Bereits die nackten Zahlen sind beeindruckend. 108 Einsätze verzeichnet die Bergwacht Ramsau für das Jahr 2022. Das ist einer mehr als im Vorjahr. Der Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre steigt damit auf 100,5 Einsätze pro Jahr.
Haupteinsatzgebiet war wieder der Watzmann mit 33 Prozent aller Einsätze, während es am Hochkaltermassiv noch 26 Prozent waren.
70 Mal gab es Unterstützung durch Hubschrauber (2021: 67 Einsätze). Gerade im Zusammenhang mit dem langwierigen Sucheinsatz am Hochkalter lässt sich hier nicht von einem messbaren Anstieg sprechen.
15 Personen konnten unverletzt gerettet werden. 79 Mal versorgte die Bergwacht verletzte oder erkrankte Personen, sechs Mal kam jede Hilfe zu spät. Im Jahr 2021 war etwa die Hälfte der geretteten Personen unverletzt. 2022 waren es nur noch 15 Prozent, jedoch stieg die Zahl der Verletzten auf 75 Prozent entsprechend stark an.
Für die Abwicklung aller Einsätze stehen gut 3000 Stunden zu Buche und damit, bei vergleichbaren Einsatzzahlen, lediglich 60 Stunden mehr als im Vorjahr, berichtet die Bereitschaftsleitung mit Thomas Meeß, Markus Gröll und Christian Datzmann. Durchschnittlich waren acht Retter an der Abwicklung eines Einsatzes beteiligt.
Schwierige Einsätze
Wieder mussten die Ramsauer einige schwierige Situationen bewältigen. Das Jahr startete bereits heftig mit dem Lawinenabgang im Hocheiskar Ende Januar, als ein 39-jähriger Skibergsteiger aus dem Großraum München ums Leben kam. Nur wenige Tage später verunglückte ein 61-jähriger Tourengeher aus der Stadt Salzburg bei einem gewaltigen Lawinenabgang von der Südwestseite des Steintalhörndls im Hochkalter-Gebiet ebenfalls tödlich.
Ohne Frage der schwierigste, langwierigste und forderndste Einsatz war der Sucheinsatz am Hochkalter. Am 17. September war ein junger Mann aus Niedersachsen allein zum Gipfel aufgebrochen. Er war mit dem Zug angereist und trotz anhaltendem Niederschlag und kalten Temperaturen zu seiner hochalpinen Tour aufgebrochen. Er stieg über die Blaueishütte und den Schönen Fleck zum Grat auf und rutschte an einer unbekannten Stelle in die Hochkalter-Westwand ab. Es folgte eine riesige Suchaktion, über die die Ramsauer Bergwacht in ihrer fast 30-seitigen Jahresbilanz ausführlich berichtet.
Das Ende war tragisch: Am 13. Oktober entdeckte ein Salzburger Polizeihubschrauber den vermissten 24-Jährigen in 2250 Metern Höhe. Es wird angenommen, dass der junge Mann versucht hatte, sich sitzend oder liegend die Wand nach unten zu arbeiten um Höhe abzubauen. Bei diesem Versuch erfror er, wenige Meter vor den senkrechten Abstürzen ins Ofental.
Digitalisierung geht voran
Wie in vielen anderen Bereichen hat die Corona-Pandemie auch bei der Bergwacht die Digitalisierung vorangebracht. Nachdem über Monate keine Ausbildungen und Versammlungen möglich waren, war die Nachfrage nach einer Möglichkeit für Videokonferenzen groß. Ebenso wurde die digitale Erreichbarkeit und Präsenz ausgebaut: Die Bereitschaft ist über die E-Mail-Adresse info@bergwacht-ramsau.de erreichbar, außerdem wurde die Homepage www.bergwacht-ramsau.de an den Start gebracht. Dort ist auch die Jahresbilanz zum Download bereit gestellt. Außerdem wurden die Hilfestellungen für die Einsatzleiter verbessert, unter anderem mit einem eigenen Wetterlage-Tool (wir berichteten), an dem auch schon die Bergwacht Bayern Interesse signalisiert hat.
Größtes Projekt für heuer wird die digitale Einsatzdokumentation sein. Zuständig sind für diesen Bereich Andreas Punz und Michael Renner, denen die Arbeit so schnell nicht ausgehen wird: »Es bleibt also spannend und die Digitalisierung in der Bergrettung bietet großes Potenzial.«
Ausrüstung ist teuer
Auf Spenden angewiesen sind die ehrenamtlichen Bergwachtler bei der Beschaffung ihrer Ausrüstung. »Gerade der äußerst aufwendige Einsatz am Hochkalter, bei widrigsten Witterungsbedingungen, über mehrere Tage, hat uns erneut gezeigt, dass alle Bergwachtmänner und -frauen die im Gelände unterwegs sind, beste Schutzausrüstung und Wärmebekleidung benötigen. Kompromisse, aus welchen Gründen auch immer, können wir hier nicht eingehen«, sagt der für die Finanzen der Bereitschaft zuständige Josef Niedermayer jun. Die diesjährigen Einnahmen setzen sich aus Spenden, Fördergeldern, Bußgeldern und Benutzungsentgelten der absolvierten Einsätze zusammen. Die Kosten pro Einsatz sind nach Aufwand gestaffelt und werden über eine Pauschale abgerechnet, die durch die Bergwacht Bayern festgelegt ist. Zumindest war es mit Unterstützung eines französischen Bekleidungsherstellers möglich, Einsatzbekleidung zu Sonderkonditionen zu beschaffen. Allerdings haben die Ramsauer eine riesige Investition vor der Brust, der 30 Jahre alte »Pinzgauer« muss generalüberholt werden (siehe Kasten).
Ausbildung ist sehr zeitaufwändig
Sehr viel Zeit und Einsatz verlangt auch das Ausbildungswesen allen ab, das in den Händen von Lukas Wurm und Benedikt Datzmann liegt. Dabei mussten aufgrund eines bayernweit eingeführten Luftrettungskonzepts schwierige Entscheidungen getroffen werden, denn aufgrund dieser Vorgaben und limitierter Plätze können künftig nur noch 17 der bisher 33 Ramsauer als Luftretter tätig sein. Grund für die Einführung dieser Maßnahme ein besseres, noch praxisnäheres Training der Spezialrettungsverfahren.
Kompromisse waren deswegen im Bergwacht-Team nötig, für die Datzmann und Wurm sehr dankbar sind. Aber auch für die Bereitschaftsleitung sind große Herausforderungen dadurch entstanden: »Wie beplant man einen Dienstplan mit circa 50 Prozent weniger Luftrettern, um bei diesem hohen Einsatzgeschehen in unserem alpinen Gelände noch eine optimale Patientenversorgung sicherstellen zu können? Erfreulicheres gibt es von der Anwärterausbildung zu berichten: drei neue Einsatzkräfte konnten so gewonnen werden. Drei Jahre haben Anna Angerer, Benedikt Gschoßmann und Kathrin Hasenknopf investiert und verstärken nun das Team.
Neuerungen bei der Notfallmedizin
Einiges getan hat sich bei der Notfallmedizin, für die Andreas Punz verantwortlich zeichnet. So wurde die Standardisierung der entsprechenden Ausrüstung vorangetrieben, aber auch im theoretischen Bereich gab es einige Neuerungen und auch die drei Anwärter wurden auf ihre Prüfung vorbereitet. »Das neue gelernte und geübte Wissen und auch unsere neue Ausrüstung mussten wir während des Jahres in einer Vielzahl an Einsätzen anwenden«, resümiert Punz für sein Ressort.
2023 bringt einige Veränderungen
Der Ausblick der Bereitschaftsleitung bringt für heuer eine Erleichterung für die Einsatzkräfte: Durch den Neubau des Feuerwehrgebäudes und des Bauhofs der Gemeinde entsteht eine freie Garage neben der Bergrettungswache. Diese zusätzliche Fläche soll als Erweiterung des Materiallagers genutzt werden. Ziel ist es, den Bergwachtmännern und -frauen endlich einen persönlichen Platz zur Aufbewahrung ihrer Einsatzbekleidung und von Material zur Verfügung stellen zu können.
Und die Bereitschaftsleitung weiß dabei auch, dass die Bergretter selber einige Hilfe von vielen Seiten erfahren: »Wir wollen uns ganz herzlich bei allen bedanken, die die Bergwacht Ramsau im vergangenen Jahr unterstützt haben. Unser Dank gilt besonders unseren Bergwachtmännern und -frauen sowie deren Familien, die durch ihr ehrenamtliches Engagement wieder vielen Menschen in Not helfen konnten.«
Thomas Jander