Wer mit der Hand in Erde gräbt, macht sich die Finger schmutzig, heißt es. Darüber kann Sabine Köppl nur schmunzeln. »Wenn es so ist, dann liebe ich Dreck«, sagt sie. Als Kind grub sie gern in der Erde, mit sechs Jahren machte sie das erste Mal Bekanntschaft mit einem Stückchen Tonerde. Das natürliche Produkt kommt in ihrer kleinen Werkstatt am Hanauerstein in Schönau am Königssee fast täglich zum Einsatz. Es ist der Inbegriff jener künstlerischen Tätigkeit, bei der der Kopf frei wird, wie sie sagt.
Sabine Köppl ist 39 Jahre alt und Mutter zweier Kinder. Die Zeit, die sie hat, ist überschaubar. Die gelernte kaufmännische Angestellte hat mehrere Jahre im Gesundheitswesen gearbeitet. Das Töpfern war lange Zeit nur Hobby nebenbei. Vor zehn Jahren wagte sie einen großen Schritt, nahm Geld in die Hand und schaffte sich einen eigenen elektrischen Brennofen an, um ihre ganz eigene Keramik herzustellen, die nicht nur viele Bereiche ihrer Werkstatt ziert, sondern auch den hauseigenen Garten schmücken.
Sabine Köppl ist Teil des Künstlerkollektivs »Frei:Händig«, bestehend aus Kunsthandwerkern, Kreativen und Kulturschaffenden, das sich in den vergangenen Monaten im Berchtesgadener Talkessel gegründet hat und auf einem vernetzenden Gedanken basiert, um besser sichtbar zu sein: das Handwerk lebt, »in diesen Zeiten gewinnt es an Bedeutung«, sagt Sabine Köppl. Neben ihrem Arbeitsplatz liegen die Leichen. Nichts, was mal gelebt hätte: »Leichen sind misslungene Versuche«, erklärt die Keramikkünstlerin und lacht dabei. Leichen produziert sie auch heute noch, zwar deutlich weniger als früher.
Aber der Weg zum fertigen Produkt ist nicht immer ein Spaziergang: Fehlversuche gehören bei der Arbeit mit der Drehscheibe dazu. Für ihr Hobby hat sie im eigenen Haus zwei Räume bezogen. In der Werkstatt im Erdgeschoss stehen die beiden Drehscheiben, umrahmt von Regalen und Werkbank, auf denen aus Tonblöcken schöne Formen werden.
Im Keller wartet der Brennofen und all die vielen Glasuren, mit denen die Kunst schließlich vollendet wird. Medaillon-förmige, glasierte Scheiben zeigen das Ergebnis nach mehreren Glasuren und wie sich die Farbtöne an der fertigen Keramik präsentieren.
Sabine Köppl bezeichnet sich selbst als Autodidaktin. Sie hat sich ihr Tun selbst angeeignet, hat im Laufe der Jahre viele Fortbildungen besucht, war bei Vorträgen von Keramikkünstlern, saß unter Anleitung an Drehscheiben, lernte Tricks und Kniffe, wie die eigenen Hände aus einem leblosen Tonblock kunstvolle Objekte mit optischem Eigenleben schaffen können.
Im Laufe der Jahre hat sie sich ihr Wissen angeeignet und hält mittlerweile Kurse an der Volkshochschule und plant zudem, das Handwerk an der Drehscheibe zu lehren.
Sabine Köppl sagt: »Wir müssen dahin zurückkehren, dass man lieber eine Lieblingstasse hat, als sich alle paar Jahre ein neues Geschirr-Service zu kaufen.« Weg von der Wegwerf-Philosophie, fordert sie. Mit so wenigen Ressourcen auszukommen wie möglich sei das Ziel. Die Herstellung von Keramik, die Brennvorgänge des zu bearbeitenden Steinzeugtons, ist energieintensiv. Deshalb brennt sie so selten wie möglich, nur dann, wenn der Brennofen voll ist.
Die Drehscheibe in der Mitte ihrer Werkstatt surrt. Die Scheibe, auf der gleich der Tonklumpen zu einer bauchigen Gartenkugel geformt werden soll, bewegt sich in gleichmäßiger Rotation mit mehreren hundert Umdrehungen pro Minute. »Es ist nicht einfach, das Objekt im Zentrum zu halten.« Mit ihrem Körper beugt sie sich über die Scheibe, hält die Arme am Körper fixiert. »Das Drehen muss man fühlen«, weiß Sabine Köppl.
Vor einem halben Jahrhundert wurden Töpferscheiben mehrheitlich noch mit dem Fuß in Bewegung versetzt. Die Zeiten haben sich gewandelt.
Die 39-Jährige platziert den Klumpen auf der Mitte der Scheibe. Das Zentrieren erfordert ein bisschen Zeit, bildet aber die Grundlage der weiteren Fertigung ihres Werkstücks.
Bei rotierender Scheibe beginnt sie, mit ihren Fingern im Zentrum eine Vertiefung in die Tonmasse zu drücken. Nach und nach entsteht ein erhöhter Rand. »Ich breche zuerst auf, ziehe die Wand vorsichtig hoch, um sie im letzten Arbeitsschritt durch Druck wieder in Richtung Zentrum zu verjüngen«, sagt sie. Sabine Köppl konzentriert sich: Zu viel Druck könnte das Objekt beim Hochziehen beschädigen. Die nächste Leiche wäre gewiss. Mit geübten Griffen fasst sie über den Rand, erzeugt Druck mit den Fingerkuppen auf die Gefäßwand. Immer wieder wässert sie nach, damit die Masse formbar bleibt. Nach und nach formt sich der gewünschte Körper nach oben hin. Später wird dieser mal im Freilichtmuseum in Großgmain, in Salzburgs größtem Museum, bei einem Gartentag gezeigt werden. Mit einem Hilfswerkzeug nimmt sie Masse von der Unterseite, um schließlich die Kugelform zu erhalten.
Die Gartenkugel muss erst einmal trocknen, um lederhart zu werden und sich nicht mehr verformen zu lassen. Ehe gebrannt wird, muss das Werkstück »knochentrocken« sein, sagt sie. Ton wird erst durch den Brand, durch enorme Hitzeeinwirkung, halt- und brauchbar. Keramische Objekte durchlaufen grundsätzlich zwei Brand-Durchgänge.
Der Rohbrand bei rund 950 Grad Celsius macht aus einem fragilen Objekt einen harten, zudem wasserbeständigen Scherben. Einmal gebrannt, lässt er sich nicht mehr aus der Form bringen. Der Scherben kann nun mit Glasur überzogen und ein zweites Mal mit höheren Temperaturen gebrannt werden, weiß die Keramikkünstlerin. »1 220 Grad Celsius«, sagt sie.
Danach ist das Objekt vollständig wasserundurchlässig. Das Ergebnis ist ein glatter, glasharter Überzug. Selbst gestaltet, selbst geformt, selbst gebrannt – die persönliche Wertschätzung gegenüber dem Werkstück ist bei Sabine Köppl groß.
Das Kunsthandwerk habe Zukunft, sagt die Künstlerin. Gemeinsam mit dem Künstlerkollektiv planen Berchtesgadens Kreative noch dieses Jahr einen großen Kunsthandwerkermarkt, bei dem sich Interessierte ein eigenes Bild vom Schaffen machen können.
Kilian Pfeiffer