Wie das fünfköpfige Gericht entschied, handelt es sich beim Grundstück der Villa Schön um eine sogenannte Außenbereichsinsel im Innenbereich. Recht bekommen hat somit der Bund Naturschutz, der gegen die Genehmigung geklagt hatte.
Justitia ist nicht nur blind. Sondern auch zu spät. Weit über eine Stunde mussten die etwa 140 Zuschauer im Kleinen Saal des AlpenCongress warten, bis die Gerichtsverhandlung endlich begann. Der Grund: Der Ortstermin auf dem Villa-Schön-Grundstück hat sich in die Länge gezogen, da die Beteiligten die Lage aus sämtlichen Blickwinkeln in Augenschein nahmen. Als Richterin Andrea Breit mit ihren vier Beisitzern und der Protokollantin sowie die drei Parteien und ihre Anwälte endlich den Saal betraten, war das Publikum – größtenteils aus der Generation 70+ – zufrieden.
Die Vorsitzende Richterin erläuterte zunächst knapp, um was es ging. Demnach plante die Harlander Baumanagement GmbH ursprünglich vier Gebäude mit insgesamt 26 Wohnungen auf dem Grundstück der etwa 100 Jahre alten, zuletzt als Ärztehaus genutzten, Villa Schön. Zum Schluss der Planungen wurde das Projekt auf drei Gebäude mit 24 Wohnungen reduziert. Sowohl Gemeinde, als auch Landratsamt und Regierung von Oberbayern haben dem Vorhaben unter der Prämisse, dass es sich baurechtlich um einen Innenbereich handle, zugestimmt. Bereits zwei Tage vor der Genehmigung sei ein Teil des Grundstücks gerodet worden. Der Bund Naturschutz klagte deshalb und erreichte per Eilantrag einen Baustopp.

Angelika Niedl, die Geschäftsbereichsleiterin Bauen und Umwelt im Landratsamt, bekräftigte nochmals ihre Position, die Villa befinde sich im Innenbereich. »Aufgelockerte Bebauung gibt es hier überall«, sagte sie. Und: »Nicht jede Straße hat eine trennende Wirkung.« Ein großer Park oder Garten hebe die Innenbereichszuordnung nicht auf.
Das unterstrich auch Rechtsanwalt Dr. Ulrich Diekötter, der Bevollmächtigte der Harlander Baumanagement GmbH. »Die Villa Schön ist von Bebauung umschlossen. Sie darf nicht isoliert betrachtet werden.« Und schließlich sei das Gebäude vor allen andern der näheren Umgebung da gewesen.
Villa Schön als Solitär
Das Gericht sah das anders. Von allen Seiten aus betrachtet, müsse man das Gelände dem Außenbereich zuordnen. Es gebe zu viele trennende Elemente, zu wenig zusammenhängende Bebauung. Richterin Breit bezeichnete die Villa Schön deshalb als Solitär. Deshalb sei das Projekt auf null zurückgesetzt. Damit es – theoretisch – umgesetzt werden kann, sei ein neues Genehmigungsverfahren inklusive der Speziellen Artenschutzrechtlichen Prüfung erforderlich. Dieser Vorgehensweise würde Projektentwickler Martin Harlander zustimmen, wie er in der Verhandlung bekundete.
Fein formulierte Kritik übte die Vorsitzende wie auch die Klägervertreterin, Rechtsanwältin Anja Schilling, an der bisherigen artenschutzrechtlichen Untersuchung des Landratsamts. »Ich muss mir das jeweilige Grundstück schon anschauen, wenn ich erkennen will, ob es dort Habitate gibt«, betonte Schilling. Außerdem seien durch die Rodung Habitate verschwunden. »Wie will man das jetzt noch überprüfen«, fragte sie. Die Vorsitzende hielt dies aber für möglich, da nur ein Teil gerodet worden sei. »Wenn geschützte Arten gefunden werden, muss es Ausgleichsmaßnahmen geben«, stellte Richterin Breit klar.

Mehrere amüsante Szenen
Während der gut zweistündigen Verhandlung gab es mehrere Momente, die für Gelächter oder Kopfschütteln im Publikum sorgten. Zum Beispiel, als die Vorsitzende erzählte, dass beim Ortstermin eine Zauneidechse nicht nur gesehen, sondern sogar fotografiert worden sei. Eine Tierart, die laut Bund-Naturschutz-Anwältin Schilling vom Landratsamt heruntergespielt worden sei.
Überglücklich und erleichtert zeigten sich Rita Poser und Paul Grafwallner vom klagenden Bund Naturschutz nach der Verhandlung. »Hurra, hurra. Alles deutet auf einen Erfolg hin«, ließ Grafwallner in den Sozialen Medien verlautbaren. Und, er sollte recht behalten und bekommen. »Das ist ein Sieg für Berchtesgaden und die Berchtesgadener«, sagte Grafwallner dem »Anzeiger« unmittelbar nach der Urteilsverkündung am Mittwoch Vormittag.
»Wir hoffen, dass die Botschaft der Bürgerinnen und Bürger im Marktgemeinderat richtig aufgenommen wird und das Außenbereichsgrundstück der Villa Schön von neuer Bebauung verschont bleibt.« Er wolle ganz bewusst das Auftreten der Beklagten in der Verhandlung nicht beurteilen, sagt der Naturschützer. Angesprochen auf die Tatsache, dass der heimische Bund Naturschutz bisher jeden Rechtsstreit mit dem Landratsamt gewonnen hat, sagte er nur: »Das stimmt.«
Gemeinderat Dr. Bartl Wimmer entschuldigt sich
Deutlich Worte fand auch der Fraktionssprecher der Grünen im Berchtesgadener Gemeinderat, Dr. Bartl Wimmer. »Der Marktgemeinderat wurde falsch beraten«, betont er gegenüber dem »Berchtesgadener Anzeiger«. Und weiter: »Laut Aussage kamen die örtliche Bauverwaltung und die Baujuristen des Landratsamts, sowie die Regierung von Oberbayern einhellig zum Schluss, bei der Villa Schön handele es sich um einen Innenbereich, der Gemeinderat müsse das Bauvorhaben zwingend so beurteilen. Heute steht fest: »Diese Aussage ist so nicht richtig.«
Wimmer geht sogar noch einen Schritt weiter: »Ich möchte mich für mein damaliges Abstimmungsverhalten entschuldigen.« Andreas Bratzdrum, der Pressesprecher des Berchtesgadener Landes, teilt am Mittwoch Nachmittag auf Nachfrage mit, dass das Verwaltungsgericht eine andere Auffassung wie Landratsamt und Regierung von Oberbayern vertrete: »Wir warten jetzt auf die Urteilsbegründung und prüfen dann, ob wir Rechtsmittel einlegen.«

Christian Fischer