Dem zweiten Vorsitzenden des EVB, Rupert Kellerbauer, gefiel es schon seit Längerem nicht, dass ein Eishockeyverein in seinen Reihen nur einen EU-Bürger aus einem anderen Land im Spielbetrieb haben durfte. Kellerbauer fand in der Anwaltskanzlei Gründel, Kilger & Partner in München, vertreten durch Rechtsanwältin Julia Schwarz, einen Partner, mit dem er diese diskriminierende Regelung kippen wollte. Hierfür leiteten sie ein Verfahren beim Schiedsgericht des Deutschen Eishockeybunds ein. Die Gegenpartei rechnete seit Langem damit, dass solch ein Antrag auf Gleichstellung von EU-Bürgern irgendwann kommen könnte. »Jeder EU-Bürger kann in jedem EU-Land wohnen und arbeiten, aber nicht – bis auf einen Spieler mit Transferkarte – am Spielbetrieb teilnehmen, das geht nicht. Das ist nicht mehr zeitgerecht«, befindet Kellerbauer.
Die Mitglieder des EVB waren bereits seit 2013 direkt von dieser Regelung betroffen. Der slowakische Spieler Roman Juras war bereits im Verein und für den Spielbetrieb einsatzbereit. Dann wechselte der EVB-Nachwuchsspieler Rafael Rumpl aus Österreich in den Seniorenbereich. 2014 schließlich trat dem EVB auch der Salzburger Stefan Quintus als Torwart bei. Er unterliegt wie Juras und Rumpl der Transferkartenpflicht. Das Dilemma des EVB bestand nun darin, dass nur einer dieser Spieler eingesetzt werden durfte. Als Rumpl deshalb nach Salzburg zu den dortigen »Oilers« wechselte, durfte er auch dort nicht spielen, weil er in seiner Jugendzeit in Deutschland gespielt hatte.
Prekäre geografische Lage
Auch für die Zukunft des EVB war klar, dass sich solche Probleme häufen werden, wenn die Spieler mit EU-Staatsbürgerschaft aus der Nachwuchsmannschaft in den Seniorenbereich wechseln wollen. Man baut die Spieler in der Jugend auf und muss sie dann ziehen lassen, weil die Regelungen ihren Einsatz nicht zulassen. Die geografische Lage Berchtesgadens, umgeben von Österreich, spielt dabei natürlich eine ganz spezielle Rolle.
Schnell war der Anwaltskanzlei Gründel, Kilger & Partner klar, dass die Satzungen des internationalen Verbands (IIHF), des nationalen Verbandes (DEB) und des Landesverbands, also des Bayerischen Eissport-Verbandes (BEV), eine offene Diskriminierung von EU-Staatsangehörigen im Amateursport vorsehen, die schlichtweg nicht tragbar scheint. Die durch die Satzungen geschaffene Begrenzung diskriminierte EU-Staatsbürger alleine aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit. Dies verbietet aber das EU-Recht in Artikel 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Es zählt zum Primärrecht der EU und ist seit 1. Dezember 2009 in Kraft.
Im Jahr 1995 hatte der Europäische Gerichtshof im so genannten »Bosman«-Urteil entschieden, dass eine Beschränkung von ausländischen Sportlern im nationalen Sport europarechtswidrig ist. Der Amateursport wurde nicht erwähnt und zunächst von niemandem beachtet. Erst 2007 und 2009 schuf die EU Regelungen, mit denen sie sich selbst verpflichtete, auch den Amateursport als Freizeitaktivität der Bürger zu fördern. Dies eröffnete nun die Möglichkeit, Regelungen im Amateursport an EU-Gesetzen zu messen. Das Ergebnis im vorliegenden Fall war, dass die Regelungen des DEB und BEV den Zielen des Europarechts nicht standhielten.
So kam es zunächst zu einem Schiedsgerichtverfahren vor dem Schiedsgericht des Deutschen Eishockeybundes (DEB). Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage stellte das Schiedsgericht fest, dass eine Begrenzung transferkartenpflichtiger Spieler in Seniorenmannschaften nichtig ist, als sie auch Spieler aus EU-Staaten – wie beim Slowaken Juras – sowie aus Staaten mit EU-Assoziierungsabkommen umfasst.
Die Schiedskläger, Roman Juras und der EVB, schlossen mit dem DEB einen Vergleich. Der DEB verpflichtete sich den bayerischen Eissportverband (BEV) darüber zu informieren, dass dessen Bestimmungen europarechtswidrig sind und der Verband für Abhilfe sorgen muss. Die Schiedskläger gestanden dem DEB dagegen zu, dass er seine rechtswidrige Regelung erst in Abstimmung mit seinen Mitgliedern bei der nächsten Mitgliederversammlung abändern darf. So bleibt ausreichend Zeit, dass eine durchdachte und rechtskonforme Regelung entwickelt wird.
Vergleich ab sofort gültig
Das erfreuliche Ergebnis dieses Vergleichs war, dass bereits ab der Saison 2016/17 im Spielbetrieb des BEV transferkartenpflichtige EU-Angehörige und ihnen nach dem EU-Recht gleichgestellte Personen in unbegrenzter Zahl im Seniorenbereich eingesetzt werden können. Eine Regelung für den Nachwuchsbereich ist ebenfalls angedacht, aber noch nicht ratifiziert.
Der Präsident des BEV, Dieter Hillebrand, präzisierte daraufhin die Durchführungsbestimmungen in folgendem Wortlaut neu: In Seniorenmannschaften, die sich am Spielbetrieb des BEV beteiligen, darf in Meisterschafts- und/oder Freundschaftsspielen nur ein transferkartenpflichtiger Spieler pro Mannschaft spielen. Von dieser Beschränkung ausgenommen sind EU-Gemeinschaftsbürger und ihnen nach dem EU-Recht gleichgestellte Personen.
»Wenn ein EU-Bürger bei uns wettbewerbsmäßig Eishockey spielen möchte, kann er das ab sofort«, freut sich Rupert Kellerbauer, der zusammen mit Rechtsanwältin Julia Schwarz an dieser Novelle über ein Jahr gearbeitet hat. Christian Wechslinger