Herr Kübler, die Winter-Saison 2022/23 war herausfordernd. Wie zufrieden sind Sie damit?
Mit dem Winter als solchen überhaupt nicht, aber mit der Saison muss man mehr als zufrieden sein. Wir haben auf Chiemgau-Ebene alle unsere Rennen bei den Sparkassen-Cups durchführen können. Allerdings waren sehr viele Verschiebungen, was sowohl die Termine als auch die Wettkampforte anbelangt, nötig. Das war nur mit sehr viel Einsatz der Vereine, Organisatoren und Helfer möglich.
Da gab es sicher einige schlaflose Nächte?
Da habe ich etwas weniger Stress, aber die Sportwarte umso mehr. Es hat sich in diesem Winter aber in der Tat auch ein neues Problem herauskristallisiert, mit dem wir so bisher noch nicht konfrontiert gewesen sind. Das sind die immensen Hotel-Stornokosten, wenn also Wettkämpfe kurzfristig verlegt werden. Da sind wir aber dran, in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Skiverband und dem Deutschen Skiverband auch Lösungen zu finden.
Da muss man ja direkt Angst haben, dass der Nachwuchs abspringt?
Ja, leider. Aber ich denke, das Problem werden wir in den Griff bekommen.
Sind eigentlich noch Auswirkungen der Corona-Pandemie spürbar?
Von der Pandemie als solches merken wir nichts mehr. Wir haben auch nicht großartig Einbrüche bei den Sportlern gehabt. Ganz im Gegenteil: Im Langlauf ist der Zulauf nach wie vor ungebrochen. Der Skiverband Chiemgau ist sogar eine der Regionen in Bayern, die aus der Corona-Krise ohne Minus rausgegangen ist.
Und wie schaut es bei den Sponsoren aus? Musste da einer der Geldgeber wegen der Corona-Pandemie oder der aktuellen Energiekrise sein Engagement zurückschrauben?
Nein, es hat keinen Einbruch gegeben! Wir haben eine ganz tolle Sponsoren-Truppe! Sie stehen voll und ganz hinter der Geschichte Wintersport! Das ist ein großes Miteinander. Dafür muss man sehr dankbar sein.
Auch für die erfolgreichen Wettbewerbe des SV Chiemgau. Die Bioteaque-Langlauftournee ist eines der Aushängeschilder. Damit hat sich der SV Chiemgau weit über seine Grenzen hinaus einen Namen gemacht, oder?
Das sind in der Tat mittlerweile Wettbewerbe, die haben überregionales Format. Das ist kein kleines Nachwuchsrennen auf Vereinsebene mehr. Unsere Langlaufrennen können sich ohne weiteres mit einer Bayerischen Schüler-Meisterschaft im Langlauf vergleichen lassen. Wir sind, glaube ich, auch einer der ganz wenigen Gaue, die mit Live-Timing arbeiten. Das heißt, wer zuhause bleiben muss, kann die Rennen live am Handy oder am Computer verfolgen. Da haben wir ein hohes Niveau erreicht. Das macht Spaß, das durchzuführen.
Laufen eigentlich schon die Wettbewerbsplanungen für die neue Saison oder ist da mittlerweile so viel Routine dabei, dass man das kurzfristig machen kann?
Nein, das geht jetzt schon los! Die erste Alpin-Sitzung steht nun an, dort wird der Rahmenkalender gesteckt – also welcher Verein, welche Veranstaltung übernehmen würde. Die Langlauf-Sitzung wird jetzt auch nicht mehr lange auf sich warten lassen. Es erfordert schon alles eine gewisse Vorlaufzeit und Planung. Wobei wir uns immer nach den oberen Kalendern richten müssen. Fakt ist: Es muss bis Herbst alles stehen.
Hoffen Sie darauf, dass auch mal wieder ein normaler Winter kommt oder muss man sich davon verabschieden? Bereitet einem das Kopfzerbrechen?
Wir nehmen es mittlerweile etwas gelassener hin. Wir können es ja eh nicht ändern. Es ist einfach keine Fixplanung mehr möglich. Das heißt, wir planen und bereiten vor, müssen aber damit rechnen, dass alles ganz anders kommt.
Es kommen immer wieder Diskussion hoch, ob Schneekanonen eingesetzt werden sollen oder nicht. Wie sehen Sie diese Thematik?
Das Thema lässt sich diskutieren. Fakt ist: Es wird gerne Wintersport gemacht. Man muss halt versuchen, den Einfluss so gering wie möglich zu halten, was den Betrieb der Schneekanonen betrifft. Es muss in diesem Punkt einfach ein Miteinander geben.
Der SV Oberteisendorf weiht an diesem Samstag seine Rollerbahn ein. Eine weitere wichtige Investition für die Zukunft?
Das ist mit Sicherheit etwas Tolles! Wir haben sehr viele Sportler aus dem Bereich nördlich der Autobahn, die jetzt nicht mehr bis zur Chiemgau-Arena zum Trainieren fahren müssen. Das heißt also auch, es wird Sprit gespart. Das ist ökologisch von Vorteil. Was auch noch sehr erfreulich ist: Der SVO hat zugesichert, dass die Benutzung der Bahn kostenfrei für alle Vereine ist, die kommen wollen. Man muss sich nur anmelden. Das finde ich eine ganz starke Geschichte!
Die Sportler müssen damit künftig jetzt auch nicht mehr auf der Straße oder dem Radweg trainieren. Das ist auch ein Sicherheitsaspekt, oder?
Für die jüngeren Schüler ist das mit Sicherheit besser, als wenn sie irgendwo auf der Straße unterwegs sind und trainieren. Aber auch für den Trainingsbetrieb hat es Vorteile! Auf einer langen und geraden Strecke kann der Trainer nicht so einfach Sachen verbessern. Die Rollerbahn ist ein Rundkurs, da kann sich der Trainer also hinstellen und kann ganz gezielt die Bewegungsabläufe seiner Sportler anschauen und korrigieren.
Im Rahmen der Eröffnungsfeier der Rollerbahn wird auch der SV Chiemgau einige Ehrungen vornehmen. Was genau haben Sie in Oberteisendorf geplant?
Wir werden dort unsere Sportlerehrung durchführen und die erfolgreichsten Wintersportler aus dem Schüler-, Jugend- und Seniorenbereich mit den kleinen und großen Schneeflocken in Silber und in Gold ehren. Wir sind sehr froh, dass wir diese Gelegenheit jetzt nutzen können, weil dann auch einfach sehr viele Zuschauer dabei sein werden.
Kommen denn auch prominente Wintersportler?
Wir hoffen natürlich, dass unsere Weltcup-Stars dabei sind – also Jonas Dobler, Sophia Schneider, Andreas Wellinger, Markus Eisenbichler, »Peppi« Ferstl, Dominik Schwaiger und Ramona Hofmeister sind unter anderem eingeladen. Zudem werden die Gesamtsieger im Deutschlandpokal und im Deutschem Schülercup geehrt. Das ist eine ganz schön große Menge. Wenn man die Erfolge so anschaut, dann kann man schon sagen: Wir waren nicht schlecht unterwegs!
Allein im Bereich Biathlon hat der SV Chiemgau im vergangenen Winter richtig abgeräumt...
Das war sehr beeindruckend! Wenn man den Skiverband Chiemgau als Landesverband hernehmen und mit allen Landesverbänden in Deutschland vergleichen würde, wäre im Deutschlandpokal Biathlon der Skiverband Chiemgau der erfolgreichste Landesverband. Das heißt, wir allein haben mehr Podestplätze als Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen miteinander geholt!
Im Biathlon muss man sich also keine großen Sorgen für die Zukunft machen?
Da werden in den nächsten fünf bis sechs Jahren sicherlich einige positive Meldungen auf uns zu kommen. Im Schülerbereich kommt auch schon die nächste Generation nach. Wir haben ja vor vier Jahren den Bereich Biathlon umgestellt, also anders finanziert. Das hat uns einiges gekostet. Strukturell sind wir jetzt völlig anders aufgestellt, aber es hat sich gelohnt: Wir haben richtig gehandelt und es kommen jetzt die ersten Früchte! Wir haben richtig gehandelt. Im Langlauf und im Snowboard-Bereich sind wir auch gut dabei, im Skisprung-Bereich sowieso. Im nächsten Jahr wollen wir ganz gezielt den Bereich Alpin in Angriff nehmen und neu aufstellen.
Bleiben wir noch kurz beim Biathlon. Sophia Schneider hat sich im vergangenen Winter im Weltcup etabliert. Wie sehr freut Sie der Erfolg der jungen Sportlerin?
Das freut mich unwahrscheinlich! Auch Marion Wiesenzarter darf man nicht vergessen. Und auch Marlene Fichtner und Lisa Spark sind auf den Weg nach ganz vorn. Das sind unsere eigenen Gewächse, die wir gefördert und geformt haben. Da ist die Freude groß.
Einer, der seine Karriere beendet hat, ist Langläufer Jonas Dobler. Hat der SV Chiemgau schon seine Fühler ausgestreckt, um ihn als Funktionär zu gewinnen?
Ich habe mich mit Jonas Dobler bei der Sportlerehrung des Landkreises in der Tat darüber unterhalten. Aber er ist jetzt einfach mal froh, seine Ruhe zu haben. Diese Zeit muss man einem Sportler auch geben. Vielleicht kommt man in zwei oder drei Jahren zusammen. Das wäre für uns natürlich der Optimalfall.
Viele Verbände jammern immer wieder, dass es Engpässe bei den Trainern gibt. Wie schaut es da beim SV Chiemgau aus?
Wir haben da Gott sei Dank kein Problem! Wir haben beim Skiverband Chiemgau ja für jede Sportart ein Lehrteam angesiedelt, das die Trainerausbildung sowohl im Breitensport als auch im Leistungssport durchführt. Da sind jedes Jahr unsere ganzen Kurse ausgebucht. Das ist erstaunlich. Die Kandidaten werden auch immer jünger! Das sind teilweise ehemalige Leistungssportler, die weiter in der Gruppe dabei bleiben wollen, dann halt in einer anderen Funktion. Aber das ist für uns natürlich das Beste, was passieren kann.
Inwieweit kümmert sich der SV Chiemgau auch um den Breitensport?
Das ist eine ganz schwierige Diskussion, die wir jetzt auch im Präsidium des Bayerischen Skiverbands geführt haben. Das ist eigentlich eine Sache der Vereine. Wir bekommen von den Vereinen ja eine Gruppe, die Leistungssport machen will. Aber wir wollen den Vereinen natürlich auch helfen und möchten ihnen Konzepte an die Hand geben, welche Angebote man im Bereich Breitensport kreieren kann, damit Mitglieder gewonnen werden können. Das ist jetzt mal auf den Weg gebracht worden. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen, weil wir aktuell noch keine Ergebnisse dazu haben.
Nochmals zurück zum Thema Anlagen: Die Schanzen in Ruhpolding fristen weiter ein Schattendasein. Tut sich in diesem Bereich denn irgendetwas?
Schanzentechnisch haben wir weiter ein Riesenproblem! Die Kälbersteinschanze in Berchtesgaden fällt ja jetzt auch erst einmal weg. Somit haben wir bei uns keine Matten belegte Schanze im Bereich K 50/ K 60 aufwärts für den Sommerbetrieb. Die nächsten sind in Oberaudorf, Hinzenbach, Saalfelden, Kitzbühel oder Villach. Die Sportler müssen also immer weit fahren und das frisst uns mit den Fahrtkosten auf. Das ist unwahrscheinlich schwierig, aber es ist momentan auch keine andere Möglichkeit da.
Immerhin wird die Kälbersteinschanze saniert...
Das ist natürlich eine Riesengeschichte für uns. Wenn die Anlage fertig ist, ist sie wirklich bombig. Aber das heißt jetzt natürlich auch, dass sie zwei Winter lang nicht genutzt werden kann.
Die Bereiche Bob, Rodeln und Skeleton gehören ja nicht zum SV Chiemgau. Leiden Sie trotzdem auch mit den Sportlern mit, wenn Sie die zerstörte Bobbahn am Königssee sehen?
Klar, denn ich habe sehr viele Bekannte und Freunde in Berchtesgaden. Sie haben aktuell natürlich noch größere Probleme als wir mit dem Training. Es ist deshalb gut, dass dort jetzt schön langsam Bewegung in die Sache kommt.
Sie sind seit 2017 SVC-Vorsitzender. Wie fällt Ihre Bilanz bisher aus?
Man nimmt sich ja einiges vor, wenn man so ein Amt antritt. Wir sind sehr aktiv und haben jetzt Schritt für Schritt schon viel erreicht.
Können Sie ein paar Beispiele nennen?
Im Bereich Sponsoring sind wir auf dem Niveau, das wir uns vor sechs Jahren als Ziel gesteckt haben. Das ist eine gute finanzielle Basis. Wir haben den Verband aber auch generell saniert. Das heißt, wir haben die Beiträge an die anderen Skiverbände angeglichen. Dadurch haben wir jetzt einen finanziellen Spielraum. Das war aber auch nötig, denn wir haben beispielsweise auch das Training auf ein anderes Niveau stellen müssen. Der BSV hat uns beispielsweise komplett den Schülerbereich in unsere Verantwortung zurückgegeben. Sprich: Wir müssen diesen Bereich jetzt allein mit Trainern stemmen.
Was steht noch an?
Wir sind ständig weiter dabei, den Verein zu modernisieren. Stichpunkt »Digitale Vereinsführung«. Livetiming habe ich schon angesprochen, dazu haben wir beispielsweise digitale Fahrtenbücher eingeführt. Aber auch im Bereich Social Media wollen wir noch präsenter werden, ebenso im Bereich Marketing.
In diesem Jahr stehen im Herbst wieder Neuwahlen beim SV Chiemgau an. Werden Sie sich wieder aufstellen lassen?
Wenn sie mich nicht zu sehr ärgern, dann kandidiere ich wieder (lacht). Ich bin jemand, der, wenn er etwas anfängt, das auch fertig machen will – und ich bin noch nicht ganz fertig mit meiner Arbeit hier. Die langfristigen Weichen müssen gestellt werden.
Stephanie Brenninger