Für morgen, Donnerstag, 11 Uhr haben die Bayerischen Staatsforsten am Forstbetrieb Berchtesgaden eine Pressekonferenz angesetzt, die Klarheit bringen soll in ein Thema, das die Gemüter allein schon deshalb erregt, weil es um den Obersalzberg geht. Um Jahrzehnte alte Straßen, so manche in noch gutem Zustand, viele in schlechtem, andere in desaströsem. Verursacht auch – und vor allem – durch schwere Großgeräte, die im Auftrag der Bayerischen Staatsforsten im Einsatz sind. »Die Straßen zerbröseln im Laufe der Jahre. Besonders, wenn sie stark belastet sind«, sagt etwa Bauexperte und Gemeinderat Richard Schwab.
Genau das ist das Problem: Die Obersalzberg-Forststraßen bestehen aus Teer, sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PKA) sind enthalten. Zerfällt nun die Straße, können die krebserregenden Stoffe ausgeschwemmt werden und in das Grundwasser eindringen.
Gigantische Emissionen bei der Entsorgung
Ein Gutachten im Auftrag des Landkreises Berchtesgadener Land hat ergeben, dass die alten Straßen entfernt werden müssen. Mit dieser Aussage befinde man sich auf der sicheren Seite, sagt etwa Rita Poser, die Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz. Dass die Obersalzberg-Straßen eine prekäre Angelegenheit sind, weiß auch sie. Aber gleich alles entfernen? »Die Emissionen, die bei der Entsorgung freigesetzt werden, sind gigantisch.«
Die rund 40 000 Tonnen an zu entsorgendem Material müssten zunächst zwischengelagert werden, ehe die Altlasten abtransportiert werden. Es gibt nur wenige Spezialunternehmen, die teerhaltige Straßenbeläge aufbereiten können. Eines der Unternehmen hat sich mittlerweile disqualifiziert: die Passauer Firma Thoma, die nach Informationen des »Berchtesgadener Anzeiger« bereits 1 300 Tonnen an Material vom Obersalzberg entsorgt hatte. Ein Teil des »schwarzen Gifts« wurde letztlich im Raum Passau illegal vergraben.
Mehrere Varianten, wie die Teerstraßen am Obersalzberg »recycelt« werden könnten, werden von Experten ins Spiel gebracht. Eine ist die thermische Aufbereitung der Straßenabfälle in sogenannten Drehrohröfen. Bayernweit kann dies allerdings nur eine Firma stemmen: ein Unternehmen aus Kelheim. Das Obersalzberg-Material müsste also mehrere Hundert Kilometer weit transportiert werden, unter immensen Kosten.
2 000 Lastwagen-Fuhren für Obersalzberg-Material
Rund 2 000 Lkws müssten fahren, um die Altlasten wegzuschaffen. Die dabei freigesetzten Emissionen – die Aufbereitung noch nicht eingerechnet – seien unverantwortlich, sagt Rita Poser. Eine Versiegelung so mancher Straßen am Obersalzberg sei möglich, zumindest jene, die vom Forstbetrieb Berchtesgaden wenig genutzt werden, könnten versiegelt werden. Das Ausschwemmen giftiger Stoffe sei dann auf ein Minimum reduziert.
In der Verwaltung des Marktes Berchtesgaden gibt man sich zurückhaltend. »Wichtig ist uns, dass die Trinkwasserversorgung rund um die Quelle Scharitzkehl nicht gefährdet ist«, sagt Geschäftsleiter Anton Kurz auf Anfrage des »Berchtesgadener Anzeiger«. Diese Straßen im umliegenden Bereich müssten abgetragen und erneuert werden.
17 Millionen Euro Kosten? – Demo angekündigt
Die Grünen im Talkessel fordern zumindest bei jenen Straßenteilen, bei denen es möglich ist, eine Asphaltversiegelung anzuwenden und auf insgesamt »umweltschonendere und günstigere Methoden« zurückzugreifen, als es die Bayerischen Staatsforsten planen. Laut Grünen kostet die Maßnahme am Obersalzberg bis zu 17 Millionen Euro.
Die Forderung der Grünen: Dass der Forst zur Rechenschaft gezogen werden soll, denn immerhin habe dieser »durch unsachgemäße Nutzung Schäden verursacht«, heißt es in einer vom Grünen-Vorsitzenden Jakob Palm über Facebook gestreuten Einladung zu einer morgen stattfindenden Demonstration (11 Uhr) vor dem Forstbetrieb Berchtesgaden, wo gleichzeitig eine Pressekonferenz zum Thema stattfindet. »Demonstrieren wir unser Unbehagen«, heißt es vonseiten der Partei.
SPD: Wegenetz historisch nutzen – FWG macht Eingabe
Die Berchtesgadener SPD hingegen unterstützt die Eingabe ihres Vorstandsmitglieds Klaus Gerlach an den Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags, »in der gefordert wird, auch weiterhin alle Optionen« offen zu halten, um »den Ensemble-Charakter von Kehlsteinhaus, Kehlsteinwegen und Obersalzberg als europäische Erinnerungslandschaft (...) zu erhalten.« Geht es nach der SPD, besteht eine »historische Notwendigkeit«, das Wegenetz auch touristisch zu nutzen. Auch die Freien Wähler aus Berchtesgaden haben mittlerweile eine Eingabe gemacht.
Aus dem Forstbetrieb Berchtesgaden gab es auf Nachfrage keine Auskunft. Man werde erst während der Pressekonferenz weitere Details nennen, so Peter Renoth, stellvertretender Betriebsleiter in einer E-Mail an den »Berchtesgadener Anzeiger«. Kilian Pfeiffer