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Das Kulinarikteam Norman Beitz (l.) und Martin Bielik. (Foto: Eva Goldschald)

Wenn Essen zur Kunst wird - Gourmetrestaurant »Solo Du« eröffnet im »Kulturhof Stanggass«

Bischofswiesen – Ein Solo ist der Traum aller Schafkopfer: Wer alle Unter und alle Ober auf der Hand hat, gewinnt automatisch das Spiel. Nach dieser Königsdisziplin beim Schafkopfen haben Bartl Wimmer und Chefkoch Norman Beitz das kleine Gourmet-Restaurant im »Kulturhof-Stanggass« benannt. Es soll ein Ort für alle Schafkopffreunde werden. Sich treffen und dabei ziemlich fein speisen ist die Intention dahinter.


Das »Solo Du« ist ein kleiner Raum mit vier Tischen und Platz für etwa 16 Gäste. Es grenzt direkt an das »normale« Restaurant, Blick auf den großen Biergarten inklusive. Die Einrichtung ist schlicht, aber edel, die Tischdekoration kommt mit wenig Schnickschnack aus. Auf jedem der vier Tische steht eine Vase mit getrockneter Craspedia auf einer Tischdecke aus Leinen. Eine klassische Speisekarte gibt es nicht. Stattdessen steht jeder Gang sowie jede Weinbegleitung auf einer eigenen Spielkarte. Dieser Stapel steckt wiederum in einer gefalteten Kartenbox aus Papier. »Wir wollten, dass die Gäste auch nach dem Essen etwas als Andenken mitnehmen können«, erzählt Küchenchef Norman Beitz.

Außer den Karten erinnert im Raum nichts an das Schafkopfen. Es ist eben ein Gourmet-Restaurant und kein einfaches Gasthaus. Schwer vorstellbar, dass hier die Kartenspieler bei einem Bier lange sitzen. Aber wer sagt eigentlich, dass Schafkopfer immer die typischen Stammtischbesucher sein müssen? Das dachte sich vermutlich auch der Inhaber und geht einen anderen Weg. Schafkopfen wird man also künftig Mittwoch bis Samstagabend zum Vier- oder Sieben-Gänge-Menü, wahlweise mit oder ohne Weinbegleitung. Das Konzept soll überwiegend Einheimische ansprechen.

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Lachsforelle mit Brunnenkresse und Kalbsbries. (Foto: Eva Goldschald)

Regionalohne Einschränkung

Mindestens zu 70 Prozent regional und fair gehandelt sind die Zutaten, verzichten müssen die Gäste auf nichts. »Wenn es Saibling geben soll, dann finden wir einen guten. Wir wollen uns mit unseren Vorgaben nicht selbst Steine in den Weg legen. Wir werden also nichts von der Karte streichen, nur weil es das in Berchtesgaden nicht gibt. Regional heißt für mich über die Grenzen des Landkreises hinaus auch bis nach Wien«, erzählt der gebürtige Thüringer Beitz, der bereits im Palais Hansen Kempinski Wien und im Restaurant Canard Nouveau je einen Michelin-Stern erkochte. Begleitet wird sein Menü vom slowakischen Sommelier Martin Bielik, der seit gut einem Jahr in Berchtesgaden lebt. Schwer fiel ihm der Umzug nicht, denn der Weinkenner ist ein Weltenbummler. Nach dem Abitur reiste er nach Australien und Neuseeland, zog wegen der Liebe für vier Jahre nach Lübeck, arbeitete auf Sylt als Restaurantleiter und nutzte letztendlich die Coronapause, um sich intensiv mit Wein auseinanderzusetzen. »Ich bin Slowake, ich mag die Berge. Mir gefällt es ziemlich gut hier«, erzählt er, lacht und fügt schmunzelnd hinzu: »Wegen der Liebe bin ich aber nicht da, deswegen würde ich nicht noch mal umziehen.«

Auf die insgesamt sechs geladenen Gäste warten sieben Gänge. Als »Amuse Gueule« serviert das Team frisch gebackenes Brot von den Bäckerbrüdern mit Schnittlauchbutter. Zur Einstimmung folgt eine Art filigrane Schultüte, gefüllt mit einer Mousse aus Kalbstartar, Thunfisch und Zitrone. Dazu ein Minimacaron mit einer Füllung aus Saibling und Rettich. Als vegetarische Variante ersetzt die Küche die Mousse mit einer Avocadocreme, die Macaronfüllung besteht aus Roter Beete.

Norman Beitz kocht normalerweise nicht vegetarisch. Wer aber früh genug Bescheid gibt, für den bereitet die Küche ziemlich schmackhafte Alternativen zu. »Es ist nicht so, dass ich nicht vegetarisch kochen möchte. Allerdings muss das immer nebenbei passieren. Gerade durch Corona ist es nicht einfach genug und geeignetes Personal zu finden. Bei einem aufwendigen Menü ist es logistisch also nicht so einfach, einmal eben spontan parallel vegetarisch zu kochen. Wir möchten unseren Gästen ein besonderes Geschmackserlebnis bieten, und das müssen wir gut vorbereiten.«

Staunen unter den Gästen

Wer in ein Gourmetrestaurant geht, darf sicherlich erwarten, dass das Auge mit isst und einem die Köche ein Dinner kredenzen, das man so noch nicht gesehen oder geschmeckt hat. Die Zutaten, die Norman Beitz und sein Team verwenden, sind nicht ausgefallen: Brunnenkresse, Steinbutt, Rhabarber, Erdbeeren, Rohmilch, gerösteter Sellerie. Die Kombinationen sind interessant, die Komponenten ergänzen sich perfekt. Alle sieben Gänge überzeugen nur der Fond beim Lamm ist den meisten etwas zu würzig. »Das ist so gewollt«, erklärt Norman Beitz auf Nachfrage, man solle schließlich etwas schmecken.

Alle Gänge werden auf extra für den »Kulturhof« getöpfertem Geschirr serviert. Der Küchenchef hat mit der Künstlerin, deren Name er nicht verraten möchte, lange an Optik und Form getüftelt. Die Teller sind so geformt, dass sich Saucen nicht willkürlich am Teller verteilen, sondern genau dortbleiben, wo der Koch sie drapiert hat.

Ein guter Weindarf nicht fehlen

Zum Menü gibt es wahlweise eine Weinbegleitung, auf Wunsch auch Getränke ohne Alkohol. Die Weine stammen aus Deutschland, Frankreich oder der Slowakei. Bieliks Lieblingsrotwein ist der Morgan »Côte du Py« und wird im Holzfass gelagert. Seine Eltern besitzen ein zwei Hektar großes Weingut in der Slowakei, der Kennergaumen kommt also nicht von ungefähr. »Man muss nicht den teuersten Champagner und Wein servieren, sondern den, der passt«, sagt er. Zu Beginn serviert er Champagner, zu den Vorspeisen eine leichten, würzigen Weißwein, danach folgen Rotweine, die etwa zwei Stunden vor dem Dinner dekantiert wurden. Den Nachtisch mit Erdbeeren, Rhabarber, Vanille und Verbene rundet der Sommelier mit einem süßen Strohwein mit Honigaroma ab.

Gelungener Start

Seit Donnerstag ist das Gourmet Restaurant für alle Gäste geöffnet. Das Team des Kulturhofes hofft, dass das Angebot gut angenommen wird, auch wenn es, und das wisse man, unter den Einheimischen immer jemanden gäbe, der sich skeptisch gegenüber dem neuen Konzept äußert. »Man kann es nicht allen recht machen und die Berchtesgadener sind schon sehr kritisch«, gibt Norman Beitz zu. »Ein bisschen Neid auf unseren Chef schwingt da natürlich auch immer mit. Viele sehen es auch nicht ein, wieso sie für Leberkäse bei uns im Biergarten mehr zahlen sollen als für den, den sie sich mittags beim Metzger holen.«

Auch wenn das ausgiebige und kreative Menü beinah vier Stunden dauerte, fühlte sich keiner der Gäste so, als hätte er zu viel gegessen. Das Menü war abwechslungsreich, mit viel Gemüse. Dass der Spargel dominiert hat, liegt an der Jahreszeit.

Ob die typischen Schafkopfer, die bereits ihre Stammlokale haben, das neue Gourmetangebot annehmen werden, bleibt abzuwarten. Wenn nicht, gibt es darüber hinaus sicherlich genügend Gäste im und über die Landkreisgrenze hinaus, die das Angebot im »Kulturhof« wahrnehmen werden und dabei vielleicht sogar mit dem Schafkopfen anfangen. Der Start in kleiner Runde war ein gelungener, auch für die eine Vegetarierin in der Runde. 

Eva Goldschald