Merker begann mit einer interessanten Definition des Begriffes »moderne Kunst« und seiner ganz persönlichen Theorie, nach der im Grunde alle Kunst religiösen Bezug habe, da sowohl Kunst als auch Religion die gleichen menschlichen Grundthemen behandeln. Der Begriff »christliche Kunst« dagegen entstand erst nach dem Bildersturm der Französischen Revolution, als in den zerstörten Kirchen die fehlende Kunst im Rückgriff auf die Vergangenheit ersetzt wurde. Zeitgenössische Kunst, die nun als unchristlich angesehen wurde, fand man danach allerdings nicht mehr in Kirchenbauten. Erst nach dem 2. Vatikanischen Konzil versuchte die Kirche, wieder Einfluss auf das Kunstgeschehen zu bekommen.
Mit hoch interessanten Bildern verdeutlichte Merker dann seine Ausführungen. So zeigte er den beeindruckenden Wandel, den die Darstellung von Gott in der Kunstgeschichte durchläuft – vom jungen Mann bei Meister Bertram über den jungen Bärtigen im antikisierenden Gewand auf einer gotischen Buchmalerei bis zum gewaltig-kraftvollen Gott bei William Blake oder Michelangelo – hin zum fast griesgrämigen Alten mit weißem Haar, der seit mehr als 1 000 Jahren Patriarchat in unserem kollektiven Gedächtnis verankert ist. Die Diskussion griff später die Frage auf, was nun Nachteil oder Stärke eines Bilderverbots seien, wenn weder eine Personifikation Gottes möglich wäre noch eine emotionale Anbindung an einen personifizierten Gott.
Im Laufe der Geschichte allerdings wurde Gott in der Kunst immer mehr an den Rand gedrängt, vor allem zugunsten von Jesus, der allerdings wenig gemein hat mit dem biblischen Jesus, sondern eher ein Spiegel seiner jeweiligen Zeit ist. Gott dagegen wird in der Moderne nicht mehr personifiziert. Merker verdeutlichte anhand von eindrucksvollen und berührenden Beispielen die Stärke dieser modernen Kunst, mit völlig neuen Mitteln schwer Ausdrückbares zu zeigen und sich mit christlichen Themen und Werten auseinanderzusetzen: Abstrakte Formen, Alltagsgegenstände, Farb-Intensität oder dechiffrierbare Symbolik, um nur einige zu nennen, werden eingesetzt, um Transzendentes darzustellen, manchmal auch bewusst überspitzt und provokant. Aber diese Werke sind stets für Interpretation offen, damit sich die Betrachter auch dazu in Beziehung setzen können.
Dass auch der gesamte Arbeitsprozess an einem Werk von Bedeutung sein kann, zeigte Merker mit Aufnahmen der sich allmählich entwickelnden Skulptur der hl. Theresa von Avila des Künstlers Hannes Stellner: Seine intensive, persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema ließ das Heilige schon im Entstehen sichtbar werden – ganz im Sinne Luthers, dass erst der Gebrauch Dinge segnet und heiligt. Dies verdeutlichte Merker mit drei Kunstgegenständen aus seinem Arbeitszimmer, die ihm Gedankenimpulse geben können oder Themen zum Beispiel aus den Gottesdiensten in seinen Alltag holen. Die abschließende offene Diskussion bewies, wie sehr moderne christliche Kunst, in die Merker eingeführt hatte, Aspekte des Lebens heute aufgreift und damit Menschen in ihrem religiösen Empfinden ansprechen kann - und wie wichtig diese Art von Auseinandersetzung für jeden Einzelnen und für die Gemeinschaft ist. fb