Gebirgsjäger fallen vom Himmel: Fallschirmspringen aus 4000 Metern Höhe
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Stabil liegt der Oberstabsgefreite Christoph in der Luft. (Foto: Bundeswehr/Jürgen B.)
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Die Ampel leuchtet noch rot. Doch gleich öffnet sich die Luke der M-28 Skytruck. (Foto: Bundeswehr/Sebastian Zäch)

Gebirgsjäger fallen vom Himmel: Fallschirmspringen aus 4000 Metern Höhe

Bad Reichenhall – Montag, 8 Uhr. Es herrscht rege Betriebsamkeit am Flugplatz in Feldkirchen bei Straubing, der Teil der dortigen Gäubodenkaserne ist. Planen werden auf der Wiese neben dem Flugfeld ausgerollt, dann schleppen die Soldaten Fallschirme, Sprunggepäck und jede Menge weitere Ausrüstung her. Diese Soldaten der Gebirgsjägerbrigade 23, die sogenannten »Freifaller«, sind in der Lage, mit einem Fallschirm aus einer Höhe von 4000 Metern abzuspringen und bis zu 20 Kilometer in der Luft zurückzulegen, um an ihr Ziel zu gelangen.


Jeder Soldat, vom Mannschaftsdienstgrad bis zum Oberstabsfeldwebel, packt seine Ausrüstung und seinen Schirm selbst, mit dem er in Kürze mit rund 200 Stundenkilometern auf die Erde stürzen und nach dem Öffnen des Schirms punktgenau landen wird.

»Erst im März 2018 habe ich meinen Schein gemacht«, erklärt der 28-jährige Oberstabsgefreite Christoph vom Hochgebirgsjägerzug aus Bad Reichenhall. »Der Lehrgang war in Amerika – das ist schon ein Zuckerl gewesen«, schwärmt er, während er konzentriert an seinem Schirm tüftelt.

Was in Luftlandeverbänden (deren Kern die Fallschirmjäger sind) nicht weiter verwundert, aber bei den Gebirgsjägern doch überrascht, ist, dass es bei der Gebirgsjägerbrigade 23 insgesamt 54 Freifaller-Dienstposten gibt und diese nicht nur Offizieren und Unteroffizieren vorbehalten sind, sondern auch Mannschaftsdienstgraden offenstehen.

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Sicherheitstraining: An der Startbahn werden die Abläufe nochmal durchgegangen. (Foto: Bundeswehr/Sebastian Zäch)

»Die vertikale Verbringung (so heißt der Fallschirmsprung im Fachjargon) ist eine wichtige Fähigkeit der Gebirgsjäger, wenn strategisch wichtige Punkte im Gebirge schnell eingenommen werden müssen, Spezialisten wie Ärzte, Kampfmittelräumer, Nachrichtendienstler oder Übersetzer durch Tandemsprung schnell an einen Ort im Gebirge gebracht werden müssen, oder wir zur Unterstützung von Spezialkräften angefordert werden“, erklärt Oberstabsfeldwebel Jürgen, der zwischenzeitlich rund 1400 Sprünge »auf dem Buckel« hat.

In den Hochgebirgsjägerzügen der Gebirgsjägerbataillone in Bad Reichenhall, Bischofswiesen und Mittenwald und im Hochgebirgsspähzug des Gebirgsaufklärungsbataillons 230 aus Füssen ist deshalb jeweils eine vollständige Gruppe (neun bis zwölf Soldaten) in der Lage, Ihren Auftrag auch mit dem Fallschirm zu erfüllen.

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Am Startplatz: Gemeinsam wird dem Oberstabsgefreiten Christoph das Sprunggepäck mit der Waffe angelegt und festgezurrt. (Foto: Bundeswehr/Sebastian Zäch)

»Aufsitzen!«, ruft jemand und die Springer nehmen ihre Schirme und Gepäcke auf und tragen sie zu den bereitstehenden Fahrzeugen. Für ein Nickerchen während der Fahrt zum nahen Flugplatz in Straubing bleibt keine Zeit. Im Kleinbus fragt der Oberstabsfeldwebel die Abläufe beim Sprung ab und will genau die Reihenfolge der nötigen Checks wissen. »Du hast Dir beim Absprung den Arm gebrochen, was machst Du jetzt?«, fragt er in die Runde. Gemeinsam erörtern die Springer, wie Sie auch dann heil landen können, wenn es zu Zwischenfällen kommt.

Am Flugplatz angekommen beginnen die Soldaten sofort, sich und ihr Gepäck fertig zu machen und überprüfen sich gegenseitig. Der Oberstabsgefreite Christoph liegt am Boden auf seinem Sprunggepäck. Zwei Kameraden befestigen das Sprunggepäck und seine Waffe an ihm und helfen beim Aufstehen.

Im Kreis stehend gehen Sie Abläufe und Körperhaltungen nochmals durch, während im Hintergrund die »M28 Skytruck«, eine zweimotorige Propellermaschine eines zivilen Dienstleisters der Bundeswehr, die Motoren startet. Zügig marschieren die teils schwer mit Gepäck und Waffe beladenen Soldaten zum Heck der Maschine und steigen ein – Gurte anlegen, die Motoren heulen auf, ruckartig beschleunigt die Maschine und zieht steil nach oben.

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Es geht los: Ruhig gehen die Gebirgsjäger zur Luke und lassen sich hinausfallen. (Foto: Bundeswehr/Sebastian Zäch)

»2 Minuten!«, ruft der Oberstabsfeldwebel durch die Maschine. Die Soldaten geben ein Handzeichen und signalisieren, dass sie bereit sind. Letzte Checks, kameradschaftliches Schulterklopfen, Händeschütteln, »Hals- und Beinbruch«. »Eine Minute!« Die Männer stehen auf, die Ampel am Heck steht auf Orange.

Die Luke fährt auf. Alle stehen hintereinander, Blick zur Luke, hundertprozentig konzentriert. Dann wird die Ampel grün, der Oberstabsfeldwebel klopft dem Ersten auf die Schulter und der lässt sich in die Luke fallen, die anderen zügig hinterher. Ein letzter Gruß und auch der Oberstabsfeldwebel verschwindet in die Wolken.

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An den Beinen das Sprunggepäck, am Arm der Höhenmesser und vor der Brust Kompass und GPS-Gerät. So geht es mit über 200 Sachen dem Erdboden entgegen. (Foto: Bundeswehr/Jürgen B.)

In der Höhe, die den Soldaten vorab befohlen worden war, öffnen sie ihre Schirme und gleiten geräuschlos zu Boden. Am Landeplatz der Gäubodenkaserne ist eine Bodenmarkierung gesetzt, die den Landepunkt kennzeichnet.

In kurzen Abständen gleiten die Soldaten ins Ziel, landen leichtfüßig und beginnen sofort, ihre Schirme aufzunehmen und zum Sammelplatz zu gehen. Zwei »Jager« laufen auf den Oberstabsgefreiten zu und nehmen ihm sein bleischweres Sprunggepäck ab. Der grinst: »Das war der Hundertzweiundsiebzigste.«

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Landung vor dem Tower der Feldkirchner Kaserne. Der Soldat hat das Sprunggepäck bereits abgelassen, damit er die Beine frei hat. (Foto: Bundeswehr/Jürgen B.)