Die Grünen-Fraktion wünscht sich eine Förderung von Solarthermie-Anlagen im Berchtesgadener Land, die der Landkreis bezahlen soll. Eine Fördernische im Dickicht der Energiesubventionen hat man ausgemacht, für die eine kommunale Lösung gefunden werden soll, was auch auf zwei Seiten Antragsschrift begründet wird. Das Ziel: »Die Verwaltung wird aufgefordert, ein Förderprogramm für Solarthermie-Anlagen bei Nachweis der Neuinstallation oder Erweiterung zu entwickeln und dem Ausschuss für Umwelt, Energie, Landkreisentwicklung und Mobilität vorzulegen.« Diese Formulierung sollte später noch für einige Diskussionen sorgen.
Solarthermie soll Bürgern sparen helfen
Jedenfalls argumentieren die Grünen, dass 76 Prozent des Wärmeverbrauchs im Landkreis durch fossile Energieträger gedeckt werden und 42 Prozent des Wärmebedarfs in privaten Haushalten entstehen. Der Einsatz von Solarthermie kann einen schnellen Beitrag für die Wärmewende liefern, dabei sei diese Technik im Vergleich zur Fotovoltaik wirtschaftlich unterschätzt und unterbewertet. Eine Förderung könnte eine Anschubfinanzierung und ein wirksamer Anreiz für die Bevölkerung sein. Verwiesen wird zudem auf ein vergleichbares Förderprogramm der Stadt Traunstein.
Die Sitzungsvorlage für die Kreisräte war umfangreich. Klimaschutzmanager Manuel Münch hatte seitenweise Zahlen und Daten zur Wärmeversorgung im Landkreis und zu bestehenden Förderprogrammen in Deutschland vorbereitet. Krankheitsbedingt konnte er nicht vortragen, Kollege Stefan Neiber musste einspringen.
Zunächst ging es um die Klärung der Technik: Mit Solarthermie-Anlagen wird die Strahlung der Sonne in Wärme umgesetzt, um Wasser zu erwärmen und Gebäude zu heizen. Fotovoltaikanlagen wandeln hingegen die Strahlung der Sonne direkt in Strom um. Festgehalten wird auch, dass die Solarthermie neben anderen erneuerbaren Energieträgern für das Erreichen der Klimaschutzziele eine wichtige Technologie darstellt.
Empfehlung: ablehnen
Rein rechtlich wäre es dem Landkreis erlaubt, eine solche Förderung zu übernehmen; allerdings sprach sich die Verwaltung in ihrer Empfehlung gegen den Antrag aus. Drei Hauptgründe werden angeführt: eine nur geringe Lenkungswirkung zugunsten der Solarthermie aufgrund bestehender Bundeszuschüsse, der hohe finanzielle Aufwand für den Landkreis sowie die Bevorzugung nur einer einzigen Technik. Der vorberatende Umweltausschuss hatte den Antrag mehrheitlich abgelehnt.
Grünen-Vertreter Dr. Bernhard Zimmer eröffnete die Aussprache mit einer nochmaligen Begründung: »Mit der Solarthermie als Ergänzung zu einer Heizungsanlage lassen sich 20 bis 30 Prozent Gas einsparen. Das wird vom Bund aber nicht gefördert. Das ist eigentlich unser Antrag, das wurde in der Landkreisverwaltung nur zum Teil erkannt.« Fraktionskollege Simon Köppl, beruflich vom Fach, argumentierte ebenfalls mehrfach leidenschaftlich für diese Technik. Agnes Thanbichler (ÖDP) sprang mit eigenen Erfahrungen zur Seite: »Wir haben das 1996 daheim schon selbst gemacht und das freut uns bis heute.«
Gegenrede kam von CSU-Sprecher Thomas Weber. Der fand es nicht gut, nur eine Technik herauszugreifen mit einer Förderung: »Das ist nicht der richtige Weg. Mit dem Geld sollten wir lieber Fotovoltaikanlagen bauen.« Simon Köppl sah an dieser Stelle den Grünen-Antrag erst mal falsch verstanden: Es ginge ja zunächst um die Entwicklung eines Förderprogramms, nicht schon die Zustimmung dazu.
Und ebenfalls aus den Reihen der Grünen kam harsche Kritik am Landratsamt, Iris Edenhofer war »erst mal sauer«, als sie die Vorlage der Verwaltung gelesen hatte. Die dort enthaltene Einschätzung zu »Mitnahmeeffekten« bei den Bürgern brandmarkte sie als »ziemlich arrogante Beurteilung«. Nachdem er sich von einigen Einlassungen und »Blickkontakten« durchaus »persönlich angegangen« fühlte, verwahrte sich Stefan Neiber gegen jegliche Vorhaltungen und erinnerte daran, dass die Vorlage nicht von ihm stammt. Landrat Bernhard Kern stellte sich vor seinen Mitarbeiter: »Sie müssen sich hier für nichts rechtfertigen.«
Nachdem SPD-Sprecher Roman Niederberger Zustimmung zum Antrag signalisierte und der Mannschaft von Bernhard Kern den Rücken stärkte (»unsere Verwaltung hat das mit der Förderung im Kreuz«) gab sich Franz Rasp (CSU) »baff erstaunt« über die SPD. Denn: »Das nützt allen, die im Eigenheim sitzen, nicht den Mieterinnen und Mietern, die nicht mehr wissen, wie sie die nächste Nebenkostenabrechnung zahlen sollen.« Parteikollege Dr. Christoph Lung holzte gegen den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck, von dem »die Förderprogramme zusammengestrichen werden«, und wollte den Landkreis nicht in der Rolle des »Lückenbüßers« sehen. Und ebenfalls aus den CSU-Reihen argumentierte Bernhard Heitauer aus Sicht des »Pragmatikers«, dass die Solarthermie speziell im inneren Landkreis mit langen Zeiten von Dachschnee »nicht praktikabel« sei.
Michael Koller (FWG) folgte der Argumentation von Dr. Lung und regte angesichts der anhaltenden Auseinandersetzungen als Erster an, das Thema in den Ausschuss für Landkreisentwicklung zurück zu verweisen. Schließlich entzündete sich auch eine Debatte darüber, ob der Antrag nicht doch etwas ergebnisoffen formuliert sein könnte.
Parteipolitische Verbal-Scharmützel
Zuvor jedoch verbündete sich Rot-Grün gegen die Vorredner aus CSU und FWG. Dr. Bartl Wimmer (Grüne) nahm sich Franz Rasp vor: »Diese Aussage war nun wirklich daneben.« Dr. Zimmer pflichtete bei: »Es ist nicht gut, hier Sozialneid zu schüren.« Und ebenfalls aus der Grünen-Fraktion hielt Simon Köppl dagegen, dass Solarthermie »auch in großen Wohneinheiten wunderbar geht«. Für die SPD versuchte Partei-Urgestein Hans Metzenleitner mit Blick auf Rasp, die Klassenkämpfer wieder einzufangen: »Wir sind nicht mehr im ausgehenden 19. Jahrhundert. Die SPD ist keine Arbeiterpartei mehr, sondern die Partei der Vernunft. Wir unterstützen nicht nur die Mieter, sondern auch den Mittelstand.« Und er fügte hinzu: »Ich muss mich schon sehr wundern über so eine Diskussion bei einem eigentlich sehr harmlosen Antrag. Ideologische Grundsatzdebatten sind hier in keiner Weise angebracht.«
Allerdings gingen die Auseinandersetzungen munter weiter, bis die Rufe nach einer Lösung lauter wurden. Letztlich wurde die Sitzung unterbrochen und die Fraktionssprecher kamen zusammen, um sich zu verständigen. Was ihnen nach einigen Minuten gelang, ein neuer Beschlussvorschlag sollte formulierte werden. Nachdem auch das nur mit Zwischenrufen und Korrekturwünschen abging, wurde Verwaltungsmitarbeitern und Landrat einiges abverlangt. Selbst der drohte kurz die Übersicht zu verlieren (»Jetzt werd's hagelbuachan«), bevor endgültig abgestimmt werden konnte.
Die Einigung
Und zwar über den Kompromissvorschlag, dass die Landkreisverwaltung beauftragt wird, »ein Maßnahmenpaket zur regenerativen Wärmegewinnung (z.B. Solarthermie) zu entwickeln, das den Kreisgremien zur Beschlussfassung vorzulegen ist«. Bei nur vier Gegenstimmen trug die große Mehrheit des Kreistags diesen Vorschlag nach über einer Stunde mit.
Thomas Jander