Tatsächlich grassiert das Virus mehr, als es die offiziellen Zahlen aussagen. Das geht aus dem Abwassermonitoring hervor, wie das Landratsamt auf Nachfrage bestätigte. Die offizielle Inzidenz liegt für den Landkreis laut Robert-Koch-Institut bei 267 und damit niedriger als die Bundes-Inzidenz von 458. Untersuchungen in den Kläranlagen weisen aber auf eine Inzidenz bis 1600 hin.
Es ist ein offenes Geheimnis im Berchtesgadener Land: Viele Erkrankte mit milden Atemwegsinfekt-Symptomen testen sich erst gar nicht und gehen weiter in die Arbeit, wenn sie nicht ohnehin symptomlos sind und von ihrer Virenlast nichts ahnen. Getestet wird nur, wenn es schwerere Symptome erzwingen oder ein dokumentiert negatives Ergebnis benötigt wird.
Das wissen auch die Behörden, die sich auf Nachfrage vorsichtig, aber unmissverständlich äußern: »Generell kann vonseiten des Staatlichen Gesundheitsamts derzeit nur bestätigt werden, dass die erfassten Fallzahlen, beispielsweise durch PCR-Testungen, nicht dem tatsächlichen Infektionsgeschehen entsprechen«, schreibt Landratsamts-Sprecherin Alexandra Rothenbuchner und konkretisiert dies so: »Es leiten durchaus mehr positive Personen eine größere Viruslast über die Körperausscheidungen in das Abwasser ein.« Das aktuelle Infektionsgeschehen wird nach Auskunft aus dem zuständigem Sachgebiet durch die Omikron-Subtypen BA.4 und BA.5 dominiert, die hochansteckend sind.
Gleichzeitig, das liegt in der Natur einer neuen Variante, sind diese Subtypen noch nicht ausreichend erforscht. »Dies erschwert aktuell den Vergleich der Abwasserbefunde und der Sieben-Tage-Inzidenz mit Befunden für Zeiträume, in denen die Delta-Variante oder andere Omikron-Subtypen das Geschehen dominierten«, warnen die Experten im Landratsamt deshalb vor voreiligen Schlüssen oder Vergleichen.
Fakt ist: Derzeit liegen die Biomarker-Befunde für SARS-CoV-2 im Abwasser auf einem ähnlichen Niveau wie Ende März/Anfang April 2022, so das Amt. Ein Blick ins Archiv zeigt: Am 31. März wurde eine Inzidenz von 1 599 gemeldet, 1700 Menschen hatten sich innerhalb einer Woche infiziert. Eine Woche später, am 6. April, lag der Wert bei 1098. Von diesem Zeitpunkt an sank er langsam, aber stetig.
»Da das Infektionsgeschehen auch im März/April bereits durch die Omikron-Variante dominiert wurde, deutet das darauf hin, dass die tatsächliche Anzahl der Infizierten aktuell über den gemeldeten Zahlen liegt«, geht das Gesundheitsamt zwar von einer gewissen Vergleichbarkeit der Zahlen aus. Die Behörde hält aber eine genaue Schätzung der Dunkelziffer nicht für möglich, eben weil »das Ausscheideverhalten für die Subtypen BA.4 und BA.5 noch nicht hinreichend bekannt ist«.
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