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Der südkoreanische Skispringernachwuchs trainiert sechs Wochen in Berchtesgaden und Umgebung. Trainer Till Feist (M.) bot vielfältige Aktivitäten auch neben den Schanzen an. Foto: Anzeiger/Wechslinger

Die Disziplin ist großartig

Berchtesgaden – Sechs Wochen lang trainiert der Berchtesgadener Till Feist (42) die südkoreanische Skispringer-Nachwuchsmannschaft in Berchtesgaden und an weiteren Schanzenanlagen in der näheren Umgebung. Feist war selbst als Kombinierer in der Nationalmannschaft und arbeitete nach Ablegung seiner Trainerdiplome als Nachwuchscoach beim Deutschen Skiverband. Seit dem 1. Dezember des letzten Jahres hat Feist die Nachwuchsarbeit im Sprunglauf in Südkorea übernommen, das in fünf Jahren die Olympischen Winterspiele ausrichtet.


Wie kommt man als Trainer aus Berchtesgaden nach Südkorea?

Till Feist: Ralf Görtz, den ich persönlich gut kenne, arbeitet seit 25 Jahren als Ingenieur in Südkorea und hilft als Ehrenamtlicher mit, das Skispringen voranzubringen. Er hat als offizieller ehrenamtlicher Berater des koreanischen Skiverbandes über den Cheftrainer Wolfgang Hartmann die Verbindung hergestellt. Hartmann stellte an den Verband die Forderung nach einem Nachwuchstrainer, der jetzt ich bin.

Und wie taugt es dir in Südkorea?

Feist: Sportler sowie Funktionäre nehmen alles an, was man ihnen sagt. Sie möchten unsere Standards erreichen, das macht das Arbeiten schön und angenehm. Mir taugt es gut in Asien.

Wie verständigt man sich?

Feist: In Englisch, das alle sprechen. Außerdem üben wir mit einer Lehrerin zweimal in der Woche »Deutsch«.

Wie sieht es bei dir mit der koreanischen Sprache aus?

Feist: Das kannst du nicht schnell lernen, das braucht Jahre. Vor allem die Aussprache und Betonung ist eine besondere Schwierigkeit.

Das Skispringen hat in Korea ja noch keine Tradition. Wie motiviert man die jungen Leute?

Feist: Es gibt zwar nur wenige Skispringer und auch nur ein Springerzentrum. Dennoch ist die Begeisterung für das Skispringen riesengroß. Vor vier Jahren wurde ein Film über das Skispringen gezeigt, der 20 Millionen Zuschauer in seinen Bann zog. Skispringen hat in Südkorea einen unglaublich hohen Stellenwert. Die koreanischen Springer sind echte Helden, wozu der Film »Take Off« von Regisseur Kim-Yong Hwa einen großen Beitrag geleistet hat. Bei einem Continental- Cup, das ist die zweite Klasse, waren zuletzt einmal 12 000 Zuschauer und 100 Medienvertreter. Mit Hyun-Ki Kim gewann auch noch ein Koreaner und die Zuschauer waren völlig aus dem Häuschen. Die Zuschauer warten nach Kims Sieg bereits jetzt auf die nächsten Wettkämpfe im Alpensia Resort.

Die koreanischen Springer im Weltcup sind teilweise über 30 Jahre alt. Könnte es sein, dass einer aus deiner Nachwuchsgruppe bei Olympia dabei ist?

Feist: Aus meiner zwanzigköpfigen Gruppe 13- bis 17-Jähriger könnten es ein Mädchen und ein Bursch schaffen, 2018 in Pyeong Chang dabei zu sein.

Wie sind die Trainingsrhythmen?

Feist: In Südkorea haben die Kinder sechs Wochen im Sommer und sechs Wochen im Winter Ferien. In dieser Zeit wird hart trainiert.

Wie oft bist du in Korea und wie sieht die Schanzenanlage aus?

Feist: Ich bin sechs Mal im Jahr für jeweils sechs Wochen in Korea und kümmere mich dort um das Training. Die Olympiaschanzen stehen allesamt, es ist eine tolle Anlage.

Die nach Olympia zu verwaisen droht?

Feist: Das muss man abwarten. Mein Vertrag läuft bis nach Olympia, dann sehen wir weiter.

Was zeichnet die Asiaten besonders aus?

Feist: Eine unglaubliche Disziplin, die ein sehr schnelles Umsetzen von Aufträgen nach sich zieht. Meine Kinder und Jugendlichen springen seit eineinhalb Jahren und sind schon auf der 60-m-Schanze am Kälberstein gut unterwegs. Einige haben sich sogar schon auf die 90-m-Schanze gewagt. So eine schnelle Entwicklung ist mit Europäern undenkbar. Der koreanische Nachwuchs ist sehr aufnahmefähig, willensstark und zielstrebig. Ob das gut oder schlecht ist, kann ich noch nicht beurteilen, da muss man die weitere Entwicklung abwarten.

Wie wirkt sich die Disziplin in anderen Bereichen aus?

Feist: Ich denke da an die Situation bei Tisch. Während bei uns in Deutschland »halli-galli« herrscht, verhalten sich die Koreaner sehr ruhig. Wenn überhaupt gesprochen wird, dann sehr gedämpft. Die Jüngeren bedienen die Älteren, alles läuft sehr diszipliniert ab. Das ist richtig beeindruckend.

Wo wohnt ihr und sind sechs Wochen Trainingslager nicht eine sehr lange Zeit?

Feist: Wir sind beim Auerwirt bei der Familie Ptacek sehr gut aufgehoben. Sechs Wochen sind nötig, weil es ja eine sehr lange Reise ist. Ich habe meinen Nachwuchsspringern jedoch auch ein abwechslungsreiches Programm geboten, das ihnen sehr gut gefiel. Wir waren sowohl am Königsseer Wasserfall wie auch am Hintersee, im Aschi, in Kitzbühel, in Garmisch und in Salzburg.

Wie lief es mit asiatischer Küche?

Feist: Es gibt keine koreanische Küche, aber man geht beim Auerwirt auf unsere Wünsche ein. Freilich freuen sich die Nachwuchsspringer auf ihre Küche genauso wie ich mich nach sechs Wochen Asien auf eine Leberkäs-Semmel von Bösl. Christian Wechslinger