Wohnraum im Berchtesgadener Talkessel ist knapp und teuer. Über den leer gefegten Markt klagen selbst Immobilienexperten wie Armin Nowak. In Thomas Webers Brief mit der Überzeile »Neuerlass einer Mieterschutzverordnung«, der der Redaktion vorliegt, begründet der Gemeindechef, wieso es nicht notwendig sei, die Gemeinde Bischofswiesen »in die Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt« aufnehmen zu müssen. Bischofswiesen ist Bundeswehrstandort mit mehr als 1 100 Dienststellen. Die Bundeswehr-Mitarbeiter machen rund 15 Prozent der Einwohner der Gemeinde aus. Infolge des jeweils dienstlich angeordneten häufigen Standortwechsels, im Regelfall alle drei Jahre, liegen in der Gemeinde »sehr hohe Zuzüge sowie Fortzüge« vor, heißt es etwa in der Sozialraumanalyse. Laut Weber sei dies eine »Spezialsituation«.
Mit dem Brief konfrontiert, antwortet Bürgermeister Thomas Weber, seine Gemeinde habe als »eine der ersten im Talkessel den steigenden Wohnungsbedarf erkannt, mit einer Sozialraumanalyse belegt und gezielt Gegenmaßnahmen ergriffen«. Durch diese frühe Reaktion sei die Verwaltung davon ausgegangen, einen angespannten Wohnungsmarkt vermeiden zu können. Thomas Weber selbst hatte in den vergangenen Monaten mehrfach auf den prekären Wohnungsmarkt hingewiesen. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Schreibens ging der Bürgermeister davon aus, »dass in naher Zukunft rund 100 Miet- und in geringem Umfang Eigentumswohnungen in Bischofswiesen geschaffen werden können«.
Diese Wohnungen sollten zum Teil durch das Wohnbauwerk im Berchtesgadener Land in Winkl und durch die Kommunalwohnbau Bischofswiesen geschaffen werden. Die Maßnahmen des Wohnbauwerks sind bereits umgesetzt, die Maßnahmen der Kommunalwohnbau können mangels nicht abgeschlossenen Bebauungsplans aktuell noch nicht umgesetzt werden. Zudem, sagt Thomas Weber, wurde zum damaligen Zeitpunkt von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben »mündlich die Schaffung von Wohnraum für Bundeswehrangehörige in erheblichem Umfang« in Aussicht gestellt.
Auch diese Maßnahme wurde bisher nicht umgesetzt. Über die Zahl der möglichen Bundeswehr-Wohnungen kann oder möchte Weber keine Aussage treffen, sie sind in den 100 geplanten Wohnungen zumindest nicht enthalten.
In einem Gutachten zur Einstufung der Kommunen in den Bereich mit angespannten Wohnraum wurden verschiedene Faktoren berücksichtigt. Einer der Faktoren sei die Häufigkeit des Wechsels von Wohnraum, also der Mieterwechsel, gewesen. »Durch das von uns beauftragte Büro wurde für uns auf nachvollziehbare Weise dargelegt, dass der im Vergleich zu den Nachbargemeinden im Talkessel häufige Wohnraumwechsel auch mit den kurzen Standzeiten der Bundeswehrangehörigen am Standort zusammenhängt«, so Thomas Weber. Grundlage dieser Aussage war die Sozialraumanalyse für Bischofswiesen.
Dieser häufige Wohnraumwechsel führte, anders als in den Nachbargemeinden, dazu, dass in Bischofswiesen ein erhöhter Wohnraumbedarf bestanden habe. In den Nachbargemeinden im Talkessel sei dieser nicht feststellbar gewesen. Aus Bischofswieser Sicht handelt es sich beim Berchtesgadener Talkessel, bestehend aus den Gemeinden Berchtesgaden, Bischofswiesen, Schönau am Königssee, Marktschellenberg und Ramsau, um »einen einheitlichen Wohnungsmarkt«, der sich in den fünf Gemeinden »nicht wesentlich« unterscheide. Mit jedem Abschluss eines neuen Mietvertrags sind im Regelfall höhere Mietpreise die Folge, ist der Gemeindeverwaltung bewusst.
Paul Grafwallner vom Bund Naturschutz hatte das Bürgermeister-Schreiben bei einer öffentlichen Veranstaltung zum Anlass genommen, um Kritik zu üben und um Zustimmung unter den Bund Naturschutz-Mitgliedern zu erhalten. »Die Gemeinde weiß schon lange, wie dringend Wohnraum benötigt wird und dass die Situation angespannt ist.«
Bürgermeister Thomas Weber gesteht ein: »Der extrem starke Nachfrageanstieg und die geringe Zahl der verkauften beziehungsweise vermieteten Immobilien in den vergangenen Jahren war für uns – trotz Sozialraumanalyse – sehr überraschend.« Auch Immobilienexperten hätten die mit dem Angebotsmangel einhergehenden Preissteigerungen in diesem Umfang nicht vorhergesehen, so der Bürgermeister.
Kilian Pfeiffer