Das Rufbus-System, das es außer im Berchtesgadener Talkessel auch in Teisendorf und Ainring gibt, besteht seit 2016 und wird mittlerweile von den Gemeinden Berchtesgaden, Bischofswiesen, Ramsau und Schönau am Königssee angeboten und – noch – getragen. Ziel ist es, Nahverkehrsangebote speziell für exponierte Gemeindeteile und zu Randzeiten zu ermöglichen.
Das Prinzip Rufbus kam grundsätzlich bei den Unternehmern des IHK-Regionalausschusses gut an. Die haben natürlich ein Interesse daran, dass beispielsweise ihre Mitarbeiter problemlos die Betriebsstätten erreichen. Allerdings gab es auch kritische Töne. Stefan Zapletal, Inhaber des Hotels »Alpenhof« in Schönau am Königssee, würde den Rufbus gerne nutzen, auch häufiger. Allerdings ist er bereits mehrfach mit solchen Versuchen gescheitert. Er berichtete, dass »acht von zehn Anfragen innerhalb von drei Stunden nicht umsetzbar waren«. Deswegen riet er dazu, das Konzept zu überprüfen. Was genau nicht geklappt hat, ist unklar. Der Hotelier war für eine weitere Stellungnahme nicht zu erreichen.
Tatsächlich sind die Rahmenbedingungen dieses ÖPNV-Angebots nicht unkompliziert. Grundsätzlich werden nicht alle Bushaltestellen, sondern nur speziell gekennzeichnete Rufbus-Haltestellen angefahren, die auf einem eigenen Flyer nachzulesen sind; eine Fahrt ist in der Zeit von 7 bis 22 Uhr möglich und muss spätestens zwei Stunden vorher angemeldet werden. Außerdem darf es 30 Minuten vor oder nach dem gewünschten Zeitpunkt kein entsprechendes Angebot von regulären Bus- oder Zugfahrten geben. Gefahren wird zu günstigen Preisen im bekannten Wabensystem, bedient wird der Rufbus durch die Taxizentrale Berchtesgaden.
Die organisatorische und statistische Betreuung des Rufbus-Systems liegt beim Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden. Geschäftsführer Michael Wendl weiß allerdings nichts davon, dass Fahrten nicht realisiert werden konnten: »Das ist mir nicht bekannt. Es könnte höchstens sein, dass der Rufbus zum gewünschten Zeitpunkt ausgebucht und bereits unterwegs war.« Auch Kritik ist bisher nicht angekommen, weder von den beteiligten Gemeinden noch von Fahrgästen; lediglich in der Anfangsphase hat es demnach etwas Probleme gegeben, weil die Vorgaben des Rufbus-Systems nicht ganz einfach sind. »Jetzt passt das aber«, so Wendl.
Rund 3000 Fahrgäste werden pro Jahr registriert, am meisten nachgefragt sind Fahrten von und in Richtung Loipl und Hochschwarzeck. In der Schönau dagegen ist das Liniennetz und der Takt bereits so gut, dass wenig Bedarf besteht, wie der Zweckverbands-Geschäftsführer berichtet.
Ob eine Fahrt stattfinden kann oder es eine andere Möglichkeit gibt, wird bei der Anmeldung des gewünschten Termins in der Taxi-Zentrale geprüft. Maximal zwei Fahrzeuge stehen dort für den Rufbus zur Verfügung. Allerdings wird laut Wendl nicht erhoben, ob und aus welchen Gründen Anfragen abgelehnt werden.
Als einzige Talkessel-Gemeinde nicht mit im Boot ist Marktschellenberg. Noch mit Bürgermeister Franz Halmich beschloss der Marktgemeinderat im Mai 2017, sich nicht an dem System zu beteiligen. Als Begründung wurden nicht zuletzt Kostengründe angeführt: Zwischen 7300 und 8500 Euro jährlich hätte die Gemeinde dafür berappen müssen. Für das jetzige Gemeindeoberhaupt Michael Ernst ergeben sich nun neue Perspektiven – vor allem, da ja der Landkreis die Trägerschaft übernimmt und somit alle Gemeinden versorgt werden. Die werden aber auch zumindest indirekt über die Kreisumlage – mit der sich der Landkreis finanziert – dafür zur Kasse gebeten. Im Finanzplan des Landkreises werden dafür jährlich rund 4 Millionen Euro vorgesehen.
Schon jetzt gibt es durch die Premium-Buslinie 840 und die bessere Taktung viele Vorteile für die Marktgemeinde. Trotzdem ist der Schellenberger Bürgermeister froh über das zusätzliche Rufbus-Angebot in Zukunft: Beides zusammen ermöglicht zum Beispiel auch Jüngeren, die in Sportvereinen aktiv sind, abends noch mit dem ÖPNV heimzukommen; andererseits können entlegenere Bereiche wie Scheffau und Ettenberg angebunden werden.
Ein weiterer Aspekt kommt für ihn noch dazu: »Ein attraktives Bus-Angebot ist auch für unseren Tourismus interessant; denn junge Stadtbewohner machen immer seltener den Führerschein und nutzen dann im Urlaub stark ÖPNV-Angebote.«
Dass die drei bisherigen lokalen Rufbus-Systeme künftig in einem flächendeckenden Angebot des Landkreises aufgehen werden, ist mittlerweile klar. Unklar ist hingegen noch, wie das Ganze dann aussehen soll. Momentan wird das Konzept erstellt und mit den Gemeinden abgestimmt, die Umsetzung ist für Ende 2023 geplant. Im speziellen wird es dabei dann auch um die Frage gehen, wie das Teisendorfer, Ainringer und Berchtesgadener Angebot in die Trägerschaft des Landkreises überführt wird. »Die Details bezüglich der Integration der bestehenden Rufbussysteme sind in diesem Zuge mit den Aufgabenträgern auszuarbeiten und abzustimmen«, teilt die Pressestelle des Landratsamts auf Anfrage mit.
Auch vor Ort wird natürlich geredet. Michael Ernst hat schon den Kontakt zu seinen Bürgermeister-Kollegen gesucht. Und alle fünf werden im Landratsamt hinsichtlich Abläufen und Haltestellen ihre und die Bedürfnisse ihrer Bürger vorbringen.
Thomas Jander