Ein Bürgerantrag ist ein Instrument zur kommunalpolitischen Mitwirkung der Bürger auf Landkreisebene. Geregelt ist das Thema in der bayerischen Landkreisordnung. Die Landkreisordnung für den Freistaat Bayern (LkrO) bildet die Rechtsgrundlage für das verfassungs- und verwaltungsmäßige Handeln der Bayerischen Landkreise. Geregelt sind hier vor allem das Wesen und die Aufgaben des Landkreises, die Kreisorgane und ihre Hilfskräfte, der Geschäftsgang und die Landkreiswirtschaft.
In der Landkreisordnung finden sich im Artikel 12 b die Regelungen zum Bürgerantrag. Dies ist in der Praxis ein eher ungewöhnliches Instrument der Bürgerbeteiligung, das selten Verwendung findet. Der Aufwand ist zwar im Vergleich zu einem Bürgerentscheid deutlich geringer, allerdings kann mit einem Bürgerantrag auch deutlich weniger erreicht werden. Ein Bürgerentscheid ist zu werten wie ein Beschluss des eigentlich zuständigen Gremiums (hier also des Kreistags), die Bürger holen also die Entscheidung von ihrem gewählten Repräsentantengremium wieder zurück. Der Bürgerantrag erreicht dagegen im Erfolgsfall lediglich, dass sich das zuständige Gremium – für die Kliniken der Kreistag – mit einem Thema befassen muss. Die jeweilige Entscheidung trifft also (wieder) der Kreistag.
Keine aufschiebende Wirkung
Und es gibt noch einen gravierenden Unterschied: Findet ein Bürgerbegehren genügend Unterschriften und es kommt zum Bürgerentscheid, ist damit gleichzeitig eine Art »Handlungsstopp« verbunden. Von der Feststellung der Zulässigkeit bis zur Durchführung des Bürgerentscheids darf eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung der Kreisorgane nicht mehr getroffen oder mit dem Vollzug einer derartigen Entscheidung nicht mehr begonnen werden. Einzige Ausnahme: Es bestehen bereits rechtliche Verpflichtungen, etwa wenn bereits Verträge geschlossen wurden. Bei einem Bürgerantrag gibt es diese Regelung nicht, die Umstrukturierung der Kreiskliniken dürfte weiter betrieben werden.
Für einen Bürgerantrag müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es sich laut Gesetzestext um eine »Kreisangelegenheit« handeln, also eine Aufgabe, für die der Landkreis zuständig ist. Das ist bei den Kreiskliniken der Fall, diese gehören zu den sogenannten »Pflichtaufgaben im eigenen Wirkungskreis« nach Artikel 51 der Landkreisordnung.
Der Bürgerantrag muss beim Landkreis eingereicht werden, er muss eine Begründung enthalten und drei Personen benennen, die für dieses Verfahren vertretungsberechtigt sind. Dies ist notwendig, da einiges zu organisieren ist, zudem braucht der Landkreis Ansprechpartner, wenn es etwa um Zulässigkeit des Antrags oder die Gültigkeit von Unterschriften geht.
Denn diese müssen gesammelt werden, ein Bürgerantrag muss von 1 Prozent der Landkreiseinwohner unterschrieben sein, also circa 1 100 Unterschriften sind notwendig. Unterschriftsberechtigt sind allerdings nur Landkreisbürger; der Unterschied zwischen Einwohner und Bürger ist verwaltungsrechtlich das Wahlrecht. Bürger sind also – grob zusammengefasst – alle EU-Bürger, die volljährig sind und ihren Lebensschwerpunkt im Landkreis haben. Zu den Einwohnern zählen auch alle minderjährigen Kinder sowie Angehörige von Staaten außerhalb der EU.
Über die Zulässigkeit eines Bürgerantrags entscheidet das für die Behandlung der Angelegenheit zuständige Kreisorgan innerhalb eines Monats seit der Einreichung des Bürgerantrags. Der Kreistag prüft also, ob es sich wie beschrieben um eine Kreisangelegenheit handelt und ob die notwendige Anzahl gültiger Unterstützerunterschriften vorliegt. Ist die Zulässigkeit des Bürgerantrags festgestellt, hat ihn das zuständige Kreisorgan innerhalb von drei Monaten zu behandeln. Das bedeutet im Fall der Umstrukturierung der Kreiskliniken, dass der Kreistag noch heuer erneut darüber beraten muss; und im Anschluss seinen bisherigen mit riesiger Mehrheit gefassten Beschluss bestätigen kann. Oder es findet sich – etwas überraschend – nun eine Mehrheit, die die bisherige Entscheidung aufhebt.
Unterschriftensammlung noch nicht gestartet
Initiatoren des Bürgerantrags arbeiten noch an der Begründung – »Falsche« Listen in Marktschellenberg
Berchtesgaden – Verwirrung um den aktuellen Stand beim Bürgerantrag zu den Kreiskliniken ist in den vergangenen zwei Tagen entstanden. So hat die Redaktion des »Berchtesgadener Anzeigers« die Information erreicht, dass in Marktschellenberg bereits Unterschriften gesammelt werden. Dies geht allerdings auf eine private Initiative zurück, wie BN-Sprecher Paul Grafwallner im Gespräch mit der Redaktion erklärt.
Die Initiatoren des Bürgerantrags arbeiten noch an der gesetzlich vorgeschriebenen Begründung dazu, deswegen wurde mit der Unterschriftensammlung noch nicht begonnen. Grafwallner ist nicht glücklich über den »Frühstart« beziehungsweise »Fehlstart« in Marktschellenberg: »Es ist den Menschen nur schwer zu erklären, dass sie dann noch mal für eine Sache unterschreiben müssen, die ihnen wichtig ist. Die Listen, die in Marktschellenberg ausgelegt wurden, sind nicht für unseren Bürgerantrag.«
Die Sammelaktion in der Marktgemeinde ist demnach vergleichbar mit der Online-Petition, die für den Erhalt der Notaufnahme in Berchtesgaden gestartet wurde (wir berichteten). Wer den Bürgerantrag unterstützen will, muss warten, bis die offiziellen Listen aufliegen und dann eventuell noch mal unterschreiben.
Wie vom BN-Sprecher ebenfalls zu erfahren war, wurden bereits Kontakte zum Krankenhaus-Förderverein in Freilassing hergestellt, aktuell ist eine gemeinsame Online-Besprechung geplant. Thema dabei wird natürlich der Bürgerantrag sein, aber auch das zweite demokratische Beteiligungsmittel aus der Landkreisordnung, der Bürgerentscheid.
Grafwallner betont, dass es auch eine Information über die Presse geben wird, sobald die Begründung für den Bürgerantrag fertig ist und offiziell mit dem Sammeln von Unterstützer-Unterschriften begonnen wird. Denn dazu werden Listen auch an vielen Orten im Berchtesgadener Talkessel ausgelegt.
Der Zuspruch in Marktschellenberg ist hoch, wie zu erfahren war.
Thomas Jander