Laut Fachambulanz-Leiter Raphael Koller wird diese Tagung aufgrund des interdisziplinären Austausches, der einen »Blick über den Tellerrand« ermöglicht, weit über Oberbayern hinaus geschätzt. In hochkarätig besetzten Vorträgen und Fachgesprächen wurden diverse Einzelthemen rund um den Führerscheinentzug und die MPU beleuchtet. So sprach der Verkehrsmediziner und Leitende Arzt am Inn-Salzach-Klinikum in Wasserburg, Richard Schmidtmeier, über die neurobiologischen Grundlagen bei Abhängigkeitserkrankungen. Der Präsident des Verwaltungsgerichtes München, Harald Geiger, stellte die aktuelle Rechtsprechung vor. Fachgespräche gab es unter anderem mit Thomas Hofstätter von der Regierung von Oberbayern - über die Promillegrenzen in der aktuellen Diskussion - und mit der Kreisverkehrswacht sowie Svenja Varga von der Fachambulanz Berchtesgadener Land - zum Thema »Erfahrungslernen im Straßenverkehr«.
Im Mittelpunkt stand das neue, von der Caritas selbst entwickelte Kurskonzept zur Vorbereitung auf die MPU. Die Verkehrspsychologin Brigitte Reimann von der Caritas-Fachambulanz in Miesbach stellte den unter ihrer Federführung zusammengestellten, freiwilligen Kurs über sechs Abende vor. Die Caritas bringt eine etwa 20-jährige Erfahrung in dieser Vorbereitungsarbeit mit. Neu ist an diesem Konzept laut Reimann, dass neben der Wissensvermittlung die therapeutischen Aspekte eine große Rolle spielen. So würden die persönlichen Hintergründe, die Problemfelder der Einzelnen und ihre Erlebnis- und Gefühlsmuster, die zur Suchtproblematik geführt haben, mit thematisiert. »Wir haben auch hilfreiche Methodik aus der Suchtberatung eingearbeitet«, erklärt Reimann. So werde ein Auseinandersetzungsprozess angeregt.
»Wenn es gut läuft, kommen Kursteilnehmer innerhalb des Kurses zu dem Punkt, wo sie über den Schock des Führerscheinentzugs hinwegkommen und erkennen, dass das ein großer Wink mit dem Zaunpfahl ist«, erläutert die Projektleiterin weiter. »Da geht einem als Berater das Herz auf.« Es fielen auch öfter Sätze wie »Gott sei Dank habe ich nicht mehr Schaden angerichtet.«
Mit dem bei der Caritas angesiedelten Kurs werde die »Schwelle in die richtige Institution überschritten«. Um die Schwellenangst zu nehmen, wurden innerhalb der Fachambulanzen sogenannte »Verkehrstherapeutische Beratungszentren« eingerichtet. »Ich gehe lieber zum Verkehrstherapeuten als zum Suchttherapeuten«, erklärt Reimann, warum diese Kurse für die Betroffenen eine Art »Eingangstür« sind. »Sie sind eine wichtige Zugangsmöglichkeit zum Menschen und seiner Problematik«, ergänzt Fachambulanz-Leiter Raphael Koller. Denn zur Suchtberatung komme ansonsten kaum einer freiwillig. Die Teilnehmer der MPU-Kurse könnten dann in weiterführende Angebote zur Bearbeitung ihrer Sucht vermittelt werden.
Das neue Kurskonzept wird ab Oktober in den Caritas-Fachambulanzen in der gesamten Erzdiözese umgesetzt. Es wird weiterhin von der Forschung begleitet und regelmäßig ausgewertet. Die Kurse sollen dezentral in verschiedenen Gemeinden der jeweiligen Landkreise angeboten werden. vm