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Schrei-Duell mit dem Richter verloren

Freilassing – Es kommt nicht so selten vor, dass es im Gerichtssaal etwas lauter zugeht. So laut aber wie zuletzt wird es nur ganz selten. Dem gewaltigen Plärren eines 65-jährigen Griechen konnte Richter Christian Daubner seinerseits nur mit erheblicher Lautstärke begegnen. Dabei war das Vergehen des Rentners unstrittig. Er hatte einer Angestellten im Freilassinger »Globus«-Markt den »Vogel« gezeigt, weshalb er nun wegen Beleidigung vor dem Laufener Amtsgericht stand.


Logik macht im Gerichtssaal mitunter Pausen. Bei diesem Angeklagten schien sie sich jedoch längerfristig verabschiedet zu haben. So einfach das angeklagte Geschehen war, so verwirrend waren die Schilderungen des 65-Jährigen. So will er nach seinem Einkauf draußen auf seine Begleiterin gewartet haben, bis ihn ein Angestellter erneut nach innen bat, weil die Frau angeblich gestohlen habe. »Sie haben meine Bekannte untersucht bis in den Intimbereich, aber nichts gefunden«, klagte der Rentner. Eine Episode, mit der der Anklage nichts zu tun hatte.

Die Angestellte kam nur deshalb ins Spiel, weil sie der Kaufhausdetektiv gebeten hatte, bei einem Regal nach einer vermutlich leeren Flasche zu sehen. »Ich habe dort tatsächlich eine leere Flasche gefunden«, berichtete die 33-Jährige. Die habe sie dem Security-Chef übergeben.

Wenig später war der Abteilungsleiter mit dem Angeklagten an diesem Regal aufgetaucht. »Er wurde ausfallend, hat mir unterstellt, ich wolle ihm was unterjubeln«, schilderte die Einzelhandelskauffrau den Auftritt des Griechen, er habe »sie und alle anderen« dumm genannt und ihr schließlich einen »Vogel« gezeigt. Vor all den Kunden rundherum habe sie sich »wie der letzte Abschaum« gefühlt und auf Rat ihrer Chefin Anzeige erstattet.

Den Zeigefinger an der Schläfe räumte der Grieche ein. Jedoch: »Es kann ja auch bedeuten: ›merk's dir‹.« Zur verbalen Beleidigung meinte er, es sei doch unlogisch, erst zu zeigen und dann zu sagen.

Ein »Logikproblem« mochte Dauber darin nicht zu erkennen. Wenig fruchtbar war das Beharren des Rentners, dass dort im Regal doch eine volle Flasche gestanden habe und all das gar nicht stimme. Hier wurde der Angeklagte sehr, sehr laut und schrie: »Machen Sie, was Sie wollen.« Der Richter reagierte mit gleichwertiger Lautstärke und drohte dem Mann ein Ordnungsgeld an, wenn er sich im Sitzungssaal so aufführt. »Wie Sie sich aufführen«, konterte der Rentner, worauf Daubner warnte: »Sind Sie ganz vorsichtig.«

Dem Griechen war ursprünglich die Einstellung des Verfahrens gegen die Zahlung von 400 Euro angeboten worden. Weil er darauf nicht eingegangen war, folgte ein Strafbefehl über 40 Tagessätze à 15 Euro. Zur Verhandlung kam es, weil der Mann dagegen Einspruch einlegte.

Rechtsreferendarin Gina Wagner hatte keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin und der Beleidigung. Sie beantragte 45 Tagessätze à 15 Euro. »Ich finde das bedauerlich«, reagierte der Rentner und wiederholte: »Machen Sie, was Sie wollen.«

Was folgte, war eine Kritik an »eurer Gerechtigkeit« und ein Exkurs in die Vergangenheit, wonach sein Kind angeblich vor 24 Jahren entführt worden sei und er seine Tochter nun 23 Jahre nicht gesehen habe. »Das ist Ihre Gerechtigkeit«, schrie der 65-Jährige, wobei unklar blieb, was er meinte.

Daubner stellte fest, dass der Angeklagte selbst den Zeigefinger an der Schläfe eingeräumt habe, was keinen Raum für eine Auslegung im Sinne von »nachdenken« lasse. Anzeige habe die Angestellte nur erstattet, weil sie sich in der Öffentlichkeit erniedrigt gefühlt habe. In Anbetracht seiner Klagen über dieses Land, empfahl Daubner dem Griechen: »Es steht Ihnen frei, auszuwandern, wenn ihnen so vieles nicht passt.« Der Strafrichter entschied wegen Beleidigung auf 35 Tagessätze à 15 Euro, in Summe also 525 Euro. Erzürnt verließ der Rentner den Gerichtssaal.

höf