Kuhglockengebimmel, Alpenidylle und Naturverbundenheit: Der »Quer«-Beitrag bediente alle alpinen Klischees. Der böse Preuße vertreibt den einfachen bayerischen Bauern. Gemeinsam mit willfährigen Staatsdienern. Die Verschwörungstheorie lautete: »Das Landratsamt Berchtesgadener Land und die Marktschellenberger Gemeindeverwaltung wollen unbedingt Baurecht für den Berliner Architekten schaffen. Ohne Rücksicht auf das Schicksal des Schafbauers.« Nur hat die Bauvoranfrage des Berliner Architekten Oliver Kühn nichts damit zu tun, dass Karl Kaps ausziehen muss. Seine Pacht wurde schlichtweg nicht verlängert. Nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung hatte Kaps eine Räumungsklage im Briefkasten. Bis spätestens Ende Mai muss er das Grundstück verlassen.
Die baurechtliche Vorgehensweise kritisiert Paul Grafwallner von der heimischen Ortsgruppe des Bundes Naturschutz, die sich an die »Quer«-Redaktion gewandt hat. »Wir sind einfach der Auffassung, dass das nicht astrein gelaufen ist«, sagt Grafwallner. Denn der geplante Ersatzbau auf dem Roßboden sei baurechtlich nicht möglich. Zu viele Auflagen müssten dafür erfüllt werden. Zum Beispiel müsse Kühn erst einmal zwei Jahre lang in dem jetzigen Gebäude mit Hauptwohnsitz leben. Wohlgemerkt: Karl Kaps hat nicht einmal elektrischen Strom und verzichtet aus Naturverbundenheit auf jegliche Art von Komfort. Auch dürfe die Kubatur des neuen Gebäudes die des alten nur geringfügig um etwa zehn Prozent überschreiten. Auch der architektonische Stil müsse dem des jetzigen Hauses entsprechen.
Aus diesem Grund bereitet die Ortsgruppe gerade eine Sammelpetition an den Bayerischen Landtag vor, die dann alle Bürgerinnen und Bürger unterschreiben können. Ziel: »Das Baurecht im Außenbereich muss eingehalten werden«, so Grafwallner.
Von einer Mauschelei will Florian Kosatschek, Bauamtschef im Landratsamt, nichts wissen. Der Bauwerber habe im November ein Schreiben bekommen, dass sein Vorhaben nicht genehmigungsfähig sei. Auf Drängen von Oliver Kühn habe es im Januar einen Ortstermin gegeben. »Da wurde dem Bauwerber erklärt, warum es nicht geht«, so Kosatschek. »Da gibt es einfach zu viele Hürden«, erläutert der Fachmann. Der Ortstermin habe nicht dazu gedient, sich eine Trickserei ausdenken, wie es in »Quer« hieß, sondern sei eine gänzlich übliche Vorgehensweise.
Verfahrensfehler kann auch Marktschellenbergs Bürgermeister Franz Halmich nicht erkennen. Überhaupt hält er den »Quer«-Beitrag für misslungen. Zu verkürzt, zu einseitig. Über 20 Minuten lang seien er und sein Geschäftsleiter Michael Ernst vom Bayerischen Fernsehen interviewt worden. Übrig geblieben sind zwei aus dem Zusammenhang gerissene Mini-Aussagen des Bürgermeisters. »Die baurechtlichen Ausführungen von Herrn Ernst sind überhaupt nicht vorgekommen«, ärgert sich Franz Halmich.
Der Marktschellenberger Bürgermeister betont, dass er das Schicksal von Karl Kaps zutiefst bedauere. Weist aber auch darauf hin, dass die Bauvoranfrage des Architekten damit nichts zu tun habe.
Nach der einstimmigen Befürwortung durch den Gemeinderat sei die Sache an die Genehmigungsbehörde, das Landratsamt, gegangen. »Wenn eine Bruchbude ersetzt oder saniert werden soll, dann sind wir doch dafür«, stellt Halmich klar. Und fügt hinzu: »Natürlich nur dann, wenn alle Auflagen erfüllt werden.« Auf den endgültig ablehnenden Bescheid des Landratsamtes warte die Gemeindeverwaltung allerdings noch.
Der Architekt Oliver Kühn war bis jetzt für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Ein Porträt des naturverbundenen Schafbauers Karl Kaps folgt in einer der nächsten »Anzeiger«-Ausgaben. Christian Fischer