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Grundstücksgrenzen werden mit einem Grenzstein aus Granit, mit einem Metallnagel oder einem Rohr markiert. Der alte Grenzstein zeigt noch die Jahreszahl.
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Der Feldgeschworene Florian Ilsanker zeigt auf die obere Kante des sogenannten Bummerls. (Fotos: Christoph Merker)

Wenn Steine »klack« machen

Bischofswiesen – Florian Ilsanker ist Feldgeschworener. Zusammen mit dem Vermessungsamt Freilassing stellt er die Grenzen der Grundstücke in Bischofswiesen fest. Dieses Ehrenamt ist das älteste noch erhaltene Amt der kommunalen Selbstverwaltung. Es zählt seit 2016 zum immateriellen Kulturerbe Deutschlands.


Eine Grenze bedeutet, dass es immer mindestens zwei Parteien gibt, die genau dort aneinanderstoßen. Wo endet der Besitz des einen und wo fängt der Besitz des anderen an? Deswegen gibt es seit dem Mittelalter in Bayern die Feldgeschworenen. Sie legen als neutrale Instanz die Grenzen fest, vermitteln bei Grenzstreitigkeiten und setzen die Grenzsteine.

Hohe Verantwortung

In Bischofswiesen ist das Florian Ilsanker, der zusammen mit zwei weiteren Feldgeschworenen, wobei einer aus Altersgründen inaktiv ist, das Amt der Feldgeschworenen ausführt. »Es ist ein Ehrenamt, das mit dem Schöffen bei Gericht zu vergleichen ist«, erzählt Ilsanker. Zu diesem Ehrenamt wird man auf Lebenszeit berufen. »Man kann es selber aus triftigen Gründen wieder abgeben und nur bei schweren Verfehlungen kann es einem aberkannt werden.«

Dazu würde gehören, sein Wissen, das man als Feldgeschworener über Grundstücke hat, zum eigenen Vorteil zu missbrauchen. Wer welches Grundstück besitzt, Preise und geplante Verkäufe oder Besitzteilungen: Über das alles weiß der Feldgeschworene Bescheid. Deswegen ist es ein sehr verantwortungsvolles Amt. »Ich bin 2014 gefragt worden, ob ich in Bischofswiesen dieses Amt nicht übernehmen möchte«, erinnert sich der Feldgeschworene. »Da habe ich mich zuerst erkundigt, was das umfasst und was meine Aufgaben wären.«

Was er da erfuhr, hörte sich spannend an. So entschloss er sich, das wichtige Amt zu übernehmen. »Die Arbeit zusammen mit dem Vermessungsamt ist interessant und abwechslungsreich.« Er sieht sich als Vermittler zwischen den Besitzern und für ihn hat Neutralität oberste Priorität. »Ich bin das neutrale Bindeglied zwischen den Grundstückseigentümern und den Behörden.« Die eigentliche Vermessung macht das Amt, doch der Feldgeschworene erstellt den Grenzpunkt, die sogenannte Abmarkung und bezeugt das Protokoll. In Bayern muss laut Vermessungsgesetz immer ein Feldgeschworener bei Grenzsteinsetzungen dabei sein.

»Früher waren das in den Gemeinden immer sieben Männer, deswegen werden die Feldgeschworenen auch Siebener genannt.« Entstanden ist das Siebenerwesen in Franken, dort werden sie 1426 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Doch die Wurzeln reichen sicher noch weiter zurück. Deswegen wurden sie auch 2016 in die deutsche Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Schon 1801 wurde die bayerischer Vermessungsgesellschaft durch die Katasterbildung unter Graf Montgelas, dessen Nase bekanntermaßen über Bischofswiesen thront, gegründet. 1868 kam das Vermarktungsgesetz, das die Anwesenheit eines Feldgeschworenen zwingend bei Grenzvermessungen vorschreibt.

Rund 20 Mal im Jahr rückt Ilsanker aus, um neue Grenzsteine zu setzen, alte wiederherzustellen oder bei Grenzbegehungen Grenzen zu überprüfen.

Geheime Zeichen

Natürlich läuft das heute alles GPS-unterstützt ab. Im Bayern-Atlas kann sich jeder online die Grenzen mithilfe eines Luftbildes anschauen. »Die heutigen Messungen sind bis auf fünf Millimeter genau.« Doch schon die früheren Vermessungen waren überraschend exakt. Denn schließlich geht es immer um Grundbesitz und somit auch um Geld. Eine minimale Abweichung kann bei einem Hundert Meter langem Grundstück schnell ein paar Quadratmeter ausmachen.

Darum gab es immer schon welche, die Grenzsteine zu ihren Gunsten versetzten. Um diese unrechtmäßigen Versetzungen aufzudecken, hat sich das Siebenergeheimnis entwickelt. »Das waren geheime Zeichen, meist beschriftete Tontafeln, die in einer ganz bestimmten Weise unter die Grenzsteine gesetzt wurden.« Von Generation zu Generation wurde dieses Geheimnis unter Feldgeschworenen weitergegeben. Dabei mussten sie den Eid ablegen, es nicht zu verraten. Bei einer Versetzung des Steines konnte man später also feststellen, dass dieses geheime Zeichen nicht an seinem ordentlichen Ort lag. »Im Talkessel gab es aber meines Wissens keine solchen Geheimzeichen.« Was daran liegen könnte, dass ganz Berchtesgaden bis 1803 im Besitz des Fürstpropstes war.

In den Wäldern findet man dafür Grenzsteine, die mit »KW« gekennzeichnet sind, das bedeutet »königlicher Wald«. Diese einfachen Grenzsteine, deren eine Seite abgeflacht ist, werden Bummerl genannt. Das sind einfache Feldsteine, deren höchste Erhebung die Grenze markieren. Üblich sind heute die Grenzsteine aus Granit. »Die werden Klack-Steine genannt, weil wenn man einen zugewachsenen oder verschütteten Grenzstein mit den Vermessungsstangen sucht, dann geben sie einen ganz typischen Klack von sich, wenn sie getroffen werden.« In Teer kommen Grenznägel zum Einsatz, auch Plastikröhren werden gelegentlich gesetzt. »Das kommt ganz auf den Untergrund drauf an.« Heute muss ein Feldgeschworener Grenzzeichen wiederherstellen, nicht weil sie willentlich versetzt wurden, sondern es passiert oft durch Verschiebungen, Kanalarbeiten, durch Schneeräumen oder andere natürliche Ereignisse.

Ausführung im Stillen

Deswegen kann ein Feldgeschworener immer nur eine Momentaufnahme bezeugen. »Bei Streitigkeiten ist es ganz wichtig, keinerlei Aussagen zu machen, bevor nicht die Grenzlinie eindeutig festgemacht wurde.« Ilsanker ist sich die Bedeutung seines Amtes bewusst und führt dieses Ehrenamt gerne im Stillen aus.

»Man kommt dabei zu Orten, da kommt man sonst nie hin«, erzählt er. Selbst in den Bergen werden Grenzen vermessen. »In der Ramsau musste der Feldgeschworene hoch zum Edelweißlahner«, erzählt er. Alle Grenzen werden regelmäßig vermessen, von den Gemeinde- bis hin zur Staatsgrenze. Denn ein richtiger Grenzverlauf schafft zwischen Nachbarn, zwischen Gemeinden, Ländern und sogar Staaten Frieden. Christoph Merker