Bildtext einblenden
Bildtext einblenden

Hunde im Schafspelz

Ramsau - Jara hat das Sagen. Die zweieinhalbjährige Maremmano-Abruzzese-Hündin saust über die Wiese hinterm Wimbachlehen und bellt und bellt und bellt. Hinterm Weidezaun hat sich etwas Verdächtiges gerührt. Ihr Partner Samson bleibt derweil nah bei der Herde und wirft ein wachsames Auge auf die Schafe. Jara und Samson sind das perfekte Team, sie sind ausgebildete Schutzhunde und seit März im Dienst von Bäuerin Renate Aschauer.


»Jara«, ruft Renate Aschauer und schon taucht die Hündin hinter der Wiesenkuppe auf, die Schafe und Samson im Schlepptau. Mit ihrem weißen, wuscheligen Fell, dem runden Kopf und den Knopfaugen schauen die beiden Hunde wie Kuscheltiere aus und sind auf den ersten Blick in der Herde gar nicht auszumachen. »Jara frisst mir zwar aus der Hand, verschmuste Haushunde sind die zwei aber nicht«, sagt Renate Aschauer. Und das hat seinen Grund. Denn Jara und Samson haben eine wichtige Aufgabe, nämlich die Schafe gegen Eindringlinge und Angreifer zu verteidigen.

Dafür wurden sie im Schweizer Schutzhundezentrum von Walter Hildbrand von Geburt an ausgebildet. Herdenschutzhunde werden unter Schafen geboren und wachsen mit ihnen auf. Auch wenn sie anfangs noch blind sind, nehmen sie über ihre Sinne alles wahr, was im Schafstall passiert. Sie sozialisieren sich mit den Schafen und fühlen sich wahrscheinlich mehr als Schaf denn als Hund.

Für Renate Aschauer sind es »bellende Schafe«, stets wachsam und entschlossen bereit, ihre Herde zu verteidigen. Wandert die Herde zu einem neuen Weideplatz, gehen die Hunde voraus und säubern das Gelände. Nähert sich eine vermeintliche Bedrohung, stellen sie sich zwischen Herde und Feind und versuchen durch ihr bedrohliches Bellen den Eindringling zu vertreiben. »Raubtiere lassen es nicht auf einen Kampf ankommen, weil sie es sich nicht leisten können, Energie zu verschwenden. Sie gehen dem Risiko lieber aus dem Weg und hauen ab«, weiß Renate Aschauer.

Die alpinen Steinschafe, wie sie die Bäuerin vom Wimbachlehen züchtet, sind auf den Weiden vor allem Fuchs und Kolkraben ausgesetzt, die Lämmer reißen. Seit Jara und Samson da sind, hört die Familie nachts regelmäßig das erfolgreiche Bellen der Hunde. Der Fuchs hat keine Chance mehr.

Bei den Schafen ist das Duo mittlerweile voll akzeptiert. »Am Anfang mussten sie allerdings einiges einstecken. Von den Muttertieren haben sie ordentliche Rempler abbekommen. Aber die Hunde würden den Schafen nie was antun, sie sind absolut schaftreu«, erzählt Renate Aschauer. Und Geburtshelfer sind sie auch noch, sie schlecken den Lämmern das Maul frei damit sie nicht ersticken und fressen die Nachgeburt auf. »Der Fuchs bekommt nichts mehr mit und wird gar nicht erst angelockt«, freut sich Renate Aschauer.

Schutzhunde sind keine neue Erfindung. Schon vor Jahrtausenden begann man, Hunde zum Schutz von Vieh vor Raubtieren einzusetzen. Dabei entstanden spezialisierte Hunderassen, wie der Pyrenäen-Berghund in Frankreich oder der Maremmano-Abruzzese in Italien. In den meisten Ländern, in denen zum Beispiel Wölfe niemals ausgerottet worden sind, ist der Einsatz von Herdenschutzhunden auch heute noch eine bevorzugte Maßnahme zum Schutz von Nutztieren. Auch in Deutschland etabliert sich diese effektive Methode wieder, so werden einige größere Schafherden im Lausitzer Wolfsgebiet inzwischen von Pyrenäenberghunden oder Maremmanos geschützt. »Bei uns sind Schutzhunde bloß in Vergessenheit geraten, weil alles ständig vereinfacht wird. Man möchte halt keine Arbeit mehr haben, es gibt ja auch fast keine Hirten mehr«, bedauert Renate Aschauer. Sie möchte ihre beiden vierbeinigen Bewacher nicht mehr missen.

Allerdings rät sie, nur ausgebildete Tiere einzusetzen. Die Erziehung der Herdenschutzhunde erfordert viel Kenntnis und Erfahrung und nur ein einwandfrei funktionierender, erwachsener Hund kann Nutztiere effektiv schützen. Im Schweizer Hundeschutzzentrum von Walter Hildbrand ist man darauf spezialisiert. Die Bäuerin hat den Experten vor einem Jahr bei einer Vorführung an der Rotwand im Spitzingsee-Gebiet kennengelernt. Dort hatte ein Wolf einige Tiere gerissen und Hildbrand zeigte auf, wie man dieser Gefahr begegnen kann. Dazu wurden drei Herden zu einer vereint, zwei Schutzhunde integriert und mit Hütehunden und Hirten geführt. Mit Wanderern, fremden Hunden und einem Radfahrer hat man außerdem die Touristenfreundlichkeit von Schutzhunden dargestellt.

Renate Aschauer hat das überzeugt, sie »bestellte« ihre zwei Hunde bei Walter Hildbrand und kann bestätigen: »Auch in einem touristischen Gebiet wie bei uns stellen die zwei keine Gefahr dar. Jara und Samson halten Distanz zum Menschen. Man sollte Schutzhunde aber unbedingt aus einer professionellen Zucht und Ausbildung beziehen, wo bei jedem einzelnen Tier auf Eignung geachtet wird.«

Beim Wimbachlehen weist zusätzlich ein Schild auf den Einsatz von Hütehunden und das richtige Verhalten hin: Mountainbiker sollten absteigen und Wanderer genügend Abstand zur Herde halten. Jara und Samson machen die vielen Touristen, die täglich das Wimbachtal und die Klamm bevölkern, nichts mehr aus. Sie wissen, dass keine Gefahr von ihnen ausgeht - solange niemand den Schafen zu nahe kommt.

Übrigens kann ein guter Hund auch umschulen und statt der gewohnten Schafherde Ziegen, Kühe oder Pferde bewachen. Nach einer gewissen Gewöhnungszeit gehen sie schnell wieder ihrer Lebensaufgabe nach: der Bewachung »ihrer« Herde. Genau wie Renate Aschauer hat auch Nicole Votz vom Ruppenlehen in der Ramsau gute Erfahrungen mit Herdenschutzhunden gemacht. Rüde Kim bewacht seit Kurzem ihre Ponyherde in der Ramsau. kb