Wenn der knapp 62-Jährige am Mittwoch nach insgesamt 40-jähriger Tätigkeit im Rathaus Abschied nimmt und in den vorzeitigen Ruhestand geht, dann wird er auf spannende Zeiten unter drei Bürgermeistern und mit vielen Großprojekten zurückblicken können. Sein Nachfolger als Kämmerer wird Andreas Hofreiter aus Schönau am Königssee, bekannt als musikalischer Leiter der Blaskapelle Maria Gern.
Zahlen haben es dem im Haus »Flodermühle« in Ramsau aufgewachsenen Richard Beer schon immer angetan, weshalb er sich für den Beruf des Steuergehilfen entschied. Als am 1. Juli 1981 eine Stelle in der Kämmerei der Marktgemeinde Berchtesgaden frei wurde, griff der sportliche Ramsauer, der in seiner Jugendzeit auch Skirennen bestritten hatte, zu. Unter der Kämmereileitung von Anderl Brandner und später Erwin Stocker durchlief er sämtliche Ausbildungen und legte schließlich 1988 die Prüfung zum Verwaltungsfachwirt ab. Drei Jahre später – 1991 – beerbte er Erwin Stocker als neuer Kämmerer. Der offiziellen Verlautbarung, dass Beer damals mit 32 Jahren der jüngste Kämmerer Bayerns gewesen sei, widersprach allerdings unverzüglich sein Bischofswieser Kollege Robert Mayr, dem mit damals nur 27 Jahren in Wirklichkeit dieser Titel gebührte. Richard Beer ist's heute wie damals egal, für ihn zählt nur, »dass mir die Arbeit immer gefallen hat«. Und das 30 Jahre lang unter den Bürgermeister Anton Plenk, Rudolf Schaupp und Franz Rasp, »mit denen ich gut ausgekommen bin«.
Im Wahlkampf fand Beer einmal kein Gehör
Bei der finanziellen Abwicklung zahlreicher Großprojekte war Richard Beer in diesen Jahren enorm gefordert. Bei seinem Amtsantritt ging's gleich los mit dem Kläranlagenbau und dem Abschluss von Zweckvereinbarungen mit den beteiligten Gemeinden. Und ganz aktuell sind es der 4 Millionen Euro teure Umbau der Grundschule Berchtesgaden und die Errichtung einer Kindertagesstätte im Rosenhofstadl, die ebenfalls mit 4 Millionen Euro zu Buche schlägt. Diese Projekte wird nun Beers Nachfolger Andreas Hofreiter weiter abwickeln.
»Meine Aufgabe war es auch, den Gemeinderat gegebenenfalls auf finanzielle Risiken hinzuweisen«, erklärt Richard Beer. Meistens hat das auch funktioniert, die Mandatsträger ließen sich vom Experten oft überzeugen. Einmal allerdings ist das nicht ganz gelungen, wie Beer nicht vergessen hat. Das war Mitte der 90er-Jahre, als es um die finanziellen Ressourcen der Marktgemeinde ohnehin nicht gut bestellt war. »Wir hatten damals sogar Probleme, die Mindestzuführung zum Vermögenshaushalt zu erreichen«, erinnert sich der Schönauer. Aber es war eben auch Wahlkampf damals – und da entscheiden Mandatsträger nicht immer nur vernünftig, sondern eben auch wahltaktisch. Im Berchtesgadener Fall wollte der Gemeinderat gleich zwei Großprojekte realisieren, obwohl man sich nach Meinung Beers nur eines hätte leisten können: den Neubau des Feuerwehrhauses und den Neubau des Gymnasiums, an dem der Markt immerhin mit über 2 Millionen Euro beteiligt war. Heute weiß Richard Beer allerdings: »Es war dann doch beherrschbar«.
733 Millionen Euro in 28 Jahren verwaltet
Ziemlich genau 733 Millionen Euro sind in 28 Jahren buchungstechnisch durch die Hände Beers gelaufen, durchschnittlich in jedem Jahr 26 Millionen Euro. Die Investitionen in dieser Zeit schlagen mit 128 Millionen Euro zu Buche. Die zahlreichen Projekte ließen den Schuldenstand der Marktgemeinde von 9,7 Millionen Euro im Jahr 1992 auf 21,3 Millionen Euro im Jahr 2009 ansteigen. Doch ab dem Jahr 2014 verbesserte sich die Haushaltslage deutlich. »Wir konnten dann alle Investitionen aus dem Haushalt tätigen, brauchten keine neuen Kredite mehr und konnten den Schuldenstand jährlich noch um 1 Million Euro senken«, freut sich Beer. Aktuell beträgt der Schuldenstand rund 15 Millionen Euro.
Corona stellt nun aber auch die Marktgemeinde Berchtesgaden vor eine ungewisse Zukunft. Richard Beer fragt sich, wann es mit dem Tourismus im Talkessel wieder los geht. Insgesamt aber zeigt sich der Noch-Kämmerer optimistisch: »Ich sehe eigentlich nicht schwarz, denn ich glaube, dass nach dem Lockdown viele Leute wieder in Deutschland Urlaub machen werden.«
Fünffacher Opa
Auch um seine private Zukunft ist Richard Beer nicht bange. Als Vater von drei erwachsenen Kindern und fünffachem Opa ist ihm auch ohne den von ihm so geliebten Alpinskisport, der ihn in »normalen« Jahren regelmäßig zum Jenner führt, nicht langweilig. Die Kinder unterstützt er bei verschiedenen Bauprojekten, im Frühling ruft dann hoffentlich wieder der Tennisplatz und mit der Frau geht es regelmäßig zum E-Biken. Um für all diese Leidenschaften noch ausreichend Zeit zu haben, hat sich Richard Beer für den vorzeitigen Ruhestand entschieden. Kostenintensive Wünsche haben die Beers ohnehin nicht. »Unsere Kinder sagen, wir sind sehr sparsam«, sagt Richard Beer und räumt schmunzelnd ein, dass da schon ein wenig der Kämmerer durchblickt. Der sparsame Umgang mit Steuergeldern stand für ihn halt stets an oberster Stelle seines beruflichen Wirkens.
Wenn Richard Beer morgen Dienstag an seiner letzten Gemeinderatssitzung teilnimmt und am Mittwoch endgültig seinen Rathausschlüssel abgibt, dann wird er nach eigenen Worten mit einem guten Gefühl in den Ruhestand gehen. Eine »Baustelle« im Rathaus macht er aber dann doch noch aus: Das alpine Rathausteam, das in den letzten Jahren mit Unterstützung Beers bei den Behördenskimeisterschaften regelmäßig Titel abräumte, ist mit einem Durchschnittsalter von 54 Jahren arg in die Jahre gekommen. Hier sei Handlungsbedarf.
Ulli Kastner