Forster benannte den Beschuldigten gleich zu Beginn als Mitglied der sogenannten Reichsbürger-Szene, bei der man sich weigere, sich zu setzen, um damit keine »Unterwerfung« zum Ausdruck zu bringen. »Das weise ich zurück«, wehrte sich der Freilassinger. Weil in digitalen Netzwerken für eine Teilnahme an der Versammlung geworben worden war, hatte sich auch die Polizei vorbereitet und fünf »Kontrollstellen« rund um den Rathausplatz eingerichtet. Einerseits um unbedarfte Fußgänger zu warnen, andererseits Teilnehmer auf die Vorgaben Maske und Abstand hinzuweisen. Nicht zuletzt war ein »Spaziergang« untersagt worden.
»Er wollte nicht mit uns kommunizieren«, schilderte eine Polizeihauptkommissarin das Zusammentreffen am Gehweg bei der Rupertuskirche. Selbst als sie und ein Kollege dem Freilassinger folgten und ihn mehrfach ansprachen, habe der »nur stur in eine andere Richtung geschaut.« Seine Identität habe der 50-Jährige so angegeben: »Ich bin ein Mensch.« Die Beamtin erklärte, weshalb man den Mann auf die nahe Dienststelle mitgenommen hatte: »Wir wollten ihn nicht bloßstellen und auch keine Solidarisierung auslösen.« Auf dem Weg dorthin habe sich Dieter Sommer »verbal gewehrt«, was ihr Kollege bestätigte.
»Drei schwarz gekleidete Menschen haben mich in der Inspektion überfallen und mir mein Handy entrissen«, beschuldigte Sommer die Beamten. Die hatten ihm deutlich gemacht, dass er bleiben müsse, bis er seine Personalien preisgebe. Das tat Dieter Sommer schließlich. Und war wenig später in dem verbotenen Demonstrationszug entdeckt worden. »Wir haben ihn noch mal belehrt«, bekräftigte die Beamtin. Vergeblich, denn schließlich war der Freilassinger ein drittes Mal in der Menge aufgefallen, auch wenn er dabei versucht habe, sich hinter einem Schal zu verbergen.
»Ich war gar nicht am Versammlungsort«, behauptete der Beschuldigte und fragte: »Wenn am Bahnhof viele Leute in die gleiche Richtung gehen, ist es dann auch eine Versammlung?« An die Zeugin gewandt: »Gibt es in Bayern oder im Landkreis eine Bußgeldquote, die zu erfüllen ist?« Seine Frage, ob die Beamtin an diesem 17. Januar im Dienst gewesen sei, beantwortete Richter Martin Forster: »Ein Polizist ist immer im Dienst.« Unstrittig war, dass alle beteiligten Beamten uniformiert gewesen waren. In seinem Schlussvortrag behauptete Dieter Sommer erneut: »Ich hatte keine Kenntnis von einer Versammlung. Ich habe mich als Privatperson frei im Stadtgebiet bewegt.« Und das sei ja wohl erlaubt.
Just als sich der Richter zur Urteilsfindung zurückzog, erreichten das Gericht Faxnachrichten aus dem Landratsamt mit weiteren Bußgeldbescheiden gegen Dieter Sommer. So soll er im März 2021 an einer Demonstration mit der Forderung sofortiger Schulöffnung und einem maskenfreien Unterricht vor dem Landratsamt teilgenommen haben. Wenige Tage später sei er dann bei einer Versammlung vor der Hohenstaufen Kaserne gesehen worden. Für diese Verstöße legte das Amt 250, beziehungsweise – weil Wiederholung – 500 Euro fest. Sommers Behauptung, all das sei aufgrund »konkludenten Handelns« eingestellt, widersprach Forster: »Das ist rechtskräftig, weil der Einspruch verspätet geschah.«
Der Strafrichter beließ es bei der »maßvollen Ahndung« des Landratsamtes von zweimal 250 Euro gegen den »Wiederholungstäter«. Zum einen wegen der Weigerung, seine Personalien anzugeben, zum zweiten wegen der Teilnahme an der verbotenen Demo mitsamt dem Versuch, die Identität zu verschleiern. »Sie sollten sich gut überlegen, ob dieser Weg der richtige ist«, wandte sich Martin Forster abschließend an den Freilassinger. »Sie handeln in einem Land, dessen Infrastruktur und Sozialsysteme sie nutzen. Was sie hier zeigen, ist astreines Reichsbürgertum.« Dem widersprach Dieter Sommer erneut: »Das weise ich zurück. Ich missbillige es.«
höf