Seit 1957 dient der Schapbachhof dem Landkreis Schwäbisch Hall als Freizeitheim. Der Landkreis betreibt die Anlage aus fünf Gebäuden aber nicht selbst, sondern vergibt den Betrieb an einen Pächter. In den letzten 14 Jahren hatte Andrea Löffler den Schapbachhof gepachtet, vermietete die Zimmer und Ferienwohnungen an Schulklassen, Vereine und Private. Viel Energie steckte die heute 53-Jährige in die Anlage inclusive riesigem Wiesen- und Waldgelände. Nur weil sich neben einigen Angestellten auch der Vater, die Mutter, der Sohn und die Schwägerin stark engagierten, konnte der Betrieb am Laufen gehalten werden.
Andrea Löffler war eine Herbergsmutter, wie sie im Buche steht. Sie kümmerte sich nicht nur um Gebäude und Grundstück, sondern ihr lag immer auch das persönliche Wohl der Kinder am Herzen. »Die Kinder sollten hier sehen, fühlen und schmecken. Viele sind das ja von zuhause her gar nicht gewohnt«, sagt die Schönauerin. So zeigte sie den Schülerinnen und Schülern die heimische Natur, nahm sie mit auf Wanderungen oder setzte sich abends zu ihnen ans Lagerfeuer.
Alles lief also bestens, bis es im Frühling 2021 – einem Jahr nach dem Beginn der Corona-Pandemie – zwischen dem Landkreis Schwäbisch Hall und Andrea Löffler erstmals knirschte. Das war die Zeit, als der Schönauerin wegen der stornierten Klassenfahrten über einen langen Zeitraum hinweg der allergrößte Teil der Einnahmen wegbrach. Da fragte sie per E-Mail beim Landkreis Schwäbisch Hall an, ob man die Pachtzahlungen vielleicht für eine gewisse Zeit aussetzen könne. Eine Antwort bekam sie nach eigenen Aussagen darauf nie. Allerdings reagierte man in der Finanzverwaltung des dortigen Landratsamtes wenig später dünnhäutig, nachdem ein Lokaljournalist dort nachgefragt hatte, ob man sich denn eine finanzielle Unterstützung der Pächterin vorstellen könne. »Dabei hatte ich dem Journalisten auf seine Anfrage hin nur meine aktuelle Situation geschildert«, sagt die 53-Jährige.
So kämpfte sich Andrea Löffler also auch durch das zweite Pandemiejahr, konnte wenigstens einen Teil der Räumlichkeiten noch mit Ferienwohnungsgästen, Sommerfreizeiten und einer Arbeitsgruppe der Bundespolizei auf Kühroint belegen. Dennoch schlugen am Ende der beiden Pandemiejahre jährlich nur noch rund 3.700 Übernachtungen zu Buche. In den Jahren davor waren es noch zwischen 10.000 und 11.000.
Anfang März letzten Jahres hörte Andrea Löffler dann erstmals von den Plänen des Landkreises Schwäbisch Hall, im Schapbachhof ukrainische Flüchtlinge unterzubringen. Eine entsprechende Anfrage durch Werner Schmidt, Leiter des Amtes für Gebäudemanagement, lehnte die Schönauerin ab, weil sie zum einen unmittelbar vor einer Augenoperation stand und andererseits ihr Haus von Mai bis Oktober bereits ausgebucht war.
Etwas später nahm dann das Landratsamt Berchtesgadener Land Kontakt mit Andrea Löffler auf. Man wollte den Schapbachhof als eine Art »Auffanglager« nutzen, um die ukrainischen Familien später in andere Unterkünfte zu verteilen. »Bis Ende April hätte ich dem Landratsamt eine Aufnahme zusagen können, es war auch soweit alles besprochen«, sagt Andrea Löffler. Weil es zu dieser Zeit aber schon gewisse Spannungen mit dem Landratsamt Schwäbisch Hall gab, wollte sich die Schönauerin auf Anraten ihres Anwalts von der Behörde bestätigten lassen, dass sie im Schapbachhof Flüchtlinge aufnehmen darf.
Doch diese Zustimmung gab es nicht. In der Begründung hieß es, dass man diese »Untervermietung« ablehne, weil damit eine »Mehrabnutzung« der Anlage verbunden wäre. Stattdessen bot das Landratsamt Schwäbisch Hall der Schönauerin einen sogenannten »Auflösungsvertrag« an, mit dem das Pachtverhältnis sofort beendigt worden wäre. »Sie wollten mich halt einfach los werden«, ist Andrea Löffler überzeugt. Wenig später hielt sie dann auch fristgerecht die Kündigung des Pachtvertrags zum 31. Oktober in Händen. Begründet wurde die vor allem mit den negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie, den zusätzlichen Herausforderungen aufgrund der Ukrainekrise und den Verkaufsplänen.

Andrea Löffler hält vor allem die Verkaufspläne für den entscheidenden Punkt, warum so mit ihr umgegangen wurde. Tatsächlich hatte sich der Kreisausschuss von Schwäbisch Hall kürzlich mit dem Thema befasst. Landrat Gerhard Bauer hatte den Betrieb des Freizeitheims als ein »Zuschussgeschäft« bezeichnet, die Belegungszahlen seien schlecht und es bestehe Investitionsbedarf in Höhe von rund 5,8 Millionen Euro. Deshalb stehen die Zeichen auf Verkauf. Laut Wertgutachten würde das rund 4,1 Millionen Euro in die Kassen des Landkreises Schwäbisch Hall spülen. Das Interesse von Investoren steige aber, sagte Landrat Bauer damals im Kreisausschuss, wenn die Gemeinde Schönau am Königssee Planungsrecht für eine erweiterte bauliche Nutzung wie beispielsweise ein Hotel oder Wohnungen schaffe. »Um sich gut in Position zu bringen, hat man hier erst einmal einen Vertrag mit dem Landratsamt Berchtesgadener Land zur Unterbringung von Flüchtlingen angestrebt«, vermutet Andrea Löffler. Der kam, wie kürzlich berichtet, aber nach Interventionen der Gemeinde Schönau am Königssee nicht zustande. Stattdessen will die Regierung von Oberbayern nun in direkten Verhandlungen mit dem Landkreis Schwäbisch Hall dort afghanische Ortskräfte der Bundeswehr unterbringen.
Dass der Landkreis Schwäbisch Hall im Zusammenhang mit dem Schapbachhof regelmäßig von »Zuschussgeschäft« und »schlechter Belegung« spricht, ärgert Andrea Löffler. Es ist zwar richtig, dass die Übernachtungszahlen von früher 11 000 bis 16 000 auf rund 10 000 bis 11 000 vor der Corona-Pandemie zurückgegangen sind. »Aber da sind die Klassen auch noch zwölf Tage geblieben«, sagt die Schönauerin. Heute dauern Schullandheimaufenthalte zumeist nur noch von Montag bis Freitag, bei Grundschulen sogar noch kürzer. »Und dann kann es dem Landkreis Schwäbisch Hall ja auch völlig egal sein, denn ich habe ja immer dieselbe Pacht bezahlt«, betont die 53-Jährige.
Seit 1. November ist für Andrea Löffler der Lebensabschnitt Schapbachhof zwar eigentlich Vergangenheit, doch die Ereignisse der letzten Monate wirken nach. Denn die Schönauerin will dieser Tage über ihren Anwalt Klage gegen den Landkreis Schwäbisch Hall einreichen. Es geht darum nicht um die Kündigung des Pachtvertrags, sondern um den nach ihrer Ansicht vom Landkreis verschuldeten Einnahmeausfall in ihrer letzten Saison. So habe der Landkreis zwei bereits gebuchte Tagungen und eine Jugendfreizeit im Schapbachhof abgesagt. Und den Schulen wäre mitgeteilt worden, dass der Schapbachhof nicht mehr für Ferienaufenthalte zur Verfügung stehe. Andrea Löffler ist überzeugt: »Man hat mir die Einnahmen nicht mehr vergönnt.«
Ulli Kastner