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Eine Staatliche Fachakademie für Sozialpädagogik ist am BSZ in Freilassing geplant. (Foto: T. Schuhegger)

Mehr Erzieher für die Landkreis-Kitas

Berchtesgadener Land – Die Kommunen setzen gerade alles daran, Kinderbetreuungsplätze zu schaffen. Nun stelle man sich vor, in den nächsten Jahren gibt es genug Plätze, die die Kommunen aber nicht anbieten können, weil die Erzieher fehlen. Ärgerlich. Um das zu vermeiden, will der Landkreis Berchtesgadener Land für die Einrichtungen in seinen Kommunen künftig »selbst« Erzieher ausbilden. Er plant ab dem Schuljahr 2024/25 eine Staatliche Fachakademie für Sozialpädagogik am Staatlichen Beruflichen Schulungszentrum Berchtesgadener Land Freilassing (BSZ). Das Angebot soll, wie nach den Vorstellungen des Kreisausschusses in der gestrigen Sitzung für Frauen und Männer gleichermaßen gelten. Die Sachaufwandsträgerschaft übernimmt der Landkreis.

Angehende Erzieher aus dem Landkreis besuchen aktuell die privaten Fachakademien des Diakonischen Werkes in Mühldorf oder Traunstein oder die Staatliche Fachakademie für Sozialpädagogik am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum Traunstein. Der Landkreis finanziert die Ausbildungsstätten anteilig der Schülerzahlen mit. 2021 zahlte er insgesamt 81 200 Euro an die drei Einrichtungen, wobei mehr als die Hälfte davon an die Fachakademie der Diakonie in Traunstein gingen.

Die wird gut und gerne besucht von den hiesigen angehenden Erziehern, kann aber wegen Raummangels nicht mehr alle Bewerber aufnehmen. Daher hatte Landrat Bernhard Kern im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus angefragt, ob eine Außenstelle in Freilassing möglich wäre. Kultusminister Dr. Michael Piazolo lehnte das ab, schlug aber eine Staatliche Fachakademie im Landkreis vor. Das ist möglich, weil es im Landkreis keine konkurrierende Fachakademie eines privaten Trägers gibt und weil in Bischofswiesen bereits die Berufsfachschule für Kinderpflege der CJD Christophorusschulen Berchtesgaden angesiedelt ist. Deren Absolventen können sich als staatlich geprüfte Kinderpfleger an der Staatlichen Fachakademie in Freilassing weiterbilden zum Erzieher. Alternativ können Frauen und Männer nach einem sozialpädagogischen Einführungsjahr, mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder mit (Fach-) Abitur an die Fachakademie wechseln.

Dort erfolgt dann eine zweijährige theoretische Ausbildung. Nach einem Praktikum im Anschluss daran ist die Ausbildung abgeschlossen und die Erzieher können in die Betreuungseinrichtungen, die ja händeringend qualifiziertes Personal suchen und weiterhin Fachkräfte suchen werden.

Wie Landrat Bernhard Kern und Florian Herttan, Arbeitsbereichsleiter Liegenschaften und Schulen, in der Sitzung erklärten, sehen das Kultusministerium, das Amt für Kinder, Jugend und Familien am Landratsamt sowie die Stabstelle Landkreisentwicklung, Bereich Bildungsregion, Bedarf für eine eigene Fachakademie. Weil das Kultusministerium eine Zweigstelle der Fachakademie der Diakonie in Traunstein abgelehnt hatte, soll sie in staatlicher Trägerschaft entstehen. Weil der Landkreis den schulischen Sachaufwand trägt, kann das Auswirkungen auf die Kreisumlage haben.

Nachdem die Staatliche Fachakademie am BSZ angesiedelt sein wird, wird der Rektor des BSZ, Dr. Martin Brunnhuber, auch Leiter der Fachakademie sein. Der erste Ausbildungslehrgang soll 2024/25 starten mit 16 Plätzen, ab 2025/26 sollen dann 25 Plätze angeboten werden. Der Landkreis geht von einem Platzbedarf von acht Räumen aus. Die sind allerdings im Raumkonzept des im vergangen Jahr beschlossenen erweiterten BSZ noch nicht vorgesehen. Auch die Kosten sind nicht in der Baubudgetierung des erweiterten BSZ enthalten. Wie hoch die sein werden, kann man laut Landratsamt auch noch nicht abschätzen. Dieses Jahr rechnet die Verwaltung allerdings mit 10  000 Euro Planungskosten, die laut Verwaltung vorhanden sind. Weitere Kosten werden in den Folgejahren anfallen.

Zu Beginn will der Landkreis auf Interimslösungen setzen und auf Räume am landkreiseigenen bestehenden BSZ sowie an der Realschule im Rupertiwinkel zurückgreifen oder Container errichten.

Hans Metzenleitner (SPD) dankte dem Landrat, der mit seinem Ansuchen beim Kultusministerium »einen bildungspolitischen Meilenstein« gesetzt habe. »Der Schritt tut der Region unglaublich gut«, sagte er im Hinblick auf den Arbeits- und Fachkräftemangel in den Bereichen Pflege und Erziehung.

Gerade in der Erziehung werde der Bedarf an qualifiziertem Personal »gewaltig steigen«, prognostizierte Hans Metzenleitner im Hinblick auf den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung.

Mit einem Angebot vor Ort, könne man »gewaltig was rekrutieren«, meinte der stellvertretende SPD-Sprecher. Er begrüßte einmal mehr die geplante Fachakademie in staatlicher Hand und fragte, ob der Landkreis nach der Errichtung die Fachakademien der Diakonie weiter unterstützt. Florian Herttan sagte, die Mitfinanzierung bleibe vorerst »unberührt«, weil zumindest mit der ersten geplanten Klasse mit 16 Schülern der Bedarf an Ausbildungsplätzen nicht gedeckt werden könne. Er hält es aber für möglich, dass sich die Kosten in den kommenden Jahren reduzieren, zumal der Landkreis ja pro Schüler zahlt.

»Den Betrieben täte es gut, wenn auch Männer dort arbeiten«, sagte Elisabeth Hagenauer (Grüne). Sie wandte sich an Florian Herrtan mit ihrer Frage, wie die Interimslösung aussehen solle. »Die müssten wir ja eigentlich gestern schon geplant haben«, sagte sie. Florian Herttan und Bernhard Kern verwiesen erneut auf Raumnutzungen am BSZ und an der Realschule im Rupertiwinkel sowie auf eine Containerlösung, die gerade geprüft werde.

Rektor Dr. Martin Brunnhuber ergänzte, dass zunächst ja nur 16 Auszubildende aufgenommen würden. Das macht seiner Meinung nach auch Sinn, weil er es für unrealistisch hält, gleich genug Lehrer vorhalten zu können. Der neue BSZ-Rektor, der in diesem Jahr vom Staatlichen Beruflichen Schulzentrum Traunstein nach Freilassing gewechselt war, berichtete, dass die Kollegen in Traunstein die Errichtung der Staatlichen Fachakademie ähnlich abgewickelt hatten, wie sie im Nachbarlandkreis geplant ist, und sich die Vorgehensweise bewährt hatte. »Mit einer kleinen Gruppe am Anfang tut man sich leichter.«

Michael Koller (FWG), übrigens von Beruf Lehrer in Freilassing, brachte seine Freude darüber zum Ausdruck, dass der Bildungsstandort der Grenzstadt weiter gestärkt wird. Auch er sprach von einem »Meilenstein«. Er erwähnte auch die Unterstützung des Freistaates. »Oft schimpfen wir ja, dass wir zu wenig unterstützt werden, aber da bekommen wir viel«, sagte er im Hinblick auf den Vorschlag des Kultusministeriums zur Errichtung einer staatlichen Einrichtung.

Der Rekrutierung von Personal für die Fachakademie und für die Kindertagesstätten im Landkreis blickt er mit Sorgen entgegen. Auch den Platzbedarf sieht der Lehrer an der Realschule im Rupertiwinkel als Problem an. Er glaube, der Landkreis tue gut daran, zunächst mit nur 16 Schüler zu starten. »Besser Qualität als Quantität«, sagte er.

Georg Wetzelsperger (CSU) sprach von einer »super Sache«. Wie seine Vorredner bereitet ihm der Fachkräftemangel im Erziehungsbereich Sorgen. »Die Schule im Landkreis ist ein Baustein, um dem entgegenzuwirken«, sagte er. Freilich aber werde die Schule alleine den Bedarf nicht decken.

Thomas Weber (CSU) fragte: »Der Kinderpfleger wird dann in Freilassing nicht ausgebildet, oder?« Der Bürgermeister aus Bischofswiesen, wo die Berufsfachschule für Kinderpflege angesiedelt ist, wollte das wissen, weil die Ausbildung zum Staatlichen Kinderpfleger an der CJD-Schule »hervorragend läuft« und womöglich an Konkurrenz aus Freilassing dachte. Dr. Martin Brunnhuber erklärte, dass die Fachakademie in Freilassing nur Erzieher ausbilden wird. Auch Thomas Weber sprach den Fachkräftemangel im Erziehungsbereich an und ging auf den Beitrag von Elisabeth Hagenauer ein: Auch er wünscht sich mehr Männer in der Ausbildung und will alle Möglichkeiten ausschöpfen, mehr Personal auszubilden. »Stellt euch vor, wir hätten die Kinderbetreuungsplätze, können die aber nicht belegen, weil uns die Fachkräfte fehlen.« Deswegen sollte man laut Dr. Florian Brunnhuber die Zulassungsvoraussetzungen attraktiv gestalten und womöglich Ausbildungen in Teilzeit anbieten. »Die Mischung macht's«, sagte er. »Und die Bezahlung der Erzieher muss besser werden«, brachte sich Agnes Thanbichler (ÖDP) ein. Dann würden vielleicht auch mehr Männer Erzieher werden, wenn sie vom Gehalt eine Familie ernähren könnten.

Trotz des immensen Investitionsprogrammes des Landkreises in den kommenden Jahren und der zu erwartenden Kosten für die Fachakademie befürwortete der Kreisausschuss die Errichtung geschlossen. Er ermächtigte den Landrat, den Antrag beim Freistaat Bayern einzureichen und die aktuellen Planungsentwürfe des BSZ zu erweitern, um sie dann dem Kreistag vorlegen zu können.

Lisa Schuhegger