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Kathrin Proft ist geschäftsführende Gesellschafterin der Fritz Dollinger GmbH & Co KG; ihr fällt es schwer, die Damen-Filiale in der Maximilianstraße (im Bild) und die Sunny-Filiale zu schließen. (Foto: Thomas Jander)

Dollinger schließt zwei von vier Filialen

Berchtesgaden – Es ist ein schmerzlicher, aber unvermeidbarer Einschnitt in das Geschäftsleben im Markt: Das Traditionshaus Dollinger wird 2023 zwei seiner insgesamt vier Filialen im Markt schließen. Die Gründe sind vielfältig: Umsatzeinbrüche durch Corona, die sie auch in der abklingenden Pandemie nicht vollständig erholt haben, deutlich steigende Kosten für Personal, Energie und Mieten, die schwierige Konkurrenzsituation mit Online-Anbietern, aber auch ein zukunftsgerichteter Ansatz: Nachhaltigkeit.


Was es mit der strategischen Neuausrichtung des Unternehmens auf sich hat und wie es weitergeht, das hat die geschäftsführende Gesellschafterin der Fritz Dollinger GmbH & Co. KG, Kathrin Proft, im Gespräch mit dem »Berchtesgadener Anzeiger« ausführlich erläutert. Dass es keine leichte Entscheidung ist, lässt sich schnell feststellen; denn von der »Anzeiger«-Redaktion fällt der Blick auf die Dr.-Imhof-Straße, wo 1958 die erste Dollinger-Filiale entstanden ist. Nur zwei Jahre später folgte die Filiale am Weihnachtsschützenplatz, wo es bis zum heutigen Tage Tracht zu kaufen gibt. Und auch weiterhin geben wird, denn von der Schließung betroffen sind die Damen-Filiale und »Sunny« in der Maximilianstraße. »Konsequent nachhaltig geht es auch mit dem Dollinger Young Fashion Konzept Sunny weiter. Dieses wird auf die Filiale in Traunstein konzentriert und setzt dort nur noch auf Mode, die für Umwelt und Klima gut ist«, so die Geschäftsführerin. Das Herrengeschäft in der Gries-stätterstraße bleibt erhalten. Außerdem: alle Arbeitsplätze, wie Kathrin Proft betont.

Doch wie kam es nun zu dem Erneuerungskurs? Die Geschäftsführerin berichtet, dass sich das Familienunternehmen, das im Berchtesgadener Land, in Traunstein und Salzburg insgesamt 16 Filialen betreibt, schon länger in einer strategischen Neuausrichtung befindet: »Wir gehen diesen Weg schon länger. Nirgends gibt es mehr vier Standorte gleichzeitig, nur an unserem Heimatort Berchtesgaden. Überall sonst ist dieser Schritt schon gemacht.«

Dabei musste das Unternehmen mit Rahmenfaktoren zurechtkommen, die nicht zu beeinflussen waren. Auch hier hat die Coronapandemie eine Rolle gespielt. »Stark gesunken« sind die Umsätze in dieser Zeit, berichtet die Geschäftsführerin; sie bewegen sich auch jetzt noch auf einem Niveau von 30 Prozent unter den Vor-Corona-Zahlen. Staatliche Hilfen gibt es jetzt aber keine mehr, dafür trifft die aktuelle Krise die Firma gleich mehrfach: Energie und Mieten werden immer teurer, dazu kommt die Wirtschaftslage bei den Menschen: »Mode ist etwas, wo eher mal gespart wird.« Außerdem sind viele Menschen in der Pandemie auf den Onlinehandel ausgewichen – »quer durch alle Altersschichten« – und manche auch dabei geblieben. Das Internet bleibt als große Konkurrenz für die standortgebundenen Betriebe.

Aber es ist nicht nur Krise, sondern auch unternehmerische Neuausrichtung, die den Strukturwandel transportiert: »Wir hatten bisher sehr viele Sparten und sehr viel Fremdmarkenzukauf«, berichtet Kathrin Proft. Und das wird sich nun ändern: Das Unternehmen wird verschlanken, von den bisher rund 30 Marken im Sortiment werden 10 bis 15 übrig bleiben, und das hauptsächlich eigene.

Und nicht zuletzt soll der Punkt Nachhaltigkeit großes Gewicht haben: »Als Unternehmen wollen wir für hochwertige, nachhaltige und in Europa produzierte Mode stehen. Wir verabschieden uns von Marken, die unseren Werten nicht entsprechen und geben nachhaltigen Brands mehr Platz. Wir setzen auf Naturmaterialien und klimafreundliche Bekleidung.« Damit soll eine Nische besetzt werden, in der sich einerseits besser wirtschaften lässt und auch mit weniger Lieferketten-Problemen zu rechnen ist, andererseits besteht aber bei Kunden eine große Nachfrage nach nachhaltigen Produkten, wie Kathrin Proft weiß: »Wir haben Ware, die es eben nicht überall gibt. Das funktioniert auch mit den Touristen sehr gut. Wir haben Kunden, die kaufen sich im Juli bei uns einen Wollmantel, den sie zwar gerade nicht brauchen, aber zu Hause in Düsseldorf nicht bekommen.« Ein eigener Onlinehandel soll die wirtschaftliche Ausrichtung zusätzlich verstärken.

Der Zeitplan steht ebenfalls schon fest: So werden zum April 2023 »Sunny« und zum Jahresende 2023 die Damen-Mode in Berchtesgaden geschlossen. Mit Tracht und Mode im Mix weitergeführt werden die Damen am Weihnachtsschützenplatz und die Herren in der Griesstätterstraße.

Alle Mitarbeiter werden weiterbeschäftigt, unterstreicht die Geschäftsführerin: »Der Modehandel befindet sich mitten in einem Strukturwandel, gerade im ländlichen Raum und kleinen Städten ist seit der Coronakrise die Frequenz immer noch schwach. Zusätzlich kommen die Konkurrenz aus dem Onlinehandel sowie die aktuelle Inflation und Energiekrise zum Tragen: Es ist schlicht weniger Geld für Mode da. All diesen Herausforderungen stellen wir uns mutig und gemeinsam mit allen unseren Mitarbeitern. Wir glauben weiterhin, dass Modehandel ein wichtiger Teil eines gesunden Stadtbilds ist und wollen unseren Teil dazu beitragen, dass es sich lohnt, regional und vor Ort zu kaufen.«

Thomas Jander

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