Die Schweiz ist ein teures Pflaster, das ist unlängst bekannt. Wie viel kostet der Besuch eines Cafés, wie viel ein gewöhnliches Bier um die Ecke? Wie viel muss man auf den Tisch legen, wenn man schön zum Essen gehen will?
Leopold Lecheler: Generell gilt für alles, was die Lebenshaltungskosten angeht, die Faustregel, den aus Deutschland gewohnten Preis mal zwei zu nehmen. Unbewusst schmerzt aber jeder Besuch in einer Wirtschaft oder dem Supermarkt. Wenn man aber die Emotionen beiseite lässt und die Ausgaben in Relation zu den schweizerischen Lohnverhältnissen setzt, merkt man allerdings, dass man fast den gleichen Teil des Einkommens für die alltäglichen Ausgaben hat.
Mitte Januar hat die Schweiz überraschend die Kopplung des Franken an den Euro aufgegeben. Über Nacht sind die Preise um rund 20 Prozent nach oben geschossen. Das Leben ist also insgesamt teurer geworden. Ist der Preisanstieg im Alltag spürbar? Wo besonders?
Lecheler (lacht): Nein, das Leben ist hier nicht teurer geworden. Das Leben außerhalb der Schweiz ist nur günstiger geworden. Was ich meine, ist, dass es innerhalb der Schweiz keinen Preisanstieg gibt. Der Franken ist eben im Vergleich zum Euro stärker geworden, aber die Preise und Löhne der Schweizer haben sich bislang nicht merklich verändert. Es sei denn, man ist Tourist, dann leidet man natürlich unter dem ungünstigeren Wechselkurs. Wie sich der starke Schweizer Franken in Zukunft auf die Schweizer Wirtschaft auswirken wird, kann ich nicht beurteilen.
Du wohnst nicht weit von der Grenze entfernt. Nutzt Du die Möglichkeit, im Ausland einzukaufen?
Lecheler: Natürlich. Die Qualität der deutschen Ware ist super und kostet nur halb so viel. Zahlreiche Supermärkte und Geschäfte direkt an der Grenze zeigen, dass es die Schweizer auch so sehen.
Wie ist es um Lebensmittel bestellt? Was kostet Wurst, Käse, ein Laib Brot?
Lecheler: Einfach die Preise mal zwei nehmen. Damit kommt man meistens in etwa hin.
Auch in Sachen Mieten ist die Schweiz ganz weit vorn. Du hast es mit Deiner Unterkunft relativ günstig getroffen …
Lecheler: Ja, genau. Ich wohne noch direkt beim Spital in einem Personalwohnheim. Bei den Arbeitszeiten würde sich eine teure Wohnung sowieso nicht lohnen, sie stünde ja die meiste Zeit leer. Aber im Ernst, die Mieten sind, ebenso wie die sonstigen Lebenshaltungskosten, sehr hoch. In meiner nächsten Rotation zieht es mich nach Zürich, da fängt bei einer entsprechenden Wohnung die Monatsmiete bei erst umgerechnet etwa 2 000 Euro an.
Das Lohnniveau in der Schweiz ist im Vergleich zu jenem von Deutschland deutlich höher. Wer verdient wie viel?
Lecheler: Generell muss man sagen, dass für einen Mediziner in Weiterbildung unter'm Strich in Relation zu Deutschland nicht unbedingt mehr Geld übrig bleibt. Manche meinen sogar weniger. Was mir aber auffällt, ist, dass das Lohnniveau gerechter verteilt zu sein scheint als in Deutschland. Jemand vom Pflegefachpersonal verdient im Verhältnis sogar mehr als ein Arzt bei Berufseinstieg. In Deutschland undenkbar. So lohnt sich vielleicht der Gang in die Schweiz für nicht akademische Berufe sogar eher als für mich.
Warum bist Du in die Schweiz gegangen, wenn es sich gar nicht wirklich für dich finanziell lohnt?
Lecheler: Die Arbeitsverhältnisse und die Aus- und Weiterbildung sind einfach gut. Das bedeutet nicht unbedingt, dass diese in Deutschland immer schlecht wären. Aber in vielen Gebieten sind die Schweizer besser. Zum Beispiel in der klinischen Notfallmedizin, dort gibt es ein spezielles Fähigkeitsprogramm, das einen Arzt zur Tätigkeit in einer Notaufnahme qualifiziert und sich an europäischen Richtlinien orientiert. In Deutschland gibt es, außer in Berlin, keine vergleichbaren Qualifikationen. In der Regel werden die Notaufnahmen von den etablierten internistischen, neurologischen und chirurgischen Fachdisziplinen nebenher mitgeführt. Diese werfen dann ihre Anfänger ins kalte Wasser der Notaufnahme, nicht unbedingt immer zum Wohl des Patienten. Die Ursache für dieses Verständnis der medizinischen Weiterbildung in Deutschland liegt meiner Meinung nach in den steilen Hierarchien und dem antrainierten, stets vorauseilenden Gehorsam der jungen Ärzte. Die Schweizer bevorzugen eher flache Hierarchien, in denen das Patientenwohl am wichtigsten ist. Ich hoffe, ich kann davon etwas mitnehmen, wenn ich nach Deutschland zurückkehre. Kilian Pfeiffer