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Vier der fünf ehemaligen Obersalzberg-Führer bei einer letzten Besprechung vor dem Prozess (v.l.): Ottmar Neuburger, Lisa Graf-Riemann, Doris Bieler und Erwin Maier-Heindl. Fotos: Anzeiger/Hudelist
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Die Klagen und Widerklagen aller Beteiligten füllen bereits einen Aktenordner, im Hintergrund Arbeitsrechtler Klaus Hermann.

Am Mittwoch entscheidet das Arbeitsgericht

Berchtesgaden – Waren die gekündigten Dokumentations-Führer freie Mitarbeiter oder doch Angestellte? Das ist die Kernfrage, die ein Richter des Arbeitsgerichtes Rosenheim am Mittwoch klären soll (wir berichteten). Entscheidet der Richter für »angestellt«, dann wäre die Kündigung aller 23 Führer durch das Institut für Zeitgeschichte (IFZ) ungültig und die fünf klagenden, ehemaligen Führer könnten für die Zeit seit dem Oktober 2013 Lohn nachfordern. Das IFZ hat bereits angekündigt, dass es von den klagenden Ex-Mitarbeitern »zu viel bezahlte« Honorare zurückfordern will, falls das Gericht ein »Angestelltenverhältnis« feststellen sollte. Ihre Situation schilderten die Betroffenen und ihr Rechtsanwalt Klaus Hermann am Mittwoch bei einem Pressegespräch in Bad Reichenhall.


Für Doris Bieler aus Berchtesgaden und vier weitere ehemalige Führer des Dokumentationszentrums steht am Mittwoch viel auf dem Spiel. Seit der Kündigung im Oktober 2013 haben sie keinen Verdienst mehr und werden jetzt sogar unter Druck gesetzt. Sie sollen jeweils bis zu 11 000 Euro an das Institut für Zeitgeschichte (IFZ) zurückzahlen, wenn das Arbeitsgericht ein Angestelltenverhältnis feststellen sollte. »Das IFZ sagt, ›wenn ihr tatsächlich Arbeitnehmer seid, dann können wir nur ein geringeres Honorar zahlen, weil wir euch im Nachhinein versichern müssen‹«, so beschreibt der Anwalt der Betroffenen, Klaus Herrmann, die Situation. Doris Bieler müsste dann rund 11 000 Euro zurückzahlen, viel Geld für die Rentnerin. Die Differenz ergibt sich, weil das IFZ statt 70 Euro pro Führung dann im Nachhinein nur mehr 20 Euro zahlen will. Simone Paulmichl vom IFZ entgegnet, von Drohungen und Einschüchterung könne keine Rede sein.

»Führer waren nie freie Mitarbeiter«

Für den Anwalt der fünf Betroffenen steht ohnehin fest, dass die ehemaligen Rundgangsleiter »nie freie Mitarbeiter waren«, das hätten mittlerweile auch die Rentenversicherung und eine Clearing-Stelle festgestellt. »Die Rundgangsleiter mussten eine mehrmonatige Ausbildung mit Prüfungen absolvieren, zudem hatten sie feste Zeiten, wie lange eine Führung dauern darf und ihre Führungen wurden laufend kontrolliert«, so Anwalt Klaus Herrmann. Offiziell hätten sie zwar einen Vertrag als »Freier Mitarbeiter« gehabt mit einer Vergütung von 55 bis 70 Euro pro Führung, »aber bereits im Herbst 2012 hat die Rentenversicherung in einem Bescheid für einen ehemaligen Rundgangsleiter festgestellt, dass dieser kein Selbstständiger, sondern ein Arbeitnehmer ist.«

Es folgte für alle Rundgangsleiter ein Jahr der Unsicherheit, das IFZ legte Widerspruch gegen den Rentenbescheid ein und ahnte, wenn die Rentenversicherung ihren Bescheid durchbekommt, würde das auch Folgen für alle anderen Führer in der Dokumentation haben. »Die Verträge wurden daraufhin ständig geändert und umformuliert, im Oktober 2013 erfolgte dann die Kündigung aller Führer.«

Genau gegen diese Kündigung wird nun geklagt, denn wenn die ehemaligen Rundgangsleiter tatsächlich als Arbeitnehmer eingestuft werden müssen, ist die Kündigung ungültig. Eine Widerspruchskommission hat in der Zwischenzeit der Rentenversicherung Recht gegeben, ein Verfahren am Sozialgericht ist anhängig, hier kann ein Urteil allerdings bis zu vier Jahre auf sich warten lassen.

Anfang Dezember 2013 gab es bereits einen ersten Termin am Arbeitsgericht, damals versuchten sich die Kläger und das Institut noch zu einigen, ohne Erfolg. »Der Anwalt des IFZ versprach, dass an einer Lösung gearbeitet werde und dass das IFZ eine rechtssichere Lösung anbieten werde.« Dies ist jedoch nicht geschehen.

Neue Verträge ohne Sicherheit

Vielmehr schaltete sich die »Berchtesgadener Landesstiftung« ein, eine gemeinnützige Organisation des Landkreises, die ihre Einnahmen vor allem durch die Verpachtung des Kehlsteinhauses und der Buslinie lukriert. Im April 2014 stellte die Landesstiftung als Träger der Dokumentation ein neues Konzept für die Führungen vor und bot den gekündigten Mitarbeitern neue Verträge an, »dies aber nur, wenn alle ehemaligen Führer ihrer Klage zurückziehen und die neuen Arbeitsverträge unterschreiben«, erinnert sich Ottmar Neuburger aus Marktschellenberg. »Allerdings hat uns Landrat Grabner bei einer Veranstaltung die neuen Verträge nur in Aussicht gestellt, wir hatten also keine Sicherheit.«

Von den 23 gekündigten Führern arbeiten mittlerweile elf wieder mit neuen »»Freie Mitarbeiter«-Verträgen, fünf Betroffene wollen ihre Klage und damit ihr Recht durchsetzen, »der Rest hat aufgegeben und will weder klagen, noch unter diesen Umständen weiter am Obersalzberg arbeiten«, so der Anwalt. Aber auch die neuen Verträge für die elf Führer würden bei einer Überprüfung durch eine Clearing-Stelle nicht standhalten, glaubt der Arbeitsrechtler, »alle Kriterien weisen auch bei den neuen Verträgen eindeutig auf ein Angestelltenverhältnis hin. Wenn der nächste Rundgangsleiter einen Rentenantrag stellt, geht alles wieder von vorne los«, so Klaus Herrmann.

Neben der Klage der fünf gekündigten Führer stellt der Anwalt aber auch die Frage, warum sich kein Staatsanwalt für die offensichtliche Beschäftigung von Scheinselbstständigen durch die öffentliche Hand interessiert, »denn die Landesstiftung gehört zu 100 Prozent dem Landkreis und das Institut für Zeitgeschichte wird zu 100 Prozent durch Bund und Freistaat finanziert.« Andere Institutionen wie zum Beispiel der Bundestag in Berlin hätten schon längst reagiert und ihre Führer fest angestellt, auch in Berchtesgaden gebe es beim Salzbergwerk oder im Königlichen Schloss nur Führer im Angestelltenverhältnis.

Die fünf gekündigten Rundgangsleiter hoffen jetzt auf eine schnelle Entscheidung am Mittwoch in ihrem Sinne, »denn wir wollen da oben wieder arbeiten«, sagt Ottmar Neuburger. Bis zur fristlosen Entlassung betreuten er und die damals 22 anderen Führer rund 900 Rundgänge pro Jahr, derzeit gibt es nach Schätzungen rund 14 Führungen am Tag. Michael Hudelist