»Es gibt zahlreiche Nutzungskonflikte in den Alpen, die etwas mit Tourismus zu tun haben«, sagt Thomas Bucher vom DAV. Auf 14 Millionen Alpenbewohner, kommen 95 Millionen Mehrtages- und 60 Millionen Tagesgäste mit insgesamt 450 Millionen Übernachtungen. Diese Zahlen hat der DAV im »Alpenbuch« veröffentlicht: Sie sind alarmierend. »In der Tendenz nehmen die Nutzungskonflikte zu«, weiß Bucher. Das liegt zum einen an der Zunahme von Menschen in Hotspot-Regionen wie den Bayerischen Voralpen, dem Oberallgäu oder Garmisch-Partenkirchen, so Bucher, zum anderen an den gestiegenen Ansprüchen der Gäste. »Von Region zu Region gibt es aber Unterschiede«, sagt Bezirksalmbauer Kaspar Stanggassinger. Bei den Almen im Berchtesgadener Land sei der touristische Druck zwar spürbar gewesen, aber noch kein Problem, mit dem man sich nicht arrangieren könnte.
Seit Corona sind mehr Menschen unterwegs
Im Talkessel gibt es dank großer Parkplätze wie etwa an der Jennertalstation oder dem Königssee gute Regelungen, touristische Ströme zu lenken. Von dort geht es hoch in die Berge, auch mit dem Fahrrad. »Seit der Corona-Pandemie haben wir festgestellt, dass viel mehr Menschen unterwegs sind«, sagt der Bezirksalmbauer. »In den niedrigeren Regionen hat der Nutzungsdruck sicherlich zugenommen«, bestätigt auch DAV-Sprecher Thomas Bucher. Doch von aufgescheuchtem Wild und Weidetieren kann zumindest Stanggassinger nur im Einzelfall berichten. »Das war früher auch schon so, dass ein Hund unsere Tiere mal aufschreckt.« Allerdings: »Nicht alle Hundebesitzer sind schwarze Schafe.« Beim DAV heißt es: »Die allermeisten Besucher bleiben auf den breiten Wegen und kommen höchstens bis zu den Hütten oder Almen, aber nicht ins Hochgebirge.« Im DAV wird die Position vertreten, »dass die Erschließung der Alpen abgeschlossen ist«. Insofern sei es ausgeschlossen, »neue Wege zu bauen«, sagt Thomas Bucher.
Dank des Nationalparks Berchtesgaden, dank vieler gut ausgeschilderter Wege und zahlreicher Möglichkeiten, sich mit dem Fahrrad in der Natur zu bewegen, profitieren auch die Almbauern, weiß Stanggassinger. »Initiativen sind sinnvoll, wir haben mit ›Natürlich auf Tour‹ selbst so eine Kampagne«, sagt DAV-Mann Bucher. Ein Betretungsverbot alpiner Regionen? »Wenn wir die Berge großflächig sperren, verlieren sie den Charakter, den die Berge nun einmal ausmachen: Eine Region zu sein, die anders funktioniert als das Tal.«
Mountainbikes werden im Alpenraum seit rund 30 Jahren genutzt. Laut einer repräsentativen Umfrage hat die Anzahl der Personen, die häufig Mountainbike fahren, von 2013 bis heute nur minimal zugenommen, weiß Sonja Schreiter, bei der »Deutschen Initiative Mountainbike« (DIMB) Fachberaterin für das Berchtesgadener Land und den Chiemgau. Kollisionen mit Wanderern seien in den vergangenen 20 Jahren keine gemeldet worden. Schreiter sagt, die Zunahme an Mountainbikern sei nur subjektiv zu erklären: Auf besonders attraktiv beworbenen Routen konzentrieren sich die Nutzer bei Tagesausflügen an einzelnen schönen Tagen oder Wochenenden.

Mehr Rücksicht in sensiblen Lebensräumen
Der Deutsche Alpenverein hat eine Liste an Empfehlungen ausgesprochen. Eine davon lautet, nur geeignete Straßen und Wege zu nutzen und »lokale Sperrungen und Regelungen zu respektieren – um Konflikten mit Grundeigentümern, Wegehaltern und anderen Naturnutzenden vorzubeugen«. »Die meisten halten sich ja Gott sei Dank an die Regeln«, weiß Bezirksalmbauer Kaspar Stanggassinger.
Beim Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wurde im Juli die Initiative »Respektiere deine Grenzen« ins Leben gerufen: Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber fordert darin mehr Rücksicht in sensiblen Lebensräumen. Denn durch immer mehr zusätzliche Urlauber und Freizeitsportler im alpinen Gelände erhöhe sich der Druck auf die Ökosysteme, aber auch auf die traditionelle Alm- und Alpwirtschaft. Den Startschuss setzte die Ministerin mit dem Anbringen des ersten Hinweisschildes auf der Höllenbachalm in Bad Reichenhall. Neben Partnern in Bayern sind auch die österreichischen Bundesländer Vorarlberg, Salzburg und Kärnten sowie die Schweiz Unterstützer der Sensibilisierungskampagne.
Kaspar Stanggassinger sagt, dass er mit dem Status quo im Berchtesgadener Land zufrieden sei. Und überhaupt: »Es wird viel getan, um Kollisionen zwischen Almbauern und Touristen zu vermeiden.« Am Ende, sagt er, komme es aber immer auf den Gast an: »Der entscheidet, wie er sich verhält.«
Kilian Pfeiffer