Bildtext einblenden
Bobpilot Johannes Lochner hat überraschend den Vizeweltmeistertitel in Winterberg geholt. Nun will sich der Untersteiner erst einmal wieder seinem Studium widmen. (Foto: privat)

Nach seinem Coup freut sich der Vizeweltmeister auf die Uni

Schönau am Königssee – Bob-Vizeweltmeister Johannes Lochner vom WSV Königssee ist nach seinem sensationellen zweiten Platz von Winterberg nicht abgehoben. Vielmehr freut er sich schon auf die Fortsetzung seines Elektrotechnikstudiums an der TU in München. »Ich könnte mir nicht vorstellen, so gar nichts für den Kopf zu tun«, sagt der Untersteiner im Gespräch mit dem »Berchtesgadener Anzeiger«.


Johannes, Du scheinst Nerven wie Drahtseile zu haben. Schließlich ging es bei der Weltmeisterschaftsentscheidung im vierten und letzten Lauf um die Medaille und Du durftest Dir keinen Fehler erlauben. Wie ist es Dir in den beiden Nächten vor den entscheidenden Läufen ergangen?

Johannes Lochner: Ich habe in diesen beiden Nächten so gut geschlafen wie die ganze Woche vorher nicht. Davor nämlich war ich öfter wach und mir ist durch den Kopf gegangen, ob das Material passt, weil wir viel ausprobiert haben. Meine Frage war, ob ich alles richtig gemacht habe oder ob wir den Bob wieder auf den Originalzustand zurückbauen. Es ging hin und her. Aber mit Beginn des Wettkampfes war das vorbei und ich habe so gut geschlafen wie immer. Vor dem letzten entscheidenden Lauf habe ich mir nur gedacht, ganz entspannt ranzugehen und ganz einfach Spaß zu haben.

Hast Du bereits realisiert, was da in Winterberg passiert ist? Du hast ja die ganzen renommierten Piloten hinter Dir gelassen und warst genauso schnell wie der Weltcupgesamtsieger Oskar Melbardis.

Lochner: Nach der Zieldurchfahrt waren wir sichere Dritte und ich hätte keine Sekunde daran geglaubt, dass Melbardis nicht an uns vorbei kommt. Dann standen wir in der Leaderbox und haben Melbardis fahren gesehen. Der war am Start zunächst schneller und hat dann verloren. Doch auf einmal war er wieder gleich mit uns. Und weil sein Schlitten im Normalfall immer schneller wird, dachte ich schon, dass es nicht reichen würde. Als er dann zeitgleich war, habe ich realisiert, was da passiert ist.

Du sagtest kürzlich, dass Du in Pyeongchang die olympische Goldmedaille holen willst, um Deinen Onkel Rudi Lochner zu überholen, der 1992 in La Plagne/Albertville Silber geholt hat.

Lochner: Das ist richtig, ich muss Gold holen, sonst sagt mein Onkel ja immer, dass er mehr erreicht hat. Aber Spaß beiseite: Bis dahin ist noch ein weiter Weg.

Die Medaille will Dir ja auch Weltmeister Francesco Friedrich streitig machen.

Lochner: Das ist für mich Ansporn, den kriegen wir schon noch. Es kann nur gut sein, wenn du im eigenen Bereich einen sehr starken Gegner hast. Ich bin ja nicht die Nummer eins und nicht der Gejagte, sondern der Jäger.

Wie haben die Etablierten auf Deinen Erfolg reagiert?

Lochner: Wir haben nach dem Rennen am Abend ausgiebig gefeiert. Nur Melbardis war nicht dabei, der war immer noch konsterniert.

Denkst Du auch an den Viererbob, der ja ganz anders zu fahren ist?

Lochner: Ich bin ja noch nicht oft im Viererbob gefahren, der weitaus schwerfälliger reagiert als der Zweier. Aber wir haben mehrere Lehrgänge, bei denen ich auch mit dem großen Schlitten meine Erfahrungen machen kann. Der Zweierbob ist wie ein Sportwagen zu fahren, der Vierer wie ein Bus. Im Zweier kann man eine Linie noch retten, im Vierer geht das nicht, der verzeiht keine Fehler.

Du bist mit Deinem Anschieber um gut 20 Kilogramm leichter als die anderen Topteams, das kostet Zeit. Man muss also schwerer werden.

Lochner (lacht): Da muss die Mama nur gut kochen. Aber Spaß beiseite, ich muss an der Athletik arbeiten und im Oberkörper zusetzen. Dann haben wir das Gewicht am Mann und nicht im Bob, den wir ja beschleunigen müssen. Das bringt noch einmal ein paar Hundertstelsekunden, vor allem in der weiteren Abfahrt.

Wie funktioniert eigentlich der Spagat zwischen Studium und Spitzensport?

Lochner: Durch die Unterstützung beim Studium, durch meine Eltern, Freunde und Sponsoren geht es sehr gut. Das letzte Wintersemester wäre mein Letztes zum Bachelor gewesen. Im Sommer geht es bereits weiter mit dem »Master«. Ab April läuft das Sommersemester und ab Ende August bin ich dann wieder für meinen Sport beurlaubt. Wegen meiner sportlichen Tätigkeiten ist alles etwas nach hinten verschoben. Ich mache im Sommer das ganz normale Programm und im Winter die abgespeckte Version.

Du bist einer von wenigen Studenten im Bobsport, die meisten sind bei der Bundeswehr oder im Polizeidienst. Wie geht das bei Dir?

Lochner: Ich bin ja auch zum Bob Club Stuttgart Solitude gewechselt, weil mich da unser Präsident Professor Jochen Buck und das geschäftsführende Vorstandsmitglied Roland Bosch, Ex-Kanzler an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen, nach Kräften unterstützen. Zwar geht meine Ausbildung in jeder Hinsicht vor, doch diese hohen Herren kennen Gott und die Welt und da reicht ein Anruf und schon wird eine anstehende Prüfung verschoben, wenn diese in die Zeit eines Wettkampfes fällt. Wir sind 3 000 Studenten in der Elektrotechnik, und wenn ich da ankommen würde und für meinen Sport befreit werden möchte, dann interessiert dies im Normalfall keinen.

Hat Dich Dein Vater im heimischen Elektrobetrieb auch schon wieder gebraucht?

Lochner: Ich bin am Montagabend aus Winterberg zurückgekommen und habe am Dienstag bereits wieder am Vormittag auf einer Baustelle gearbeitet. Für mich ist auch da ganz wichtig, nahe an unserem Betrieb zu sein, ich kenne durch mein Studium ja auch die neuen Techniken. Es ist überhaupt so, dass ich meinen Sport nur durch die große Unterstützung meiner Eltern betreiben kann.

Wie war die Resonanz auf Deinen großen Erfolg?

Lochner: Unbeschreiblich. Ich wollte zunächst allen antworten, aber das ist schlichtweg nicht möglich. Meine Autogrammpost erledigt jetzt meine Mutter, ich habe die Autogrammkarten bereits unterschrieben. Christian Wechslinger