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Experte für Wildbäche: Christian Schieder vom Wasserwirtschaftsamt Traunstein am Klingerbach. Zur Zeit fließt dort nur wenig Wasser herunter. (Foto: Kilian Pfeiffer)

Startschuss für die Generalplanung

Schönau am Königssee – Ein 2 D-Modell soll es am Ende darlegen: Mit welcher Verbauung, mit welchen Maßnahmen kann die Kunsteisbahn am Königssee in Zukunft bestmöglich geschützt werden? »Wir brauchen eine ganzheitliche Betrachtung des Umfelds«, sagt Christian Schieder vom Wasserwirtschaftsamt Traunstein (WWA). Als Sachgebietsleiter für Wildbäche hat er den bestmöglichen Überblick. Doch mit Wertungen zu dem zum Politikum gewordenen Großprojekt hält sich das WWA zurück. Die fachlichen Erhebungen liegen in der Hand eines Generalplaners.


Probebetrieb im Januar

Vergangenen Freitag fand die Abstimmung über die Ausschreibungsunterlagen statt. Das bedeutet: Die Ausschreibung, die Suche nach einem Generalplaner, startet so bald wie möglich. Weil EU-weit ausgeschrieben wird, kann sich das Verfahren hinauszögern. Bis dann alles vermessen, inspiziert, per Simulation berechnet wurde, und am Ende feststeht, was die Bahn und deren Objektschutz kosten sollen, werden weitere Monate vergehen. Der Bob- und Schlittenverband für Deutschland möchte noch dieses Jahr auf dem heil gebliebenen unteren Bob- und Rodelbahn-Bereich Trainings abhalten.

Im Januar hatte dort bereits ein Probebetrieb stattgefunden. Als Wildbach-Spezialist war Schieder relativ kurz nach dem Unglück im Juli an der Bahn vor Ort, um sich selbst ein Bild zu machen von der Naturkatastrophe, die dem Bob- und Rodelsport die Grundlage zum Training nahm. Eine trockene Runse hinter der Bahn war abgegangen und hatte sich mit dem stark wasserführenden Wildbach in eine Geröll und Feststoff führende Flut verwandelt. Eine Brücke im oberen Teil der Bahn verklauste dabei. Ab diesem Zeitpunkt war die Katastrophe perfekt, weiß Schieder. Rund 3 000 Kubikmeter Material, schätzt er, seien vom Berg gekommen. Die Flussmeisterstelle Piding hat mittlerweile das Flussbett saniert, Geröllmaterial entfernt.

Das Wasserwirtschaftsamt ist nur fachlich beratend tätig bei der Planung. Dort sitzen zwar die Experten. Der Landkreis Berchtesgadener Land ist aber Eigentümer der Bahn. Die personellen Kapazitäten des Wasserwirtschaftsamtes sind zudem überschaubar. Die Verantwortung über einen möglichen Wiederaufbau liegt in den Händen des Landkreises. Der beauftragte Generalplaner wiederum erhebt die Grundlagen. Das sei kompliziert, sagt Christian Schieder. Jedes Detail muss bedacht, Antworten gefunden werden auf Fragen, wie groß etwa das Einzugsgebiet des Klingerbachs mit den umliegenden Bergen ist. Nicht nur vom Grünstein fließt das Wasser in Richtung Tal.

Das steile Gelände muss begangenen werden, Drohnen können zum Einsatz kommen. Erhebungen sollen feststellen, wie viel Erdmaterial in der Theorie bei einem nächsten Starkregenereignis ins Tal abgehen könnte. Der Wildbachquerschnitt, das Gefälle, die Fließgeschwindigkeit des Klingerbachs bei einem Jahrhundertereignis: All diese Zahlen fließen wiederum in ein Computer-gestütztes 2 D-Modell ein, das mehrere Szenarien berechnet.

Von den Berechnungen hängt wiederum der künftige Objektschutz ab. Es werden also mehrere Varianten überprüft werden, am Ende wird sich der Landkreis nach der Generalplanung für eine Vorzugsvariante entscheiden, die schließlich auch öffentlich vorgestellt werden soll.

Keine Verschlechterung

Während sich so mancher Experte bereits kurz nach der Naturkatastrophe zur Nennung konkreter Zahlen hinreißen ließ, zwölf Meter hohe Mauern ins Spiel brachte und sich ganz sicher war, dass auf dem Berg weitere 10 000 Kubikmeter Lockermaterial warteten, bleibt Christian Schieder vorsichtig. Erst muss alles geprüft werden. Und außerdem: Über den Objektschutz entscheiden andere, wie er mitteilt. Was der Bauingenieur aber sagen kann: »Für die Anlieger und Nachbarn der Kunsteisbahn darf es keine Verschlechterung geben.« Heißt: Nach einem möglichen Teilneubau der Bahn darf niemand schlechter gestellt und einem größeren Risiko ausgesetzt sein als zuvor.

Die zu berechnenden 2 D-Simulationen seien komplex, sagt Schieder. Viele Faktoren fließen darin ein. Nicht nur ein HQ100, ein 100-jährliches Hochwasser, muss der Klingerbach vertragen können, auch die Auswirkungen des Klimawandels werden berücksichtigt. »Plus 15 Prozent Klimazuschlag«, sagt Christian Schieder. Berechnet werden zudem sogenannte Überlastfälle, Extremereignisse, die denkbar sind und die deutlich stärker ausfallen könnten als ein HQ100. Allein die Planungen werden mit einem siebenstelligen Betrag beziffert, wie aus einem Landkreispapier hervorgeht. Insgesamt stehen 53,5 Millionen Euro für den Wiederaufbau der Kunsteisbahn zur Verfügung.

Christian Schieder sagt: »Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um sich vor den Gefahren, die jeder Wildbach und dessen Einzugsgebiete mit sich bringen, abzusichern.« Große Auffangbecken gibt es anderswo bereits, eine Umleitung des Flussbettes ist möglich. Auch das Einzugsgebiet an den umliegenden Berghängen könnte so abgesichert werden, dass kein Geröll mehr runterkommt. In der Theorie ist vieles möglich. Allerdings ist das mit großem finanziellen Einsatz verbunden. Je mehr gesichert wird, umso teurer wird es.

»Für den Klingerbach muss eine bestmögliche individuelle Lösung gefunden werden«, ist sich Schieder sicher. Klar ist aber auch: Naturgewalten sind unberechenbar. Einen 100-Prozent-Schutz wird es weder an der Bob- und Rodelbahn noch anderswo geben.

Kilian Pfeiffer