Landesentwicklungsplan ein »heller Wahnsinn«

Traunstein/Berchtesgadener Land - Ja zur Raumordnung in Bayern, aber mit Vorrang für Entscheidungen durch die Kommunen - das war eine Kernforderung von Traunsteins Landrat Hermann Steinmaßl als Vorsitzender des Regionalen Planungsverbands für Südostoberbayern mit den Landkreisen Altötting, Berchtesgadener Land, Mühldorf, Traunstein sowie Stadt und Landkreis Rosenheim. Im Planungsausschuss des Verbands forderte er »weniger Bürokratie, mehr Deregulierung und mehr Kommunalisierung« bei der aktuellen Fortschreibung des Landesentwicklungsplanes (LEP) Bayern. Diese Begriffe sollten Leitlinien der Novellierung sein. Er trete für »viel mehr Gestaltung nach Prinzipien« ein. Exakte Regeln jedoch passten weder in die schnelllebige Zeit noch in ein so großes Land wie Bayern: »Bayern ist in Europa ein großes Land. Und so muss es auch handeln.«


Nach Steinmaßl gibt es viele Nutzungsansprüche an den Raum, die einer Ordnung bedürften wie Energie, Ernährung, Wohnen, Verkehr, Freiraum und Natur. Andererseits sei dem Aufbau der kommunalen Selbstverantwortung von unten nach oben Rechnung zu tragen. Ihre Stärkung und die Möglichkeit zur Selbstgestaltung begrüße der Planungsverband der Region 18. Das bedeute jedoch auch, Nutzungsansprüche an Ort und Stelle zu regeln sowie selbst abzuwägen. Der Landrat sprach Klartext: »Entscheidungen der Regierungen sind mindestens zu den Planungsverbänden oder auch Landkreisen und kreisfreien Städten zu verlagern. Diese Forderung wollen wir im gesamten LEP wiederfinden.« Und weiter vertrat er »eine provokante These«: »Das, was uns in der Vergangenheit wurscht war, ist herausgekommen. Was uns geärgert hat, ist drin geblieben.«

Verbandsgeschäftsführer Hans Zott stellte die Stellungnahme der Region Südostoberbayern im Einzelnen vor. Georg Grabner, Landrat des Berchtesgadener Lands, verriss den LEP-Entwurf insgesamt: »Ich bin entsetzt, was dabei herausgekommen ist. Das LEP hinkt hinter der Entwicklung her. Es ist der helle Wahnsinn, was auf den Tisch gebracht wurde.«

Dem »Anbindegebot« im LEP-Entwurf zum Beispiel galt die Kritik zahlreicher Redner. Zur Erklärung: Neue Bauprojekte, ob für Wohnen oder Industrie/Gewerbe, dürfen demnach ausschließlich an vorhandene Bebauung angehängt werden - unabhängig von beispielsweise Verkehrsadern. In den Kriterienkatalog für ein Anbindegebot bat Tittmonings Bürgermeister Konrad Schupfner sowohl die Topografie als auch Grenzlagen aufzunehmen. Die Meinung der Verbandsräte verschärfte sich im Laufe der Sitzung: Das Anbindegebot müsse gestrichen werden. Die vorhandenen Gesetze reichten völlig aus. Letztlich einigte man sich darauf: Das Anbindegebot soll nicht »Ziel« des LEP werden, sondern lediglich »Grundsatz« oder »Prinzip«.

Ein »Oberzentrum« aus den Städten Traunstein, Trostberg und Traunreut befürwortete Traunreuts Bürgermeister Franz Parzinger. Die Entscheidung müsse aber nicht in München, sondern auf regionaler Ebene fallen. Für ein eventuelles Oberzentrum Mühldorf/Waldkraiburg müsse gleiches gelten, schlossen sich Verbandsräte aus dem Landkreis Mühldorf an.

Vielfach äußerten Verbandsräte Änderungsvorschläge. Zum Thema »Ländlicher Raum« appellierte Konrad Schupfner an den Freistaat, seine Richtlinien so zu ändern, »dass sie dem ländlichen Raum auch helfen«. Hans Zott fasste die Wortmeldungen zusammen: »Wir müssen wesentlich mehr Forderungen in unsere Stellungnahme schreiben.« Ein Beispiel: Die Magistrale als Bahnverbindung der Zukunft quer durch Europa steht nicht mehr im LEP-Entwurf. Fehlanzeige herrscht beim für Südostoberbayern bedeutsamen Flughafen Salzburg. Beides soll nach Willen des Ausschusses im LEP Niederschlag finden. Rosenheims Oberbürgermeisterin Gaby Bauer appellierte, nicht so viele Einzelpunkte zu formulieren: »Das bindet Kraft.«

Im Regionalplan, dessen Fortschreibung ebenfalls zurzeit im Gange ist, ist Windkraft ein großes Thema. Regionalbeauftragte Katja Gloser erläuterte das komplexe Vorgehen, die vielen Beteiligten vom Deutschen Wetterdienst über Naturschutzbehörden bis zur Wehrbereichsverwaltung, Ortsbesichtigungen und Zwischenergebnisse. Hermann Steinmaßl führte im Sachstandsbericht die vorbereitenden Maßnahmen auf: Bürgermeisterbesprechungen in allen fünf Landkreisen mit inzwischen 103 Rückmeldungen, die von der Region beauftragte Windpotenzialkarte des TÜV Süd und Gespräche mit den Alpenbürgermeistern in den Landkreisen Rosenheim, Berchtesgadener Land und Traunstein. Diese 37 Gemeindeoberhäupter seien mehrheitlich für das Kriterium »Erholungslandschaft Bayern«, somit gegen Windkraft.

In den Nachbarregionen Oberland und Allgäu sollten die Alpen auch künftig frei von Windkraftanlagen bleiben. Konkrete Flächenwünsche seitens der Gemeinden Ruhpolding, Inzell, Anger und Teisendorf seien unabhängig davon diskutiert worden. 95 Prozent der Fläche der Region mit rund 5 000 Quadratkilometern sind nach Worten Steinmaßls tabu für Windkraft. Lediglich fünf Prozent könnten nach derzeitigem Stand Vorrangfläche werden. Wie viel davon tatsächlich infrage kommt, steht noch nicht fest - so Katja Gloser.

Zur nächsten Sitzung des Planungsausschusses wird die Regionsbeauftragte einen »Wind«-Teilentwurf vorlegen. Findet das Werk im November Zustimmung, geht der Entwurf in das formelle Verfahren. Der bisherige Regionalplan enthält ausschließlich Ausschlussgebiete für Windkraft, aber keine Vorrangareale. Dazu Steinmaßl: »Letztlich treffen Unternehmer die Entscheidung, wo Windkraft erzeugt wird. Wir suchen Räume, wo es möglich ist.« kd