»Wir sind auf der Zielgeraden«, freut sich Fritz Eberlein. Er steht an der Wehranlage des Wasserkraftwerks, das einstmals Bahnstrom produzierte. Die Anlage war lange Zeit das älteste Bahnstrom-Wasserkraftwerk der Deutschen Reichsbahn, ehe im Jahr 1938 die Bahnstrecke in Richtung Österreich eingestellt wurde.
Mehr als einen halben Kilometer lang ist die Baustelle im Ortsteil Gartenau. Fritz Eberlein betreibt die Strom produzierende Anlage, die einen Teil des Wassers der Berchtesgadener Ache nutzt, seit 2009. Seit 2011 ist er Eigentümer und hat im Laufe der Jahre schon viel Geld investiert. Bis 2013 wurden das Kraftwerk und der Unterwasserkanal grundlegend saniert. Die Verantwortlichen ließen eine zusätzliche Kaplanturbine und einen neuen Zulaufrechen einbauen und erneuerten die sogenannten Saugrohre sowie den Unterwasserkanal. Aktuell setzen sie eine Stauerhöhung durch den Neubau der Wehranlage und des Einlaufbereiches um. Zudem wird der Querschnitt des Oberwasserkanals von bisher 10 auf 20 Kubikmeter pro Sekunde vergrößert. Damit werde die Hochwassersicherheit des Ortsteils »Gartenau« verbessert, sagt Fritz Eberlein, »was insbesondere nach dem Hochwasser im vergangenen Sommer einen deutlichen Sicherheitsgewinn darstellt«. Durch diese Maßnahmen erhöht sich die Gesamtleistung auf etwa 1,6 Megawatt.
Energetisch in zwei Jahren amortisiert
»Nur die Hülle ist noch dieselbe«, sagt Fritz Eberlein, »alles andere ist neu oder wird gerade neu gemacht.« Allein 1 000 Kubikmeter Beton wurden für die von Oktober bis März dieses Jahres nun generalsanierte Wehranlage benötigt. Die ersten Vorabstimmungen für den gewaltigen Umbau liegen zehn Jahre zurück. Bei Wasserkraftwerken müssen Betreiber geduldig sein, wissen sie aus eigener Erfahrung. Die Genehmigungsverfahren seien schwierig und langwierig, sagt Fritz Eberlein. Was die Nachhaltigkeit angeht, werde das Kraftwerk einen sinnvollen Beitrag leisten, sind die Verantwortlichen überzeugt. Die energetische Amortisationszeit wurde über eine Bachelorarbeit ermittelt und beträgt etwa zwei Jahre. Dies bedeutet, die Anlage erzeugt nach zwei Jahren mehr Energie, als der Umbau benötigt hat. »Finanziell ist dies leider nicht so«, sagt der Kraftwerkbetreiber. »Bis die Kreditmittel der Hausbank zurückgezahlt sind, vergehen ungefähr 22 Jahre.«
Auch Landrat Kern hatte während einer Ausschusssitzung von dem Projekt und dessen Vorzügen geschwärmt. Das Bauwerk, das durch den Umbau vergrößert wurde und gleichzeitig mehr Energie liefern soll, wird künftig Strom für rund 2500 bis 3000 Haushalte produzieren.
In Zukunft wird es einen Fischauf- und -abstieg geben. Die Fischtreppe ist Teil der Auflagen, die einhergeht mit der Erweiterung – ebenso die neue Otterwand. Im Jahresdurchschnitt führt die Berchtesgadener Ache 16,4 Kubikmeter pro Sekunde, das sind 16 400 Liter. Umgerechnet entspricht das einer Menge von 91 Badewannen mit Vollbad-Charakter. »Wir haben eine Restwasserverpflichtung«, sagt Fritz Eberlein. Bedeutet: Nur ein gewisser Teil des Flusswassers darf in das Kraftwerk eingeleitet werden. 1,5 Kubikmeter müssen dauerhaft in der Ache verbleiben.
Kiesfang hält Geschiebe der Ache auf
Ein Großteil der Arbeiten war bereits im vergangenen Winter erfolgt. Das hat Gründe: »Im Winter ist der Abfluss am geringsten, auch das Geschiebe ist dann überschaubar«, sagt Josef Kreuzer, Geschäftspartner von Fritz Eberlein. Der 34-Jährige hat bei mehreren Projekten mit dem Rothenburger gemeinsame Sache gemacht. Im Wasserkraftwerk Gartenau liege viel Potenzial, sagt das Duo.
Dort, wo die Ache abgezweigt wird und in den 350 Meter langen Kanal läuft, haben Spezialtiefbauer zehn Meter lange und mehrere Meter hohe Spundwände gesetzt, um unerwünschtes Wasser abzuhalten. Noch muss die Baustelle trocken bleiben, ehe die Stromproduktion wieder aufgenommen werden kann. Ein riesiger Kran hievt schwere Teile durch die Luft, der Kanal wurde angepasst – der Querschnitt ist knapp verdreifacht worden – und wird aktuell mit Spritzbeton ausgekleidet. Ein neuer Kiesfang soll das Geschiebe der Ache aufhalten. Im vergangenen Jahr hatte der Fluss, der vom Wasserwirtschaftsamt Traunstein als Wildbach eingestuft ist, einen Rekordpegelstand zu verzeichnen und an vielen Stellen großen Schaden verursacht. »Damals sind große Felsbrocken transportiert worden.« Ohne Kiesfang und Klappe bestünde Gefahr, dass das Wasserkraftwerk beschädigt wird. Ein Schweizer Ingenieurbüro und ein auf Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft spezialisiertes Siegsdorfer Unternehmen sowie Mitarbeiter der Universität München unterstützten die Kraftwerkseigentümer bei der Planung.

Fritz Eberlein steht auf dem Einlaufsteg am Beginn des Kanals. Auf der Baustelle herrscht rühriges Treiben. Eberlein betreibt seit 26 Jahren Wasserkraftanlagen, in verschiedenen Teilen der Republik. Sein Blick fällt auf jene Sicherheitsklappen, die im Hochwasserfall schließen sollen. Im Alpengebiet ist die Wahrscheinlichkeit eines Hochwassers erhöht. Für die Sicherheit der Konstruktion ist die Klappe das relevanteste Bauteil. »Unser Ziel ist, dass kein Geschiebe in den Kanal kommen«, so Eberlein.
Insgesamt 350 Tonnen Baustahl verbaut
Die Investitionskosten von 6,5 Millionen Euro sind enorm: 600 Betonmischer mussten anrücken, um die teils meterdicken Betonplatten und -wände zu formen. 350 Tonnen Baustahl wurden insgesamt verbaut. »Wir konnten uns, trotz Materialknappheit, im Vorfeld ein großes Kontingent sichern«, sagt Fritz Eberlein. 2 500 Lkw mussten ausrücken, um abgetragenes Erdmaterial von der Großbaustelle abzutransportieren.
Zwischen Kanal und Kraftwerk mit insgesamt drei Turbinen liegen zehn Meter Höhenunterschied: »Die Lageenergie des Wassers wird zur Stromproduktion genutzt«, sagt Josef Kreuzer. Mit dem Umbau wurde nun auch die Stauhöhe des Wassers um 80 Zentimeter erhöht.
In wenigen Wochen soll die Großbaustelle weitestgehend abgeschlossen sein. Abstimmungsgespräche mit dem Landratsamt werden noch geführt. Die Aufnahme der Stromproduktion ist für September vorgesehen.
Kilian Pfeiffer