Nach dem Felssturz kümmerte sich ein 42-jähriger Begleiter um den Verletzten, ein weiterer Kamerad stieg allein zurück zum Eingang auf und traf unterwegs auf zwei weitere Höhlengeher im Abstieg. Ein Geher begleitete den Melder zum Ausstieg. Der andere stieg zum Verletzten ab. Obwohl sie sehr flott unterwegs waren, trafen sie erst gegen 14.30 Uhr am rund 20 Minuten vom Eingang entfernten Störhaus ein und konnten bei der Leitstelle in Traunstein einen Notruf absetzen.
Zur Rettung des Verunfallten wurde die örtlich zuständige Bergwacht Marktschellenberg alarmiert, die die Höhlenrettung der Bergwacht Bayern aus Freilassing, Rosenheim, Murnau, München und Bayreuth, die Höhlenrettung Salzburger Land und die Forschungsgruppe Höhlenrettung Salzburg nachalarmierte. Auch ein Höhlenrettungsteam aus Baden-Württemberg, die Alpine Einsatzgruppe des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, die Polizeiinspektion Berchtesgaden sowie Hilfs- und Rettungskräfte des Bayerischen Roten Kreuzes und der Feuerwehren aus dem Umland sind im Einsatz.
Drei Teams mit elf Höhlenrettern haben noch am Sonntag mit dem Abstieg zu dem Verunfallten begonnen. Die Rettungskräfte und das Material wurden von Einsatzhubschraubern der Landes- und Bundespolizei zum Höhleneingang geflogen, der in einem Karstgebiet in über 1 800 Metern Höhe zwischen Stöhrhaus, Berchtesgadener Hochthron, Gamsalpkopf und Dürrfeld liegt. Am Unfallort selbst können die Hubschrauber nicht landen, weshalb die Retter und ihre Ausrüstung per Winde auf einem nahen Schneefeld abgesetzt werden.
Aufgrund der enormen Dimension der Höhle und wegen des sehr tief gelegenen Unfallortes ist eine große Zahl von spezialisierten Höhlenrettern und umfassendes Material erforderlich. So wurde noch am Sonntagabend eine Großschadenslage nach Artikel 15 des Bayerischen Katastrophenschutzgesetztes festgestellt und ein örtlicher Einsatzleiter mit Unterstützungsgruppe eingesetzt.
Der große Rettungseinsatz für den schwer verletzten Höhlenforscher lief auch während der Nacht zum Pfingstmontag auf Hochtouren weiter. Das erste Rettungsteam stieß gestern um 5.45 Uhr zu dem Lagerort des Verletzten und seiner beiden Betreuer vor.
Während sich der Voraustrupp der Bergwacht-Höhlenrettungsgruppe Chiemgau weiter durch die steilen, riesigen, teilweise aber auch sehr engen Schächte und Stollen zum Patienten vorarbeiteten, waren weitere, auch überregionale Rettungskräfte aus Deutschland und Österreich in die Höhle eingefahren, um unter anderem in rund 400 Metern Tiefe ein Biwak einzurichten und eine Telefonleitung zu verlegen, über die aktuelle Lagemeldungen an die Oberfläche übermittelt werden konnten.
Ebenso wurden seit gestern am Einstieg alle technischen Vorbereitungen getroffen, um den Aufbau zur Rettung des Verletzten abschließen zu können. Bis Redaktionsschluss befanden sich ein Team für die medizinische Versorgung, ein Team zur Herstellung der Kommunikation und weitere Teams für die Versorgung und Sicherung der Höhlenretter in der Höhle. Auf verschiedenen Ebenen wurden Lager- und Biwakstationen eingerichtet.
Einsatzkräfte der Bergwachten Berchtesgaden und Marktschellenberg haben am Höhleneingang ein Zelt aufgebaut und ein Materialdepot eingerichtet; die Wirtsleute des Stöhrhauses und die BRK-Bereitschaften kümmern sich um die Versorgung der Einsatzkräfte mit Essen und Getränken. Am Tallandeplatz in Marktschellenberg koordiniert die Einsatzleitung alle Maßnahmen, wobei unter anderem der Technik-Bus und der Kerosin-Anhänger der Bergwacht-Region Chiemgau, die Salzburger Höhlenrettung, die BRK-Bereitschaften und die Feuerwehr im Einsatz sind.
Die Riesending-Schachthöhle ist eine 1995 von der Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt entdeckte Höhle im Untersberg in den Berchtesgadener Alpen. Mit einer vermessenen Tiefe von 1 148 Metern und über 19,1 Kilometern Länge ist sie derzeit die tiefste und längste bekannte Höhle Deutschlands. Seit dem Jahr 2002 wird die Höhle erforscht. Dies ist jedoch ein schwieriges Unterfangen, da der Gangverlauf durch viele Schluchten unterbrochen wird und teilweise sehr enge Durchgänge sowie Seen zu überwinden sind. Besonders bei Schneeschmelze und bei Unwettern ist die gesamte Höhle stark hochwassergefährdet, im Eingangsteil besteht zudem die Gefahr von Eis- und Steinschlag.
Der »Berchtesgadener Anzeiger« wird wieder in seiner nächsten Ausgabe sowie online unter www.berchtesgadener-anzeiger.de über den neuesten Stand der Rettungsaktion berichten. ci/cw/ml