Die Situation an diesem Nachmittag war unübersichtlich. Die Bundesstraße durch Bischofswiesen macht bei einer Verkehrsinsel nahe des Loipl-Abzweiges eine leichte Kurve. Ein UPS-Fahrzeug, das mit dem Hinterreifen im Grünstreifen feststeckte, stand mit der Front teilweise auf der Straße. Ein Fahrzeug der örtlichen Feuerwehr war dabei, den Paketdienst rauszuziehen. Die Autos dahinter mussten warten. Und da war es passiert: der Lkw krachte in den Polo.
Rechtsanwältin Barbara Engel hatte eine Plastikbox mit kleinen Spielzeugautos mitgebracht, um am Richtertisch die Sache nachzustellen. Sie bekräftigte die Darstellung ihres Mandanten, wonach der Polo spontan zurückgestoßen war. »Das hat die Frau dann selber gesagt«, beteuerte der angeklagte Lkw-Lenker. Gemeint war die Ehefrau des Polofahrers auf dem Beifahrersitz. »Ganz sicher«, bestätigte ein Kollege des Angeklagten die angebliche Aussage der Frau. Doch die widersprach: »Das ist vollkommener Unsinn und gelogen.« Es sei der Lkw-Fahrer gewesen, der unbedingt die Polizei vermeiden und die Sache intern habe regeln wollen.
Doch Polizei und Sanitäter wollte der 61-jährige Polofahrer verständigen, auch deshalb, weil er – frisch operiert – einen medizinischen Schaden befürchtete. Der Schaden am Wagen betrug 4 650 Euro.
Stichwort Polizei: Einem Beamten der Polizeiinspektion Berchtesgaden war genau dieser Lkw kurz zuvor auf der Maximilianstraße aufgefallen. »Gestikulierend und hupend« sei er da schon sehr nahe aufgefahren. Auf die Unfallmeldung wenig später hatte der Polizist dann süffisant reagiert: »So, hat er's jetzt g'schafft.« Der Beamte erklärte, dass ein angebliches Rückwärtsfahren am Unfallort überhaupt kein Thema gewesen sei.
Das Rentnerehepaar aus Bad Reichenhall versicherte übereinstimmend, lediglich gewartet zu haben bis die Gegenfahrbahn frei war, um dann am Feuerwehrfahrzeug vorbeizufahren. Ein Indiz für die Glaubwürdigkeit war für Richter Josef Haiker die vom Angeklagten angegebene Trinkmenge. Der 52-Jährige will vormittags und mittags jeweils eine »Halbe« getrunken haben. »Und dann haben sie um halb Fünf 0,66 Promille? Wie soll das gehen?«
Die Verteidigerin kündigte an, einen weiteren Zeugen vom Bauhof Bischofswiesen laden zu lassen; dazu ein Gutachten zu beantragen, um nachzuweisen, dass der Alkohol nicht ursächlich für den Unfall gewesen war. Andererseits sei man aber auch bereit zu einer Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage.
Schließlich stellte auch Josef Haiker fest: »Ob dieser Fahrfehler alkoholbedingt geschah, lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen.« Derartiges könne auch in nüchternem Zustand passieren, insbesondere bei einer unklaren Verkehrssituation.
Der Richter entschied auf eine Ordnungswidrigkeit von 500 Euro. Das einmonatige Fahrverbot ist mit dem damaligen Führerscheinentzug längst erledigt.
höf