Bildtext einblenden
Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber und Landrat Bernhard Kern haben fünf Frauen und Männer für ihre Arbeit als Senner ausgezeichnet (v. l.): Katharina Grill hat nun schon ihren 15. Almsommer auf der Kallbrunnalm verbracht. Oskar Wallner zehn Sommer auf der Lattenbergalm. Monika Sachenbacher (Schwarzbach- und Anthauptenalm), Anna Helminger (Mordaualm) und Johannes Ganslmaier (Kallbrunnalm) sind jeweils fünf Sommer auf der Alm gewesen.

Bezirksalmbauer: »Wolf als Untergang der Almwirtschaft«

Schönau am Königssee – Der Wolf war bestimmendes Thema beim großen Almbauernjahrtag am Sonntag im Gasthaus »Unterstein« in Schönau am Königssee. Seit nunmehr 75 Jahren findet dieser im südlichen Landkreis statt. Premiere in offizieller Funktion hatte dort heuer Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, die den Bauern Rückendeckung versprach. Bezirksalmbauer Kaspar Stanggassinger sagte: »Wenn der Schutzstatus des Wolfes nicht fällt, bedeutet das den Untergang der Almwirtschaft.«


Trägt der Wolf Schuld, dass die Almbauern ihre Rinder im Tal gelassen haben? Diese Vermutung äußerte Alfons Osenstätter vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein (AELF). Lediglich 1 759 Rinder seien dieses Jahr im Berchtesgadener Land aufgetrieben worden, rund 120 weniger als im vergangenen Jahr. Die Gründe? »Kenne ich nicht«, sagte Alfons Osenstätter. Allerdings würden die Tiere oben am Berg gebraucht. »Ich hoffe nicht, dass das etwas mit dem Wolf zu tun hat«, so der besorgte AELF-Mitarbeiter. Neben 266 Milchkühen haben auch 230 Schafe und Ziegen sowie neun Pferde den Almsommer in alpinen Regionen verbracht. 17 Todesfälle gab es insgesamt, sieben Tiere seien abgestürzt. Der Wolf sei an keinem der Ableben beteiligt gewesen.

»Großräumige Weideschutzzonen«

Staatsministerin Michaela Kaniber untermauerte die schon seit Monaten immer wieder geäußerte Forderung, den Schutzstatus des Wolfes auf EU-Ebene abzusenken. Sie kündigte »großräumige Weideschutzzonen« an und sagte: »Wenn der Wolf mal da ist, müssen wir ihn schneller entnehmen oder schießen können.« Erst kürzlich war in Schneizlreuth im Berchtesgadener Land ein Weidetierriss durch einen Wolf bestätigt worden (wir berichteten). Das Landesamt für Umwelt (LfU) hatte eine DNA-Probe als eindeutig ausgewiesen.

Bildtext einblenden
Bezirksalmbauer Kaspar Stanggassinger fürchtet den Untergang der Almwirtschaft.

Die Landwirtschaftsministerin suche in der Alpenregion den Schulterschluss zu Nachbarstaaten – auf bayerischer Ebene. Nach ihr habe der Wolf in Europa mittlerweile einen Populationsstatus erreicht, sodass das Raubtier »nicht mehr auf der Roten Liste stehen müsste«. Einem Vorstoß aus Österreich, der von 16 EU-Staaten mitgetragen worden war, schloss sich Deutschland auf Bundesebene nicht an.

Herdenschutzhunde und Schutzzäune seien nicht das Allheilmittel, als das sie angepriesen werden, sagte Bezirksalmbauer Kaspar Stanggassinger. Michaela Kaniber hatte ausrechnen lassen, wie viel Zaun man in der Alpenregion bräuchte: 47 400 Kilometer – mehr als einmal um den Erdball. Die Kosten dafür: eine halbe Milliarde Euro. Gelächter unter den Almbauern, die ihre Weidetiere in Gefahr sehen. »Die Almleute werden zu Sklaven unserer Bürokraten«, schimpfte der Bezirksalmbauer und machte deutlich, dass der »bürokratische Wahnsinn« gerade bei Almbauern keinen Halt mache, die sich für die Pflege der Kulturlandschaft, dem »prägenden Element der Berchtesgadener Alpen«, verantwortlich zeichnen.

Michaela Kaniber sagte, sie sei dieses Jahr während des Sommerurlaubes bewusst nicht weggefahren: »Ich wollte unsere Almen besuchen und mit den Menschen sprechen.« Dort am Berg sei sie von keinem »geschimpft worden«. Nicht alle der 300 Anwesenden wollten das glauben und bekundeten die Aussage mit verhaltenem Lachen.

Bildtext einblenden
Rund 300 Leute beim 75. Almbauernjahrtag im Gasthaus »Unterstein«. (Fotos: Kilian Pfeiffer)

Landrat Bernhard Kern, sprach sich zur Wichtigkeit der Arbeit der Almbauern aus: »Bewirtschaftung und Pflege ist notwendig und kommt auch der Attraktivität der Landschaft für Touristen zugute.« Die Zeiten seien »alles andere als rosig«, wusste Bürgermeister Hannes Rasp von Schönau am Königssee zu berichten: »Dem Wolf zuzuschauen, wie er näher zu den Häusern kommt, das können wir nicht tun«, sagte er. Seine Haltung ist deutlich: Auch ohne Zäune und Herdenschutzhunde müssten Weidetiere auf den Almen den Sommer über bleiben können. »Wenn Wölfe, oder auch Hunde, unseren Viechern schaden, müssen wir uns endlich wehren können«, sagte Josef Glatz, Vorsitzender des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern (AVO), und wetterte: »Wer den Wolf sehen will, soll in den Tierpark gehen.« Bauern hätten gelernt, mit der Natur zu leben. Einschränkungen und Bevormundungen von außen brauche da keiner, vor allem nicht die Jungen, die sich künftig um die Almwirtschaft kümmern werden. »Gebt uns endlich wieder mehr Freiheiten«, forderte Josef Glatz. »Nur wenn es den Viechern gut geht, geben sie gute Milch und Fleisch.«

»Kuh bestand ist zurückgegangen«

Bezirksalmbauer Kaspar Stanggassinger bedauerte den Rückgang von landwirtschaftlichen Betrieben. »Wenn wir auf die vergangenen 75 Jahre zurückblicken, ist viel passiert.« Insgesamt sind laut Kasper Sanggassinger 250 Almen verschwunden, »der Kuhbestand ist zurückgegangen, für die Molkerei wird es nicht einfacher, unsere Milch zu holen«.

Bildtext einblenden
Landwirtschaftsministerin Michaela Kanibar verspricht Unterstützung.

Die Bürokratie werde mehr, das belastet die Almbauern. »Ich kann euch nicht versprechen, dass der bürokratische Aufwand abnimmt«, sagte Michaela Kaniber. Sie habe auch gute Nachrichten mitgebracht: »Die Sommertierhaltung ist finanziell besser gestellt, für Junglandwirte haben wir die Prämien verdreifacht.« Bewirtschaftete Almen sollen künftig finanziell besser ausgestattet werden, »unabhängig ob erschlossen oder nicht«.

Die meisten Bergbauernbetriebe dürften, laut Kaniber, von der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und dem Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) profitieren. »Viele Zuschläge und Förderungen wurden erhöht.«

Kilian Pfeiffer