Überschattet war die Aussprache von einem offenen Brief der beiden Vereine Freunde der Krankenhäuser Freilassing und Berchtesgaden, in dem unter anderem ein Ausstieg des Landkreises aus dem Klinikenverbund Südostbayern AG (KSOB) gefordert wird (wir berichteten). Außerdem wird darin sowohl den Kreisräten im Berchtesgadener Land als auch in Traunstein vorgeworfen, »rein gewinnorientierte Entscheidungen« zu treffen und keine »politischen Weichen zu stellen«.
Das erboste vor allem auch Hans Metzenleitner sehr. Der langgediente SPD-Kreisrat und Mitglied im Aufsichtsrat der KSOB rief das jahrelange Ringen in Erinnerung, um die Kliniken eben nicht zu privatisieren und einer Profitmaximierung zu unterwerfen, sondern sie unbedingt in kommunaler Trägerschaft zu erhalten. »Ich habe in all den Jahren noch nicht erlebt, dass unser Bestand so gefährdet wird«, warf er den Initiatoren von Bürgerantrag und Brief vor. Ängste der Bürger würden geschürt und »Fakten ignoriert, wie man es sonst nur von Querdenkern und Rechten kennt«.
Von einem »niveaulosen Brief«, der eine Grenze überschritten habe, sprach Georg Wetzelsperger (CSU). »Wir hätten früher mit den Bürgern reden sollen«, zeigte sich Michael Koller (FWG) selbstkritisch, meinte vor allem den Zeitraum zwischen Dezember 2021, als der Kreistag das medizinische Konzept billigte, und Mai diesen Jahres, als er die Satzungsänderung für die KSOB beschloss.
»Wie gehen wir eigentlich miteinander um?«
Gleichzeitig ärgerte er sich über die Unterstellungen aus den Reihen der Bürgerinitiativen, Kreisräte würde sich nicht informieren oder von der KSOB-Leitung »um den Finger wickeln lassen«. »Wie gehen wir eigentlich miteinander um?«, stellte er als Frage in den Raum und die Befürchtung: »Irgendwann haben wir keine Kommunalpolitiker mehr.«
Zuvor hatten sich KSOB-Vorsitzender Dr. Uwe Gretscher, Ärztlicher Direktor Dr. Stefan Paech und Dr. Joaquin Kersting, Ärztlicher Leiter der Leitstelle Rettungsdienst, versucht, anhand von Zahlen und Entwicklungen deutlich zu machen, dass sie sich ebenfalls um die Sorgen der Menschen kümmern und genau deshalb die Strukturreform so geplant haben. Den Erhalt aller sechs Standorte der KSOB, die bestmögliche medizinische Versorgung der Bevölkerung unter Einhaltung aller Qualitätsstandards, aber auch rechtlichen Vorgaben wollen sie erfüllen. »Von einem Krankenhaus-Sterben sind wir meilenweit entfernt. Genau das ist es, was wir nicht wollen«, sagte Uwe Gretscher.
Der Ärztliche Direktor der KSOB, Dr. Stefan Paech, versuchte, einer sich abzeichnenden Spaltung zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten zu begegnen. »Wir sehen es als gemeinsame Aufgabe an«, versicherte er, diese mit der ambulanten Notfallversorgung, für die sie per Gesetz zuständig sind, nicht alleine zu lassen. »Sprechen Sie mit uns«, bot er an. Mit Dr. Reinhard Reichelt, parteiloses Mitglied der Kreistagsfraktion der Grünen, sitzt gleichzeitig der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands und auch das Sprachrohr der Bürgerinitiative im Kreistag. Seine Frau Dr. Ursula Reichelt ist eine der drei Ansprechpartner des Bürgerantrags. Nachdem die Initiative kein Rederecht erhalten hatte (wir berichteten), brachte Reichelt deren Argumente vor. Auch trug er Inhalte des Briefs der beiden Krankenhausvereine vor, distanzierte sich jedoch von dem dort ins Gespräch gebrachten Ausstieg aus dem Klinikenverbund mit Traunstein.
Was wäre wenn...?
Wie es eigentlich weitergehen soll, wenn die KSOB zerschlagen wird, fragte Dr. Bartl Wimmer (Bündnis 90/Die Grünen) nachdenklich in die Runde. Die Liegenschaften verblieben bei der KSOB – soll oder wird dann gar etwa ein weiterer, eventuell sogar privater Verbund Parallelstrukturen aufbauen? Während der Freistaat gleichzeitig 500 Millionen Euro in ein Zentralklinikum in Bad Reichenhall investieren will? Eine schwierige Debatte, befand Wimmer ohnehin, die nicht hilfreich ist, zumal man am Ende des Tages die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten brauche.
Und so herrschte bei mehr oder weniger großen Unterschieden in den Wortmeldungen zumindest in einem Punkt Einigkeit: im Wunsch, zur Sachlichkeit zu kommen. Unterm Strich positionierte sich eine breite Mehrheit für die beschlossene Klinikenreform. Über die Nuancen berichten wir noch ausführlich in einer der nächsten Ausgaben. Eine Abstimmung gab es nicht. Ein zulässiger Bürgerantrag erfordert nur, eine »ernsthafte« Befassung des Kreistags mit dem entsprechenden Thema.
Sabine Zehringer