Bei trübem Wetter folgten am Samstag viele Familien der Einladung in die Schneewinklschule. Dennoch könnten es mehr sein, wie Elke Röhrig-Kropp sagt: »Es ist schwer für uns, Menschen zu erreichen, die im Alltag nicht mit Behinderten konfrontiert werden. Wir haben eine Einladung an alle Schulen in der Umgebung geschickt. Verglichen damit ist die Besucherzahl eher gering.« Diejenigen, die der Einladung gefolgt sind, konnten sich aber schnell davon überzeugen, dass sich das Kommen gelohnt hat. Bei verschiedenen Stationen, konnten Kinder – und Eltern – eigene Erfahrungen mit zahlreichen Arten von Behinderungen sammeln. Besonderer Ansporn für die kleineren Gäste waren die Stempel, die sie an jeder absolvierten Station bekamen.
Auf Hilfe angewiesen
Die Aufgaben waren unterschiedlich: Im Rollstuhlparcours zeigte sich, zu welchem Hindernis schon eine kleine Holzlatte für Betroffene werden kann. Besonders Kinder versuchten wieder und wieder ohne Hilfe über die Hürde zu kommen, wurden aber doch jedes Mal ausgebremst. Sven Hosse zeigte ihnen geduldig, wie man mit derartigen Barrieren umgeht und gab Hilfestellung.
Dass es häufig nicht ohne Hilfe geht, lernten Kinder auch bei den Sinnesspielen, die der Ramsauer Kindergarten organisiert hatte. Eine Aufgabe hier war es, mit einer steifen Papprolle über dem Arm ein Gummibärchen zu essen. Das Problem bei der Sache: Die unbiegsame Rolle verhinderte, dass man den Arm abwinkeln konnte und machte es so unmöglich mit der Hand zum Mund zu kommen. Das Spiel sollte den Kindern zeigen, dass man mit einer Behinderung oft nicht anders kann, als um Hilfe zu fragen. Die einzige Möglichkeit für die Kinder, das Gummibärchen in den Mund zu bekommen, war nämlich, jemand anderen darum zu bitten, sie damit zu füttern. Oder sich die Gummibärchen gegenseitig zu geben, wenn ein anderes Kind ebenfalls gerade diese Aufgabe zu bewältigen versuchte.
Parcours mit Augenbinde
Sehr spannend war für Besucher auch die Station von »Blickpunkt Auge – Rat und Hilfe bei Sehverlust«. Bei der Initiative handelt es sich um ein Angebot des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes. Das Besondere war hier, dass jeder am eigenen Leib erfahren konnte, welche Einschränkungen man im Alltag mit einer Sehbehinderung hat. Zwei verschiedene Aufgaben konnten die Besucher hier mit Augenbinde absolvieren. Einen Parcours, bei dem es galt, mithilfe eines Blindenstocks um Hindernisse wie Stühle oder einen Eimer herumzufinden und ein Stück Kuchen mit Messer und Gabel zu essen. Besonders die zweite Übung war wesentlich schwieriger, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Den eigenen Mund zu finden, war nicht das Problem, den Kuchen auf dem Teller, hingegen schon. Auch die Größe des heruntergeschnittenen Stücks einzuschätzen und ohne Unfälle in den Mund zu befördern, war nicht einfach. Bleibenden Eindruck hinterließen die Aufgaben bei allen Mitmachenden sicherlich.
Eine weitere Station betreute Logopädin Ilona Barta-Lotz. Hier konnte zum Beispiel ausprobiert werden, wie man spricht, wenn die Zunge nicht richtig beweglich ist. Dazu wurde ein Gummiband über die Zunge gespannt. Zur Erheiterung aller Umstehenden sollte dann versucht werden, verständlich zu fluchen. Eine Aufgabe, die sich als fast unlösbar erwies und den Besuchern zeigte, welche Wirkung eine scheinbar kleine Einschränkung auf die Aussprache und damit das Leben der Betroffenen haben kann.
Sehen – hören – tasten
Auch bei den übrigen Stationen konnten die Besucher interessante Erkenntnisse gewinnen. Eine Ergotherapeutin zeigte, wie knifflig einfache Alltagsaufgaben sind, wenn die Feinmotorik der eigenen Hände eingeschränkt ist. Als Hilfsmittel dafür dienten zum Beispiel dicke Handschuhe, mit denen man verschiedene Aufgaben erfüllen musste. Das CJD war ebenfalls vertreten und machte darauf aufmerksam, dass nicht jede Behinderung sichtbar sein muss. Es zeigte, welche Probleme mit Belastung unter Atemnot einhergehen. Interessierte konnten bei den Stationen außerdem ausprobieren, wie sich Dinge durch Ertasten erkennen lassen, wenn man sie nicht sieht und welche Möglichkeiten man hat, Musik wahrzunehmen, ohne sie zu hören. Dafür wurde zum Beispiel Salz auf Trommeln gestreut, um die Schwingungen sichtbar zu machen.
Ein weiterer Programmpunkt des Festes war die Möglichkeit für behinderte und nicht-behinderte Kinder, gemeinsam Spaß zu haben und Hemmschwellen abzubauen. Hierfür holten sich die Behinderten-Integration und die Lebenshilfe Unterstützung bei anderen Vereinen. Die Freiwillige Feuerwehr Königssee, der Alpenverein und die Bergrettung boten Spielstationen und einen Kletterturm an. Heike Mechelhoff vom Jugend-Treff.5-Förderverein war mit einer Button-Maschine vertreten. Die Angebote wurden von den Kindern gut genutzt.
Die Seniorengemeinschaft
Auch Informationsstände gab es bei dem Fest. Im Eingangsbereich, wo sich Besucher auch mit Kaffee und Kuchen versorgen konnten, gab es die Möglichkeit sich bei der Lebenshilfe und der neu gegründeten Seniorengemeinschaft über Projekte zu informieren. Zum Beispiel über das betreute Wohnen in Familien. Hierbei stellen Gastfamilien Wohnraum für Behinderte zur Verfügung und helfen, wenn nötig, im Alltag. Ob es auch stärkere Familienanbindung gibt, ist den Wohngemeinschaften jeweils selbst überlassen. Die Lebenshilfe fungiert als Schnittstelle zwischen den Parteien.
Die Seniorengemeinschaft Berchtesgadener Land – Süd stellte ihr Konzept »Helfen und Hilfe annehmen« vor. Das Projekt stellt Kontakt zwischen Freiwilligen, die gerne helfen wollen und Senioren her, die im Alltag Unterstützung brauchen. Sowohl Behinderte als auch alte Menschen haben im Alltag ohne fremde Hilfe oft Schwierigkeiten. Deshalb war es für Elke Röhrig-Kropp naheliegend, den Verein in das Fest miteinzubinden. Dr. Friedrich Schmidt von der Seniorengemeinschaft freute sich über diese Einladung und war, wie die Besucher, von dem Fest begeistert: »Was hier abläuft, hier organisiert wird, ist bewundernswert.« Alexandra Rothenbuchner