Bereits 1829 wurde die Erbauung eines Leichenhauses vom damaligen Kgl. »Physikus« Dr. Moritz Mayer »aufs dringendste empfohlen«. Sowohl Gemeindeverwaltung und Landgericht als auch das Pfarramt sprachen sich wegen Geld- und Platzmangel aber dagegen aus. Auch in den darauffolgenden Jahren verlangte das Kgl. Landgericht immer wieder vergeblich einen positiven Bescheid der zum Pfarrsprengel gehörenden Gemeinden.
Erst im Jahre 1874 wurde in einer »Cumulativsitzung« der sieben Bürgermeister und des Pfarrers ein Beschluss zum Bau eines Leichenhauses gefasst, der vom Gemeinderat Berchtesgaden angenommen, von den übrigen Gemeinden allerdings abgelehnt wurde. Nach weiteren Verzögerungen protestierte eine Bürgerbewegung »gegen die Erbauung eines Leichenhauses in der Mitte unseres Marktes« und verlangte die Verlegung des Friedhofs. In einer Bürgerversammlung sprach sich 1882 aber eine Mehrheit für die Belassung des bestehenden Friedhofs aus.

Doch 1891 war es nun die Gemeindeverwaltung, die eine Verlegung des Friedhofs forderte. Es wurde ein wahres Schreckensszenario von Epidemien durch infizierte Leichen entworfen. Außerdem: »Wird das Leichenhaus auf diesem projektirten, ganz den Einwirkungen der Sonne ausgesetzten Platze erbaut, so werden die dort lagernden Leichen selbst in einer epidemielosen Zeit eine unsagbare Belästigung für die Anwohner bilden. Die Fremden werden den Ort kaum mit Vorliebe aufsuchen, der ein Leichenhaus mitten in sein Herz aufgenommen hat. Die heiligsten Interessen des Marktes Berchtesgaden stehen im Spiele.«
Der Friedhof sollte an die Schießstätte verlegt und das Schießhaus in ein Leichenhaus umgewandelt werden. Wegen »unüberwindlichen Hindernissen« kam es nicht dazu. Nach einem weiteren heftigen Streit um die Frage des Bauplatzes und einem langen Instanzenirrweg wurde das Leichenhaus schließlich doch vollendet, wie aus einem Artikel des »Berchtesgadener Anzeigers« vom 7. November 1899 hervorgeht: »Das neuerbaute Leichenhaus dahier scheint nunmehr eröffnet zu sein, obwohl kein Mensch davon etwas erfahren hat oder ein Ausschreiben Seitens des Magistrates der Mitwelt kund und zu wissen gethan hätte, wie hoch sich die Gebühren für Unterbringung einer Leiche belaufen und was sonst alles wissenswerth ist, denn es sind bereits mehrere Leichen in demselben aufgebahrt gewesen.

Dieser Mangel an näheren Bestimmungen scheint auch die Ursache gewesen zu sein, daß am letzten Samstag ein Fall vorgekommen ist, der Berchtesgaden keineswegs zur Zierde gereichen kann. Es wurde nämlich der Leichnam einer Frau, welche wegen Mangel an passenden Raum im Sterbehause in das Leichenhaus überführt werden mußte, auf einem Brückenwagen, welchen der Fuhrmann, angethan mit blauer Schürze, begleitete, in das Leichenhaus verbracht. Wenn auch das Leichenhaus stillschweigend zur Benützung übergeben wurde, so sollten doch wenigstens Bestimmungen erlassen werden, in welcher Weise die Leichen in dasselbe überführt werden sollen, wie das auch anderwärts ist.
Daß die Bestimmung getroffen wurde, in der Weise wie am letzten Samstag die Leichen vom Sterbehause in das Leichenhaus zu verbringen, das können wir ein- für allemal nicht glauben und hoffen deshalb baldmöglichst durch ein Ausschreiben des Magistrats Näheres darüber zu erfahren.«
Den vollständigen Artikel lesen Sie in der heutigen Samstagsausgabe (22. Januar) des Berchtesgadener Anzeigers.
Andreas Pfnür