Im Talkessel wird dieses Instrument ganz unterschiedlich genutzt – oder auch nicht, wie eine Abfrage des »Berchtesgadener Anzeigers« ergeben hat.
In der Marktgemeinde Marktschellenberg gibt es diese Möglichkeit von Anfang an, wie Bürgermeister Michael Ernst bestätigt. Dort geht es hauptsächlich um Gemeinderatssitzungen, denn es gibt quasi keine Ausschüsse mehr; einzige Ausnahme ist der Rechnungsprüfungsausschuss, der muss allerdings in Präsenz tagen, weil ja Unterlagen im Rathaus eingesehen werden müssen.
Ernst war seinerzeit froh um die Online-Sitzungen: »Wir wussten ja nicht, wie es mit Corona weitergeht, Handlungsfähigkeit war ein wichtiges Thema.« Die Erfahrungen bisher sind grundsätzlich gut, wenn es auch hier und da mal mit der Technik knirscht. »Es läuft nicht immer ganz reibungslos. Da, wo der Gegenüber sitzt, so ist auch die Verbindung. Teilweise muss man halt nachfragen und beim abstimmen gut aufpassen«, schmunzelt der Bürgermeister, der das System als »im Großen und Ganzen gut« bewertet. Allerdings will er Hybrid-Sitzungen auch nur als Hilfsmittel verstanden wissen: »Bei einem kleinem Gemeinderat wie unserem kann es schon mal sein, dass drei oder vier nicht im Ort sind, die können dann trotzdem teilnehmen. Eine Videokonferenz hat allerdings selten die Qualität wie eine Besprechung in Präsenz. Eine echte Sitzung ersetzt es nicht.«
Auch im Landratsamt wird die Möglichkeit von Hybridsitzungen genutzt, und zwar nicht nur im Kreistag, sondern auch im Kreisausschuss und allen anderen Ausschüssen, teilt Pressesprecherin Alexandra Rothenbuchner mit. Und die Kreisräte machten davon auch Gebrauch: Während der Hochphase der Corona-Pandemie wurde die Online-Teilnahme rege genutzt. Mittlerweile ist die Nachfrage zwar zurückgegangen, wird aber noch vereinzelt wahrgenommen.
Auch im Landratsamt bewertet man Hybridsitzungen positiv, deswegen wird es diese auch weiterhin geben: »Bis auf leichte 'Anfangsschwierigkeiten' gab es keine Beeinträchtigungen bei der Aussprache, Abstimmung usw. Wir freuen uns, den Kreistagsmitgliedern auch weiterhin die Möglichkeit zur Teilnahme an hybriden Sitzungen zur ermöglichen und so die Mitglieder bei der Ausübung ihres Ehrenamtes zu unterstützen.«
Wenig Interesse herrscht dagegen in der Marktgemeinde Berchtesgaden an der Online-Variante. Auch dort wurde zwar die Möglichkeit in die Geschäftsordnung aufgenommen, allerdings lässt der Gemeinderat die Regelung aufgrund der ursprünglichen Befristung zum 31. Dezember auslaufen. Schon während der Pandemie wurde dieses Instrument kaum genutzt, berichtet Bürgermeister Franz Rasp und mittlerweile besteht gar kein Interesse mehr daran. »Uns ist es wichtig, dass wir zusammen am Tisch sitzen und miteinander reden«, hält der Rathaus-Chef fest. Sollte es aber entsprechende Nachfrage aus dem Gemeinderat geben, kann die Möglichkeit der Hybridsitzungen jederzeit wieder in die Geschäftsordnung aufgenommen werden.
Online-freie Zone in Sachen Gemeinderat war bisher die Gemeinde Bischofswiesen. Bürgermeister Thomas Weber berichtet, dass die Möglichkeit zu Hybrid-Sitzungen auch während der Pandemie gar nicht genutzt wurde. Dort hat man sich mit der Bildung eines sogenannten »Ferienausschusses« beholfen. Das ist ein spezieller Ausschuss nach der bayerischen Gemeindeordnung, der vom Gemeinderat mit sehr weitreichenden Entscheidungsbefugnissen ausgestattet wird. Da der Ausschuss deutlich kleiner als der Gemeinderat ist, war auch unter den geltenden Hygieneregelungen immer Handlungsfähigkeit gegeben. »Wir wollten grundsätzlich auch weiter Sitzungen abhalten«, erklärt der Bürgermeister.
Er persönlich findet die Möglichkeit der Online-Teilnahme aber grundsätzlich gut: »So kann zum Beispiel auch jemand dabei sein, wenn er krank ist oder nicht vor Ort.« Weber will sich da auch »an die eigene Nase fassen«, denn er hat selbst schon in Aufsichtsratsgremien das Angebot einer Online-Teilnahme wahrgenommen. Um mit der Zeit zu gehen, will die Gemeinde nun die Voraussetzungen für Hybridsitzungen schaffen. Aktuell informiert man sich bei Nachbarkommunen über die entsprechende Technik, lässt Weber durchblicken.
Ebenfalls kein Thema waren Online-Sitzungsteilnahmen in der Ramsau. Auch hier wurden die Voraussetzungen dafür gar nicht geschaffen, berichtet Bürgermeister Herbert Gschoßmann. Während der Pandemie wurde die Zahl der Zusammenkünfte des Gemeinderats nach unten gefahren, in dem relativ kleinen Gremium ließen sich zudem die Hygiene- und Sicherheitsvorschriften gut einhalten.
Mit der Änderung der Gemeindeordnung will der Bürgermeister das allerdings nochmal aufgreifen, wie er ankündigt. Anfang des kommenden Jahres wird sich der Gemeinderat mit der Möglichkeit von Hybridsitzungen befassen.
Eine Vorreiterrolle im Sachen Hybrid-Sitzungen im Berchtesgadener Talkessel nimmt die Gemeinde Schönau am Königssee ein. Hier setzt man, ausgelöst durch die Corona-Pandemie, schon seit einiger Zeit auf spezielle Technik. Durch die Nachbargemeinde Bayerisch Gmain ist man auf ein spezielles Kamerasystem gestoßen, das per Funk gesteuert wird. Wer sich im Gemeinderat zu Wort meldet, drückt eine Taste und aktiviert ein grünes Licht. Der Bürgermeister kann dann das Mikrofon des betreffenden Gemeinderats frei schalten. Gleichzeitig dreht sich die inmitten des Gremiums platzierte Kamera mithilfe eines Motors und projiziert den Redner auf den Bildschirm. Dadurch haben auch die zu Hause an der Sitzung teilnehmenden Kommunalpolitiker den jeweiligen Redner groß im Bild.
Nach anfänglichen Problemen bei den Wortmeldungen hat sich das neue System dann schnell etabliert. »Es funktioniert mittlerweile recht gut«, bestätigt Geschäftsleiter Andreas Huber. Gerade inmitten der Corona-Pandemie ist in Schönau am Königssee das Angebot der Hybrid-Sitzungen gut angenommen worden, in letzter Zeit wurde es etwas weniger.
Den Bürgermeister gibt es nur persönlich
Es gab mit Einführung der Regelung durchaus auch skeptische Stimmen zu den Hybridsitzungen – sowohl in der Kommunalpolitik als auch bei Kommunalrechtlern. Was ist, wenn die Internetverbindung eines online zugeschalteten Gemeinderatsmitglieds abbricht? Ist sicher gestellt, dass alle auch der Diskussion folgen und auch abstimmen können? Leiden die Debatten in den Gremien, wenn man nicht bei allen Mimik und Gestik verfolgen kann? Viele offene Fragen, die nach Antworten verlangten. Allerdings waren die Rückmeldungen der Kommunen wohl überwiegend positiv.
Das berichtet jedenfalls Bayerns Innenstaatssekretär Sandro Richter: »Wir haben zwischenzeitlich gemeinsam mit den Bezirken, Landkreisen, Städten und Gemeinden die Regelungen evaluiert. Die Rückmeldungen waren überwiegend positiv. Die Kommunen, die Hybridsitzungen durchführten, möchten aufgrund der Erfahrungen überwiegend auch künftig von dieser digitalen Möglichkeit Gebrauch machen. Weitere Kommunen, die bislang noch nicht digital tagten, haben bereits angekündigt, Hybridsitzungen künftig zuzulassen.«
Das Angebot bleibt also optional und ist nicht verpflichtend: Die Kommunen können also auch weiterhin selbst darüber befinden, ob sich die Mitglieder audiovisuell zuschalten lassen können und dabei auch ein Stimmrecht haben.
Wie Kirchner weiter erläuterte, muss auch künftig bei Hybridsitzungen mindestens der Vorsitzende, also Bürgermeister oder Landrat, im Sitzungsraum körperlich anwesend sein. Ebenso bleibt es dabei, dass rein virtuelle Sitzungen ausgeschlossen sind. »Sofern die Sitzungen hybrid stattfinden, kann damit jedes Ratsmitglied selbst entscheiden, ob es körperlich an einer Sitzung teilnehmen will oder, falls die Kommune diese Möglichkeit eröffnet, sich zur Sitzung zuschalten lässt,« so der Staatssekretär. Zudem haben natürlich auch weiterhin die Bürger die Möglichkeit, Sitzungen vor Ort im Sitzungsraum zu verfolgen. Das Gesetz tritt nach Verkündung am 16. Dezember in Kraft.
Thomas Jander