsfilm ›Obersalzberg – vom Bergbauerndorf zum Führersperrgebiet‹ zugänglich zu machen«, sagt Leonie Zangerl. Dieser hat sich auf physischem Medium als DVD über 30 000-mal verkauft. Sobald alle rechtlichen Fragen geklärt sind, soll er im virtuellen Filmraum anzusehen sein. In der Dokumentation berichten ehemalige Bewohner des Obersalzbergs über ihre vergangenen Erlebnisse, etwa über die Beseitigung des Dorfes während der Zeit des Nationalsozialismus.
In den vergangenen Wochen haben die Verantwortlichen die alte Dauerausstellung abgebaut und die Exponate – so auch die umstrittene Hitler-Büste – im Depot eingelagert. Während der Nazi-Zeit standen vergleichbare Büsten in nahezu allen öffentlichen Gebäuden und galten als Massenware. In der Dokumentation war der Hitler-Kopf ein häufig betrachtetes Ausstellungsstück.
Entsorgt worden ist der Großteil der schweren, sperrigen Ausstellungstafeln. Einige ausgewählte Tafeln sind in die Lagerräume der Dokumentation gewandert. Die wissenschaftliche Leitung der Dokumentation habe aussagekräftige Tafeln ausgesucht, »die einen guten Eindruck über Art und Weise geben, wie in der Dokumentation Obersalzberg von 1999 bis 2021 Geschichte erzählt und präsentiert wurde«, sagt Bildungsreferent Mathias Irlinger.
Allein wegen der schieren Dimension war es nicht möglich, alle Ausstellungselemente aufzubewahren – auch wenn es schön gewesen wäre, wie die Mitarbeiter versichern. Der virtuelle Rundgang sei deutlich platzsparender.
Der Link zur virtuellen Rundgangstour findet sich unter: https://www.ifz-muenchen.de/osb.
Kilian Pfeiffer