Nicht ganz so außergewöhnlich ist so eine 24-Stunden-Wanderung für Eddy Balduin. Der »Masterguide« ist vom ersten Tag des Berchtesgadener Wanderfestivals mit dabei und steht kurz vor einem bemerkenswerten Jubiläum: Am kommenden Wochenende wird er in St. Michael im Lungau zum 50. Mal eine 24-Stunden-Wanderung begleiten. Dort warten 62 Kilometer Strecke und 3200 Höhenmeter im Anstieg auf ihn und seine Gruppe.
Der »Berchtesgadener Anzeiger« hat sich mit dem Allroundsportler unterhalten über lange Nächte, heiße Tage und schmerzende Füße.
Wie kommt man zum 24-Stunden-Wandern? Die Antwort geht fast im Lachen unter: »12 Jahre Bundeswehr!« Der gebürtige Allgäuer ist nach seinem Schulabschluss an der Christophorusschule bei den Gebirgsjägern gelandet und dort zum Heeresbergführer ausgebildet worden. Er gesteht mit einem Schmunzeln, dass er die Anfänge des Wanderfestivals schon hinterfragt hat: »Jetzt bist raus beim Barras und gehst wieder 24 Stunden. Jetzt ist das natürlich entspannter, ich hab ja weniger Gewicht dabei als damals, und wir gehen die schönsten Strecken.« Aber Eddy Balduin macht das auch gerne, lebt draußen, sommers wie winters, wenn er seine Skischule in der Oberau betreibt.
Genau genommen sind es für ihn eigentlich sogar schon mehr als 50 Touren, denn die müssen auch organisiert und vorbereitet werden. Denn entscheidend ist natürlich, dass auch alle Teilnehmer nach genau 24 Stunden ankommen. Wobei der unermüdliche Berchtesgadener das Abgehen der Strecke auf zwei Tage aufteilt. Dafür gibt es sogar einen bedeutenden Grund, wie er – herzhaft lachend – zugibt: »Ein einziges Mal bin ich die Vorbereitung live gegangen. Mitten in der Nacht, um 3 Uhr früh, hab ich gedacht, dass mich einer verfolgt. Ich war ganz allein und hab die Stirnlampe auf Vollgas aufgedreht. Das mach ich nie wieder.«
Die Nacht ist überhaupt ein wichtiges Stichwort, wenn es um das 24-Stunden-Wandern geht. Für die Teilnehmer ist das die schwierigste Zeit, dunkel, müde, hinsetzen an den Labestationen. Für Eddy Balduin ist das kein Problem, denn als Tour-Guide macht er ja keine richtige Pause, sondern ist dauerhaft gefordert: organisieren, motivieren, geschundene Füße versorgen. Und, zumindest einen Teil der begleiteten Tour: aufpassen. »Als Bergführer bist du gefordert, bis du vom Watzmann runter bist. Danach bist du Animateur. Und sobald die Sonne auftaucht, ist die Sache gelaufen, dann steigt die Motivation der Leute wieder von alleine.«
Gerade Letzteres sorgt bei ihm auch nach all den Jahren immer noch für Gänsehaut: »Der Zieleinlauf am Morgen ist einfach megageil und einer der Gründe, warum ich immer noch dabei bin. Normalerweise kommst du bei einem Rennen alleine an, aber hier feierst du mit allen, alle sind glücklich, klatschen sich ab. Dieses Finisher-Event ist auch für die Teilnehmer enorm wichtig, das höre ich sehr oft.«
»Alle« heißt bei der 24-Stunden-Wanderung im Übrigen, dass ein möglichst hoher Prozentsatz der Teilnehmer auch wirklich ankommt. 90 Prozent kommen oft durch, an guten Tagen sogar noch mehr. »Es gibt immer wieder welche, die sich überschätzen; oft reicht aber auch einfach nur ein schlechter Tag, 24 Stunden sind schon viel. Und an heißen Tagen ist es anstrengender. Hitze ist schwieriger als Kälte oder Nässe, da kann ich motivieren wie ich will, die Füße werden viel mehr in Mitleidenschaft gezogen. Ich hatte aber auch schon Trophys, bei denen alle angekommen sind.«
Die Gänsehaut, die gibt es bei Eddy Balduin aber nicht nur im Ziel, sondern trotz aller Erfahrung schon vor dem Start, wie er ebenfalls gesteht: »Eine halbe Stunde vor dem Start bin ich immer noch nervös. Da hab ich den Rucksack schon drauf und renne hinter der Bühne auf und ab – egal, ob da 10 oder 120 Leute stehen.«
Natürlich muss jemandem, der so viel in der Welt unterwegs ist, auch die Frage gestellt werden, wo es am schönsten ist. Obwohl der Bergführer sich besonders gerne an eine Tour auf einen 3 700 Meter hohen Vulkan in Indonesien erinnert, ist die Antwort eindeutig: »Ob es irgendwo schöner ist als in Berchtesgaden? Nein, nirgends. Aber man muss viel unterwegs sein, damit man das auch im Kopf behält.«
Furchtbar gefuchst hat ihn, dass die 50. Tour nicht in Berchtesgaden war, denn so wäre es gekommen, wenn er nicht krankheitsbedingt ausgefallen wäre: »Das ist so schade, die Tour geh ich am liebsten.« Nun wird das Jubiläum im Lungau gefeiert. Und was kommt danach? Denn der 55-Jährige, der schon dreifacher Opa ist, merkt hier und da schon, dass der Zahn der Zeit an ihm nagt: »Wenn du so viel draußen bist, denkst du, du bist unverwüstlich. Aber das Alter kommt. Das ist wie bei einem Auto, das hat auch nur eine begrenzte Laufleistung, dann kommen die Macken.«
Er würde gern noch ein Jubiläum in Berchtesgaden feiern, vielleicht sogar auf seinem Lieblingsberg, dem Untersberg: »60 oder 70 Touren wären schön. Solange meine Füße mich tragen.«
Thomas Jander