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Kleine Wasserkraftwerke mit unter 500 Kilowatt Leistung so wie hier in Marktschellenberg gibt es viele im Berchtesgadener Talkessel; staatliche Fördermittel können nun auch weiterhin gezahlt werden, Umweltschützer sind nicht begeistert. (Foto: Thomas Jander)

Förderung für »kleine Wasserkraft« bleibt umstritten – Bundestag ändert Erneuerbare-Energien-Gesetz

Berchtesgadener Land – 75 Wasserkraftanlagen gibt es im gesamten Landkreis, davon findet sich fast die Hälfte im Berchtesgadener Talkessel. Und von diesen 36 sind ganze 35 sogenannte Kleinwasserkraftwerke mit einer Leistung von unter 500 Kilowatt. Genau dieses Segment befindet sich seit Monaten bundesweit in der Diskussion: Denn nach einem Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums für das Erneuerbare-Energien-Gesetz soll die Förderung von Kleinkraftwerken zukünftig weggefallen.


Dazu prallten die Meinungen aufeinander: Die Wirtschaft rebellierte, so etwa der IHK-Regionalausschuss bei seiner Sitzung Anfang Mai im »Kulturhof Stanggass«. Naturschutzverbände halten diese Anlagen dagegen für schädlich und unbedingt entbehrlich.

So kritisiert etwa die Umweltstiftung WWF Deutschland, dass die vielen kleinen Wasserkraftanlagen im Freistaat zusammen mit 1,3 Prozent nur einen minimalen Anteil des gesamten bayerischen Stroms liefern. Auf der anderen Seite aber Schäden entstehen, die nicht im Verhältnis stehen: eine Verschlechterung des Zustands von Flüssen und Auen, das Schwinden von flusstypischen Fischarten und die Unpassierbarkeit der Anlagen für die Fische. Damit entsprechen diese Anlagen nach Auffassung des Umweltverbands nicht den ökologischen Mindestanforderungen, die über das Wasserhaushaltsgesetz festgelegt sind. Daher auch ein eindeutiges Fazit: »Viel Schaden, wenig Nutzen.«

Doch letztlich war der Protest gegen das Wegfallen der Förderung erfolgreich: Bei der mittlerweile im Bundestag verabschiedeten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wird die Wasserkraft entgegen bisherigen Plänen doch als im »überragenden öffentlichen Interesse« stehend klassifiziert. Damit werden Kleinwasserkraftwerke bis 500 Kilowatt Leistung weiterhin gefördert.

Im Talkessel gehen die Meinungen dazu auseinander

Landrat Bernhard Kern hatte sich schon im Mai direkt an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gewandt, wie das Landratsamt in einer Pressemitteilung erklärt. Kern forderte demnach, die Pläne für einen Förderungs-Stopp zu überdenken und »stattdessen auf einen starken Mix aller regenerativen Energien zu setzen«.

Das Berchtesgadener Land wäre stark betroffen gewesen, wie der Landrat deutlich machte: Rund ein Viertel des Gesamtstrombedarfs im Landkreis wird durch die Wasserkraft gedeckt. »Nicht nur der Ausbau der Wasserkraft, auch die zahlreichen Bestandsanlagen wären durch die ursprünglichen Pläne der Bundesregierung gefährdet. Von den 75 bestehenden Wasserkraftanlagen im Landkreis sind über 90 Prozent kleiner als 500 Kilowatt«, so Kern. Er freut sich, dass eine Förderung auch weiterhin möglich ist: »In unserem Landkreis haben wir noch einiges an Ausbaupotenzial sowohl bei der Wasserkraft als auch bei anderen erneuerbaren Energien. Hier werden wir auch weiterhin mit Nachdruck an der Umsetzung unserer Klimaschutzziele arbeiten.«

Irene Wagner, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses im Berchtesgadener Land, freut sich ebenfalls über die Gesetzesnovelle: »Die Entscheidung des Bundestags für die weitere Förderung der kleinen Wasserkraft, also Anlagen unter 500 Kilowatt Leistung, ist gerade für unseren Landkreis eine gute Nachricht. Es gibt bei uns viele Betreiber kleiner Wasserkraftwerke, die in Summe eine wichtige Rolle für die regionale Stromversorgung spielen. Wir begrüßen, dass der von der Bundesregierung zunächst geplante Förderstopp jetzt gestrichen wurde.«

Außerdem erinnert sie daran, dass die IHK München und der Regionalausschuss sich seit Monaten gegenüber der Politik auf Bundes- und Landesebene dafür eingesetzt hatten, an der Förderung und damit an der Zukunftsfähigkeit von kleinen Wasserkraftwerken festzuhalten. Sie appelliert, diesen Weg weiter zu beschreiten: »Eine Entscheidung gegen die kleine Wasserkraft wäre ein fatales Signal gewesen. Sinnvoll wäre es nun, wenn die Politik im Rahmen der Energiewende ein Re-Powering, also die Modernisierung und Erweiterung, vorhandener Kleinanlagen unterstützt. In der aktuellen Energiekrise zählt jede Kilowattstunde, die wir umweltfreundlich und ohne Abhängigkeit von Putins Gaslieferungen selbst erzeugen können. Wir dürfen keine Energiequelle vernachlässigen und müssen so schnell wie möglich alle hierzulande vorhandenen Potenziale nutzen.«

Naturgemäß anders wird das natürlich beim Bund Naturschutz gesehen. Die Berchtesgadener Ortsgruppe lehnt die kleine Wasserkraft – wie in der Vergangenheit auch schon – weiterhin ab. »Das dürfte mit Sicherheit bei allen Naturschutzverbänden so sein«, betont BN-Sprecher Paul Grafwallner im Gespräch mit dem »Berchtesgadener Anzeiger«. Denn auch für ihn ist klar: »Nutzen und Stromertrag stehen im Vergleich zu den Schäden an Gewässern und Tieren in keinem Verhältnis.«

Angesichts der geänderten Gesetzeslage geht Grafwallner davon aus, dass der BN-Landesverband bei einem anstehenden Neubau einer solchen kleinen Wasserkraftanlage eine Musterklage durchziehen würde – allein schon um zu überprüfen, ob die rechtlichen Vorgaben, auf der eine Baugenehmigung dann basiert, nicht zuletzt auch mit EU-Recht in Einklang stehen.

Vor Ort beobachtet der BN vor allem die zwei möglichen Standorte am Ramsauer Felsentor und in der Tristramschlucht in Bischofswiesen: »Da würden wir dagegen klagen.«

Mit Blick nach Berlin hat der BN-Ortssprecher kein Verständnis, dass die Förderung der kleinen Wasserkraft nun doch weiter möglich ist: »Insbesondere von den Grünen in der Bundesregierung bin ich unglaublich enttäuscht, weil die genau wissen, welchen Schaden sie damit anrichten.«

Thomas Jander