Der Anwohner tauscht sich seit einigen Jahren mit dem Staatlichem Bauamt Traunstein, dem Landratsamt, der Stadtgemeinde Hallein sowie Marktschellenbergs Bürgermeister aus. Weidl kennt und nennt mehrere kritische Punkte auf der Scheffauer Straße. Einer beginnt auf Höhe des ehemaligen Gasthauses »Zillwirt«, denn dort wird in Richtung Österreich die Höchstgeschwindigkeit 50 km/h aufgehoben.
»Das ist heftig«
Ab dann dürfte man über die Zillstraße bis zur Einmündung in die Dürrnberger Landesstraße 100 km/h fahren. »Die Straße ist schmal, unübersichtlich, nicht beleuchtet, bergab nur einspurig mit wenigen Ausweichmöglichkeiten und es gibt keinen Gehweg. Ich kann diese Regelung überhaupt nicht nachvollziehen«, beklagt Weidl.
Kurios sei auch, dass 30 Meter nach Aufhebung des Tempolimits ein Schild mit der Aufschrift »Achtung Kinder« steht. Laut Weidl leben dort drei Schüler. Einer sei sogar angefahren worden. »Das ist heftig und nicht hinnehmbar.« Deshalb wünschen sich die Anwohner eine 30er-Beschränkung.

Die Sachbearbeiter des Landratsamtes haben eine andere Auffassung: Bei einer optischen Verengung der Fahrbahn werde die Geschwindigkeit von den Fahrzeugführern reduziert. Hier könne nach den vorgenannten Voraussetzungen der Straßenverkehrsordnung keine Geschwindigkeitsbeschilderung vorgenommen werden, »insbesondere da unter bestimmten Umständen sogar 30 km/h noch zu schnell sein kann, um diesen Teil der Straße gefahrlos zu befahren«, teilt die Pressestelle des Landratsamtes auf Anfrage mit. »Die Aussage '…man darf dort 100 fahren' ist mit Blick auf den § 3 StVO falsch. Diese achtsame Grundregel wird jedem Fahrschüler im Verkehrsunterricht beim Theorieunterricht zum Führerschein vermittelt.«
Ein Schilderwirrwarr
Nicht nur in dieser Angelegenheit können sich Anwohner und Behörde nicht einigen. Denn die Scheffauer fordern eine durchgehende 30er-Beschränkung, die auf Höhe der Abzweigung Doffenleitenweg beginnt und bei der Einfahrt Dürrnberger Landesstraße endet. Aktuell müssen sich die Autofahrer in einem Schilderwald zurecht finden, in dem das Tempolimit viermal gewechselt wird. »Da kennt sich doch keiner mehr aus«, so Weidl.

Der Schilderwald sollte gerodet und die Höchstgeschwindigkeit vereinheitlicht werden, denn oft genug erlebten Anwohner gefährliche Situationen mit den Rasern. Besonders brenzlig sei der Abschnitt entlang der vier ehemaligen Zollhäuser (Scheffauer Straße 56 bis 62), da diese Straße zwischenzeitlich wieder zweispurig ist, sagt Weidl. »Das lädt sowohl Ortsunkundige als auch Berufspendler zum Rasen ein.« Dies mache sich gerade im Sommer bemerkbar. Draußen könne man nicht mit normaler Lautstärke reden, weil die Motoren durchgehend dröhnen. »Der Reiseverkehr ist im Sommer besonders schlimm.«
Anders urteilen die Sachbearbeiter des Landratsamtes, denn die Hürde für Beschränkungen ist laut Straßenverkehrsordnung hoch. »Es müssen besondere Umstände vorliegen, sodass aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko erheblich übersteigt. Bei der Strecke von der Engstelle mit Geschwindigkeitsbeschränkung 30 km/h bis zur Grenze mit 50 km/h liegt dieses nicht vor«, teilt die Pressestelle des Landratsamtes mit.
Zähes Ringen
Weidl hat kein Verständnis für diese Situation. Ebenso wenig kann er das Tempolimit im Bereich des Gasthofs »Oberstein« nachvollziehen. Der Scheffauer fordert nämlich, die Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h zu senken. »70 ist viel zu hoch. Der Parkplatz liegt direkt an der Straße. Oft wird das Ein- und Ausparken gefährlich. Das ist absurd«, sagt Weidl. Noch dazu sei die Straße nicht beleuchtet. Der Anwohner nennt es eine Ironie, dass auf der Kreisstraße BGL 9 in Oberau dagegen durchgehend die Höchstgeschwindigkeit 50 km/h gilt, auf Höhe des Gasthauses »Neuhäusl« wird sogar auf 30 reduziert. Der Sachverhalt sei dort ähnlich.
Ob man die 50er-Beschränkung im Bereich des Gasthofs »Oberstein« durchsetzen kann, bleibt fragwürdig. Bereits in der Vergangenheit war es ein zähes Ringen, dort das Tempolimit 70 einzuführen. Damals wurden auf der Strecke Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt. Entscheidend für die 70er-Beschränkung war der sogenannte V 85-Wert. Darunter ist laut Pressestelle des Landratsamtes folgendes zu verstehen: »Ein maßgeblicher Wert für Geschwindigkeitsbeschränkungen ist immer der Durchschnitt, den 85 % der Verkehrsteilnehmer fahren.«

Die damaligen Messungen ergaben einen Durchschnitt von knapp über 70 km/h, auch wiederum ohne Beschilderung. »Der teils kurvige Straßenverlauf ohne Beleuchtung und dichte Bewaldung bis an die Straße erinnert stark an die Grundregel der StVO«, teilt die Pressestelle des Landratsamtes mit. Demnach sei die Geschwindigkeit insbesondere den Straßen, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen. »Dies geschieht offensichtlich auch, da 85 % aller Verkehrsteilnehmer ihre Geschwindigkeit anpassen.«
Es lagen damals keine Geschwindigkeitsunfälle vor, »weshalb eigentlich keine Grundlage für eine verkehrsrechtliche Anordnung vorliegt. Trotz dieser Tatsachen hat sich die untere Verkehrsbehörde im Sinne der Anwohner zu einer Beschränkung der Geschwindigkeit entschieden.«
Hartnäckig geblieben
Trotz der Enttäuschungen gaben die Anwohner nicht auf. Sie machten weiterhin auf die Gefahren auf der Scheffauer Straße aufmerksam. Und die Anstrengungen haben sich gelohnt: Seit Juni 2021 gilt im einspurigen Abschnitt des Lenzenlehens die Höchstgeschwindigkeit 30 km/h, nachdem sich auch Marktschellenbergs Bürgermeister Michael Ernst für die Anwohner eingesetzt hat.
Der Entscheidung vorausgegangen war eine Geschwindigkeitsmessung im Bereich der Engstelle. Dabei erkannten die Sachbearbeiter, dass ein Haus direkt an die Straße grenzt und die Linkskurve daher nicht einsehbar ist. »Zusätzlich ist die Straßenbreite eng im Begegnungsverkehr«, informiert die Pressestelle des Landratsamtes. Michael Ernst ist aber immer noch nicht zufrieden. Er weiß, dass die Scheffauer Straße inzwischen stärker frequentiert sei und sie deshalb strenger reglementiert werden müsse. »Ich renne aber seit zwei Jahren dem Landratsamt hinterher«, sagt der Bürgermeister.
Reinhard Weidl schätzt das Engagement des Rathauschefs, »der unsere Sorgen versteht. Tatsache ist, dass der Pendler- und Fernverkehr in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat.« Das hohe Aufkommen führt Weidl auf das Navi zurück. Darin ist die Scheffauer Straße als kürzeste Route zwischen Berchtesgaden und Hallein eingezeichnet.
Angesichts der Stauproblematik auf der Autobahn komme es gerade im Grenzgebiet durch die Navigation zu einer unangemessenen, ja gerade zu einer absurden Lenkung der Verkehrsströme über solche »Ausweichstrecken« im internationalen Fernverkehr, kritisiert Weidl. Ähnlich verhalte sich das Navi auf der deutschen Seite. Laut Anwohner eignet sich die Kreisstraße BGL 6 nur für den örtlichen Ziel- und Quellverkehr, »allerdings ist eine internationale Fernverbindung dort Fehl am Platz«.
Neue Route erwünscht
Die Behörden sind in dieser Hinsicht tätig geworden: An der B 305 wurde ein Schild aufgestellt, das zur Autobahn leitet. Nach Angaben des Landratsamtes ist ein Schild mit »No GPS« in Deutschland nicht zulässig, da dieses Verkehrszeichen nicht in dem amtlichen Verkehrszeichenkatalog enthalten ist. Auf österrischer Seite dagegen schon. An der Zillstraße wurde auch dieses Schild mit dem Zusatz »No Trucks« angebracht. »Doch der Glaube an das Navi ist in der Praxis leider meist stärker.«
Weidl fordert, dass die Behörden auf die GPS-Betreiberfirmen einwirken müssen. Im Idealfall sollte das Navi eine andere Route angeben. Da es sich um ein grenzüberschreitendes Problem handelt, kontaktierte er Oliver Längauer, zuständig für die Rechtsabteilung in der Stadtgemeinde Hallein. Längauer sprach trotz stetiger Bemühungen von einem »Kampf gegen Windmühlen«. Zumindest durch Initiative des Landratsamtes wurde bei den Navi-Betreibern erreicht, »dass die Straßen eine Fahrzeugklasse niedriger eingestuft wurden und somit nicht mehr alle Fahrzeuge durch die Navis über die Kreisstraße nach Österreich geleitet werden«. Wer allerdings in seinen Navi-Einstellungen die kürzeste Fahrtroute eingibt, wird trotzdem dort entlang geleitet. Die Tonnagebeschränkungen werden in den Navis laut Betreiber angezeigt.
Langwieriger Kampf
Die Anwohner sind inzwischen erschöpft. Immerhin reicht der Konflikt in die 90er-Jahre zurück. Damals machte sich Max Köppl für ein angemessenes Tempolimit stark. In Bürgerversammlungen richtete er mehrere mündliche Anträge an den damaligen Landrat Martin Seidl. Erfolglos. Köppl initiierte auch Unterschriftenlisten, die im Gemeinderat behandelt wurden. Dabei kam auch nichts heraus. Es folgten mehrere Verkehrsschauen mit Sachbearbeitern des Landratsamtes, der Polizeiinspektion Bad Reichenhall. Bis dahin gab es kaum Fortschritte.
Aufgeben will Max Köppl aber auch heute nicht, Reinhard Weidl ebenso nicht. »Der Reiseverkehr bleibt ein Problem.«
Patrick Vietze